//Immer mehr Kinder verunglücken in Lastenrädern

Immer mehr Kinder verunglücken in Lastenrädern

Noch sind die Zahlen niedrig, doch die Unglücksfälle von mitfahrenden Kindern nehmen rasant zu. Für die Sicherheit im Straßenverkehr baut sich eine neue Gefahr auf: Kinder in Lastenrädern werden immer mehr in Unfälle verwickelt. Auch der Fahrradanhänger und der Kindersitz auf dem Fahrradgepäckträger bergen Experten zufolge Gefahren für Leib und Leben der Kleinen.

Das jüngste vorliegende Zahlenmaterial für die Bundesrepublik stammt aus dem Jahr 2022 und wurde im Rahmen einer Untersuchung der „Unfallforschung der Versicherer“ (UDV) ermittelt. Es weist 222 Fahrradunfälle aus, bei denen mindestens ein mitfahrendes Kind involviert war. Zwölf Kinder wurden schwer verletzt. Die Zahl der Unfälle bewegt sich damit zwar auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Alarmierend ist jedoch, dass die Unfalle 2022 deutlich anstiegen: um nicht weniger als 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Öffentlichkeit und Politik nehmen keine Notiz von der drohenden Gefahr

Durch das sich ändernde Mobilitätsverhalten und die Zunahme des Fahrradverkehrs muss damit gerechnet werden, dass künftig noch mehr mitfahrende Kinder verunglücken. Öffentlichkeit und Politik nehmen von der drohenden Gefahr für das Leben der jüngsten und schutzlosesten Verkehrsteilnehmer bislang jedoch keine Notiz. Anders ist nicht zu erklären, dass für Lastenräder keine technischen Mindestanforderungen bei der Beförderung von Kindern gelten. Dabei ist die Bestandsaufnahme, die die UDV zum Zustand der angebotenen Fahrzeugmodelle durchgeführt hat, alles andere als beruhigend. Demnach sind die auf dem Markt befindlichen Lastenräder in den allermeisten Fällen für den Transport von Kindern schlicht „nicht ausreichend geeignet“. Eltern griffen überwiegend auf dreirädrige Einstiegsmodelle zurück, die „schwer zu fahren und hochgradig kippanfällig“ seien. „Den Kindern bieten sie bei einem Unfall keinerlei Schutz für Kopf und Oberkörper“, resümiert UDV Leiterin Kirstin Zeidler ernüchtert.

Autos häufigste Unfallgegner von Lastenrädern mit Kindern an Bord

Bei Versuchen und Crashtests mit Lastenrädern fiel Kirsten Zeidler und ihrem Team besonders auf, dass weder die Sitzbänke noch die Rückenlehnen der allermeisten Lastenräder geeignet sind, Kinder sicher zu befördern. Um diese schlechten Nachrichten in ihrer ganzen Tragweite zu ermessen, muss man wissen, dass es ausgerechnet die Autos sind, die die häufigsten Unfallgegner von Fahrrädern mit Kindern an Bord sind. Daher fordert die UDV von den Fahrzeugherstellern, „Sitze mit Kopfschutz, wirksame Gurte und eine Sicherheitszelle als Aufprallschutz“ einzusetzen. Gegen die Kippanfälligkeit der Räder helfe die Verwendung einer geeigneten Neigetechnik. Den Gesetzgeber ruft Zeidler auf, gesonderte Vorschriften zur Kinderbeförderung mit Fahrrädern zu erlassen, wozu auch Zulassungstests für Lastenräder gehörten.

Auch Fahrradanhänger mit entscheidenden Schwachstellen

Fahrradanhänger sind der UDV Studie zufolge zwar sicherer als Lastenräder, weisen allerdings auch gewichtige Schwachstellen auf. Ihr Vorteil liege in der Sicherheitszelle, die ein gut angeschnalltes Kind sogar gegen einen Überschlag schützen könne. Als Nachteil der Anhänger stellte sich jedoch heraus, dass sie sich bei einer starken Bremsung schnell querstellen, wegen ihrer Breite gern hängenbleiben und angesichts ihrer niedrigen Maße leicht übersehen werden. Als Gegenmaßnahmen hält die UDV für erforderlich, dass die Anhänger mit einer festen Beleuchtung und mit auffällig flatternden Fähnchen samt Blinklicht ausgestattet werden. Wichtig sei außerdem eine eigene Bremse für den Anhänger, um dem Querstellen vorzubeugen.

Kindersitz auf dem Gepäckträger: Absenkung des Höchstgewichts

Beim Kindersitz auf dem Gepäckträger stellt die Höhe ein besonderes Problem dar. Denn dadurch wird das Velo schnell instabil, und wenn es kippt, fällt das Kind gefährlich tief. Auch hier sind in erster Linie die Hersteller in der Verantwortung. Sie sollten dem UDV zufolge den Seitenschutz im Kopfbereich der Sitze optimieren und für die Standsicherheit der Fahrräder Sorge tragen, etwa durch Dreibeinständer. Darüber hinaus plädiert der UDV dafür, dass das erlaubte Höchstgewicht von 22 Kilogramm für Kinder im Kindersitz abgesenkt wird.

Für den Fall der Fälle: Immer Fahrradhelm und Gurte

Auch Eltern und Kinder können etwas zur Verbesserung der Sicherheit unternehmen. Denn aus Umfragen weiß die UDV, dass nahezu jedes zweite Kind keinen Fahrradhelm trägt und jedes fünfte falsch oder gar nicht angegurtet ist. Im Falle eines Falles können Gurt und Helm jedoch den entscheidenden Schutz liefern.

DVR fordert rechtlichen Rahmen für Lastenräder

Fakt ist:  Beim Thema Kindersicherheit liegt einiges im Argen. Bereits vor drei Jahren forderte der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) die Politik auf zu prüfen, ob sich die Lastenräder für die Mitnahme von Kindern eignen. Zudem wies der Verband darauf hin, dass die vorhandenen Radwege für Lastenräder in der Regel gar nicht geeignet seien – weshalb man Lastenräder vermehrt bei den Autos auf der Fahrbahn oder bei den Fußgängern auf dem Gehweg sieht. Geschehen ist seit dem Appell des DVR nichts – außer dass sich die Befürchtungen zu steigenden Unfallzahlen bewahrheiteten. In einer aktuellen Einschätzung geht der DVR davon aus, dass sich Lastenräder, zumal mit elektrischer Tretunterstützung, einer weiter steigenden Beliebtheit erfreuen. Allein deswegen solle die Politik einen rechtlichen Rahmen schaffen, so der DVR, damit Kinder sicher durch den Verkehr gebracht werden.

 Kristian Glaser (kb)

 

Bildquelle: „Unfallforschung der Versicherer“.