//Müllers Kolumne: Teure Drogentests

Müllers Kolumne: Teure Drogentests

Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) schlägt neuen Tatbestand für Mischkonsum von Cannabis mit Alkohol im Straßenverkehrsgesetz vor – die entstehenden Kosten werden allerdings verschwiegen

Im Zuge der bereits in Kraft getretenen Teillegalisierung des Nervengifts Cannabis soll nunmehr der geltende Grenzwert für den Wirkstoff von Cannabis „Tetrahydrocannabinol“ (THC) von bislang 1,0 ng/ml THC im Blutserum auf 3,5 ng/ml THC im Blutserum angehoben werden. Der Vorschlag des BMDV ist zwischenzeitlich den Parteien der Ampelkoalition zur Stellungnahme zugegangen. Meine Stellungnahme zum Inhalt und vor allem zum Verfahren der Grenzwerterhöhung war in meiner letzten Kolumne im April zu lesen.
Aktuell liegt zudem der Vorschlag einer neuen Vorschrift des Paragrafen 24b StVG vor, die wie folgt lautet:

„§ 24b Alkoholverbot für Cannabiskonsumenten und Cannabiskonsumentinnen

(1) Ordnungswidrig handelt, wer als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr 3,5 ng/ml oder mehr Tetrahydrocannabinol im Blutserum hat und alkoholische Getränke zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl er unter der Wirkung eines solchen alkoholischen Getränks steht. Satz 1 gilt nicht, wenn das Vorhandensein der Substanz Tetrahydrocannabinol im Blutserum aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt“.
(2) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
(3) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausendfünfhundert Euro geahndet werden.“

Die neue Ordnungswidrigkeit soll nach dem ergänzenden Entwurf der Änderung des Bußgeldkataloges bei einem fahrlässig begangenen Erstverstoß mit einem Bußgeld in Höhe von 1.000 Euro, beim Zweitverstoß mit 1.500 Euro und beim dritten Verstoß mit 2.000 Euro geahndet werden. Die Staffel des damit verbundenen Regelfahrverbots lautet auf einen Monat sowie jeweils drei Monate beim zweiten und dritten Verstoß. Bei Vorsatztätern ist nach Absatz 3 der Vorschrift eine Geldbuße bis zu 3.500 Euro möglich.

Die Begründung des Vorschlags

Laut der amtlichen Begründung wird der neue Tatbestand eingeführt, „um der besonderen Gefährdung durch Mischkonsum von Cannabis und Alkohol gerecht zu werden“.
Inhaltlich entspricht der Alkoholanteil des Tatbestandes dem absoluten Alkoholverbot des Paragraf 24c StVG für Fahranfängerinnen und Fahranfänger. Somit handelt man zukünftig ordnungswidrig, wenn man als Führer eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr 3,5 ng/ml oder mehr THC im Blutserum hat und während der Fahrt alkoholische Getränke zu sich nimmt oder die Fahrt antritt, obwohl man unter der Wirkung eines solchen alkoholischen Getränks steht. Nach geltender Rechtsprechung muss die alkoholische Wirkung entweder durch eine Blutprobe mit 0,2 Promille Alkohol im Blutserum nachgewiesen werden oder alternativ durch einen beweissicheren Atemalkoholtest, der einen Wert von 0,1 mg/l Alkohol in der Atemluft aufweist.
Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit des Mischkonsums soll die neue Ordnungswidrigkeit von den Bußgeldbehörden und Gerichten mit einer höheren Geldbuße als in Paragraf 24a StVG geahndet werden können.

