//Langeweile im Stau oder die Kunst des Wartens

Langeweile im Stau oder die Kunst des Wartens

Langeweile ist eine klar unterschätzte Gefahr im Straßenverkehr. Über die Herausforderungen mit Blick auf die Zeit des Wartens berichtet Verkehrspsychologin Marion Seidenberger vom Österreichischen Automobil-Touringclub ÖAMTC.

Ob Fußgänger, Rad- oder Autofahrer: Im hektischen Alltag fällt es nahezu allen Verkehrsteilnehmern schwer, sich Zeit für das Warten zunehmen. Etwa bis die Ampel auf Grün springt, bis es im Stau weitergeht oder ein freier Parkplatz gefunden ist. „Warten will niemand gern, es erfordert Disziplin sowie die Fähigkeit der eigenen Impulskontrolle“, beschreibt die Verkehrspsychologin Marion Seidenberger vom Österreichischen Automobil-Touringclub ÖAMTC die Herausforderung. Selbst eine kurze Wartezeit kann ein Gefühl der Langeweile auslösen. Erst recht gilt das für lange Verzögerungen, etwa durch einen Reisestau oder vor einer Baustelle – selbst dann wenn sie angekündigt wurden. Da könne es „zu verzerrter Zeitwahrnehmung kommen“. weiß Seidenberger aus der Forschung, „und das lässt bei manchem den Stresspegel ansteigen“. Dann reagiert man emotional, der Ärger steigt, möglicherweise kommen sogar Aggressionen auf. Das sei „weder der Sicherheit noch dem guten Miteinander im Straßenverkehr förderlich“, warnt die Expertin.

Quasi unendlich: die Zeit der Langeweile

Menschen neigen dazu, die Zeit der Langeweile als quasi unendlich zu empfinden. Das gilt besonders stark in den Fällen, in denen man es eilig hat. Dann klaffen die subjektive Einschätzung der Wartezeit und die tatsächliche Dauer oft „stark auseinander“, erklärt Seidenberger. Gegen das „unangenehmen Gefühl der Langeweile“ beim Warten vor einer roten Ampel oder im Stau hätten die Autofahrer zumeist „eigene Bewältigungsstrategien“ entwickelt, sagt die ÖAMTC-Expertin, und da gäbe es eine enorme Bandbreite. Die einen neigten beispielsweise dazu, noch schnell zu überholen, sich eben noch vorbeizuschlängeln oder zwischen den Spuren hin- und herzuspringen. Da werde sogar die Rettungsgasse befahren oder auf den Standstreifen ausgewichen. Alles Manöver, die einen Unfall geradezu provozieren und in der Regel verboten sind. Andere Autofahrer versuchen sich intellektuell zu beschäftigen, zum Beispiel mit einer Radiosendung, oder sie lauschen Hörbüchern oder der Musik, um die Zeit sinnvoll zu überbrücken. Auch Telefonieren kann eine Möglichkeit sein, die „gefühlte“ Wartezeit zu verkürzen.

Langeweile und Unterforderung begünstigen Unfälle

Durch solche Ablenkungen könne es aber auch passieren, berichtet Marion Seidenberger, „dass man eine wieder mögliche Weiterfahrt verpasst, was zu weiterer Wartezeit oder sogar Unfällen führen kann“. Immerhin zeigt die österreichische Unfallstatistik, dass Unachtsamkeit und Ablenkung, ähnlich wie in Deutschland, zu den Hauptursachen für Verkehrsunfälle gehören. Seidenberger bestätigt diesen Zusammenhang: „Für solche Unfälle können Langeweile und Unterforderung in Wartesituationen eine nicht zu vernachlässigende Rolle spielen, ebenso wie Ignoranz, mangelndes Regelbewusstsein und fehlende Fahrzeugbeherrschung“, sagt die Expertin.

Das Problem der Ungeduld von Autofahrern existiert allerdings selten ganz allein. Oft wird es durch eine schlecht abgestimmte Infrastruktur noch verschärft. Deshalb ist es aus Seidenbergers Sicht wichtig, dass Baustellen gut geplant werden und die Ampelschaltungen aufeinander abgestimmt sind. Weitere Maßnahmen, beispielsweise leicht erfassbare Anzeigen, klar lesbare Beschriftungen und gut erkennbare Garageneinfahrten in den Städten, helfen die Lage zu entschärfen.

 Autorin: Beate M. Glaser (kb), Abbildung: Pixabay/ vocablitz