Kritische Diskussion

Das BMDV setzt mit dieser „Formulierungshilfe“ einen neuen Diskussionsstil in die Welt. Der Formulierungsvorschlag wurde bislang ausschließlich den Fraktionen der SPD, von Bündnis 90/Die Grünen und der FDP zur Verfügung gestellt. Eine solche Verfahrensweise quasi „hinter verschlossenen Türen“ entbehrt nicht einer gewissen Brisanz – offensichtlich scheut man noch die Öffentlichkeit und die kritischen Stellungnahmen der Verbände. Dass der Entwurf dennoch schnell durchgestochen wurde, entbehrt nicht einer gewissen Komik im politischen Berlin dieser „politischen Cannabisblase“.
In den einleitenden Worten des Formulierungsvorschlags ist im Teil „F. Weitere Kosten“ die Bewertung „keine“ zu lesen. Diese Bewertung ist unzutreffend; denn sehr wohl müssen die 16 Länder mit erheblichen weiteren Kosten rechnen, die im Entwurf verschwiegen werden.
Tatsächlich müssen Polizeibeamte bei einem Tatverdacht des Führens eines Kraftfahrzeuges unter der Wirkung von Cannabis auch weiterhin in allen Verdachtsfällen eine Blutentnahme anordnen, weil der Wirkstoff THC bekanntlich in keinem anderen Analysemedium für das Verfahren beweissicher ermittelt werden kann.
Grundlage der Anordnung ist die Verdachtsgewinnung, die durch Beobachtung der Kraftfahrzeugführer, durch einen freiwilligen Drogenschnelltest und durch einen freiwilligen Pupillentest sowie gegebenenfalls weitere freiwillig zu absolvierende neurologische Tests wie zum Beispiel den bekannten Finger-Nase-Test oder den Einbeinstand geschieht. Wenn nach alledem ein Polizeibeamter den Verdacht einer Fahrt unter der Wirkung von Cannabis gewinnt, ordnet er eine Blutentnahme an.
Bislang galt für die Verwirklichung der Ordnungswidrigkeit die Grenze von 1 ng/ml THC im Blutserum. Wurde dieser Wert erreicht oder überschritten, war die Geldbuße fällig. Nur bei Werten unter 1 ng/ml THC im Blutserum musste das Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des hinfälligen Tatverdachts der Ordnungswidrigkeit gem. § 24a Abs. 2 StVG eingestellt werden. Zukünftig müssen sämtliche Verfahren eingestellt werden, wenn der neue Grenzwert von 3,5 ng/ml THC im Blutserum nicht erreicht wurde. Kein polizeilich eingesetzter Drogenschnelltest ist derzeit dazu in der Lage, diese Werte anzuzeigen. Das kann nur eine Blutanalyse.

Nach einer aktuellen Untersuchung des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Leipzig, die im Januar in der Zeitschrift „Die POLIZEI“ (Carl Heymanns Verlag, Köln) veröffentlicht wurde, wäre bei einer solchen Erhöhung damit zu rechnen, dass ca. 36 Prozent aller Bußgeldverfahren, bei denen Paragraf 24a Abs. 2 StVG mit einem auf THC bezogenen Tatverdacht eingestellt werden müssten.
Das Institut hatte 4.381 Blutproben Cannabis positiver Kraftfahrzeugführer aus seinem Einzugsgebiet für die Jahre 2020 bis Juli 2023 in seine Auswertung einbezogen. Die Blutproben wurden zuvor von Polizeidienststellen aus Leipzig, Chemnitz und Zwickau eingesandt und das Institut mit der Analyse beauftragt.
Wird ein Verfahren eingestellt, fallen die bis dahin angefallenen Verfahrenskosten der Staatskasse zur Last, also uns Steuerzahlern.

Für die Entnahme einer Blutprobe werden einem Arzt durchschnittlich 150 Euro erstattet und die Blutanalyse schlägt ebenfalls mit ca. 150 Euro zu Buche. Die Sach- und Personalkosten der Polizei trägt ohnehin der Staat (so genannte „Eh-da-Kosten“, weil die Polizeibeamten eh da sind, also ihren Dienst verrichten müssen). In Summe fällt also mit jedem eingestellten Verfahren der Betrag von 300 Euro an. Dem Freistaat Sachsen wären für die bei dem erhöhten Grenzwert einzustellenden 1.595 Verfahren ein Betrag in Höhe von 478.500 Euro in den dreieinhalb untersuchten Jahren an zu erstattenden Verfahrenskosten entstanden – und dies für nur drei der fünf sächsischen Polizeidirektionen. Das ist jedenfalls mehr als „keine“ entstehenden Kosten. So viel Ehrlichkeit muss sein.

Fazit

Es gibt noch andere Länder, die in dem Erkennen drogenbeeinflusster Fahrer traditionell wesentlich effizienter arbeiten als die Beamten der sächsischen Polizei. Diesen Ländern würden dann noch erheblich höhere Kosten entstehen, die der Steuerzahler für dieses besondere verkehrsrechtliche Experiment der Ampelkoalition tragen muss. Da zu erwarten ist, dass dieses Gesetz genauso vom Bundestag erlassen wird, dürfte die finanzielle Belastung auch genauso eintreten.

Weiterführende Links
Formulierungshilfe des BMDV
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Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht, Verkehrssicherheit und Verkehrspolitik.

Foto: Franz P. Sauerteig/Pixabay