//Kampf dem Tod am Stauende

Kampf dem Tod am Stauende

Die Unfälle sind spektakulär, die Folgen verheerend: Immer wieder kommt es an Stauenden auf Autobahnen zu schlimmen Auffahrunfällen mit Lkw. Warum das so ist und was man dagegen tun kann will jetzt ein Buch klären, das kürzlich in Mannheim vorgestellt wurde. Der Autor des Buches „Max Achtzig – 40 Tonnen Verantwortung“: Dieter Schäfer, ehemaliger Leiter der Verkehrspolizeidirektion Mannheim. Unser Kolumnist Prof. Dr. Dieter Müller hat das Werk unter die Lupe genommen. Hier seine Rezension:

 

Der Anlass dieses Buches ist schnell erklärt. Es geht in der Sache um die Sicherheit im Lkw-Verkehr auf unseren Straßen, und zwar um die Sicherheit von uns allen, genauer: Es geht um die (vermeidbaren) Verkehrsunfälle am Stauende. Die Prämisse des Autors lautet dann auch prägnant: „Der Tod am Stauende ist nicht unausweichlich.“ Man möchte hinzufügen „… und er hat viele Ursachen.“

Plakativer und eindringlicher hätte der Autor sein Buch nicht beginnen können, als mit der plastischen Schilderung eines Verkehrsunfalls mit drei getöteten Familienmitgliedern eines 15jährigen Teenagers, für den an diesem Unfalltag eine Welt zusammenbrach. Authentisch wird diese Schilderung nicht zuletzt auch aus dem Umstand, dass der Autor es gut versteht, seine Leser in ein Unfallgeschehen und dessen Folgen sowohl sachlich, als auch emotional mit hineinzunehmen. Dadurch wächst eine direkte Nähe seiner Leserinnen und Leser zu dem Inhalt des Buches.
Das fachliche Know-how zur Schilderung seiner Buchinhalte bringt der Autor fraglos mit. Er war vor seiner Pensionierung viele Jahre der Leiter der größten Verkehrspolizeidirektion in Baden Württemberg – ein Verkehrspolizist, der sein Handwerk von der Pike auf erlernt und sein Fachwissen über die vielen Jahre seiner beruflichen Tätigkeit zunehmend vertieft hat.

Das Buch beinhaltet die folgenden Kapitel:
1. Der Unfall
2. Einstellungen und Routinen als Unfallgefahr?
3. Ursachenanalyse
4. Szenarien für tödliche Unfälle am Stauende 5. Mangelhafte Infrastruktur
6. Die Max Achtzig Idee 2022
7. Technische Prävention
8. Personalisierte Prävention
9. Der Sekundenschlaf
10. Ablenkung
11. Das Max Achtzig Sicherheitsregister 12. Aktive Präventionsmaßnahmen
13. Die importierte Alkoholgefahr
14. Was tut der Staat zur Gefahrenabwehr? 15. Was kann die Autobahn GmbH tun?

Mit diesem Aufbau seines Werkes betrachtet der Autor das thematisch für viele andere Verkehrsunfälle stehende Geschehen unter anderem aus unfallanalytischer Sicht, technischem Aspekt und präventivem Ansatz. Das Buch richtet sich an keine spezielle Leserschaft, nicht an ein Fachpublikum, aber mit seiner Kernbotschaft dann doch an Berufskraftfahrer, aus deren Kreisen die Unfallverursacher stammen. Sie will der Autor mit seinen Sicherheitsbotschaften und Appellen erreichen und durch eine Bündelung von verständlich präsentierten Informationen zu einem Umdenken anregen.

Bedingt durch den anvisierten bürgerlichen Leserkreis geht der Autor mit fachlichen Zitaten bewusst sparsam um und beschränkt sich auf Links , die zu leicht erreichbaren und allesamt thematisch hilfreichen Internetseiten führen. Das Buch unterbreitet zahlreiche interdisziplinäre Vorschläge, das Transportsystem sicherer zu gestalten. Aufbauend auf zielsicher formulierten Fragestellungen bietet der Autor Antworten an, die seine Leserschaft zum Nachdenken anregen sollen. Die beiden Hauptursachen werden mit „Ablenkung“ und „Sekundenschlaf“ klar benannt und sie stimmen überein mit den Erkenntnissen aus der Unfallforschung der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und der Unfallforschung der Deutschen Versicherer (UDV).

Eine ungelöste Sonderproblematik behandelt der Autor unter dem Spezialthema einer „importierten Alkoholgefahr“. Damit meint er die Gruppe der mit teils extrem hohen Alkoholwerten auffallenden zumeist osteuropäischen Lkw-Fahrer. Sie werden oft sonntags von der Verkehrspolizei auf Autobahnrastplätzen angetroffen und pusten sehr hohe Atemalkoholwerte, auf die von der Polizei reagiert werden muss, indem auf gefahrenabwehrrechtlicher Grundlage die Fahrzeugschlüssel beschlagnahmt werden, bis die Fahrer ausgenüchtert sind.
Eines ist klar: Ohne diese präventiven Polizeikontrollen wären die Fahrer in alkoholisiertem Zustand mit ihren 40-Tonnern auf die Autobahn gefahren. Aus Sicht des Fahreignungsrechts besteht in all diesen Fällen der begründete Verdacht mangelhafter Fahreignung aufgrund eines Alkoholmissbrauchs oder gar einer Alkoholsuchterkrankung. Aber eine vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das ist die Krux dabei, existiert nur im Verkehrsstrafrecht und gerade nicht im Gefahrenabwehrrecht.

Was bleibt zur Bekämpfung dieses und der anderen angesprochenen Sicherheitsprobleme? Prävention, und zwar speziell bei der Problemgruppe und allgemein bei allen Verkehrsteilnehmern, die zu sensibilisieren der Autor nicht nur als seine Aufgabe, sondern vielmehr als eine persönliche Mission ansieht. Genau aus diesem Grund hat er mit Gleichgesinnten einen Verein namens „Hellwach mit 80 km/h e.V.“ gegründet, der die verschiedenen Präventionsaktivitäten bündeln und kanalisieren soll. Der Verein dient zudem der Verbreitung verkehrspolitischer Forderungen, das geltende Recht im Sinne einer verbesserten Verkehrssicherheit zu reformieren.
Der Autor beschließt sein Buch zu Recht mit einer Selbstverständlichkeit, die dennoch oft nicht mehr von allen Fahrzeugführern verstanden und beherzigt wird, nämlich der Berufung auf die beiden Leiprinzipien aus § 1 Absatz 1 StVO, ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme.

Das 116seitige Buch kostet im Einzelversand 11 Euro und kann direkt hier  bestellt werden.  

Foto: Jan Bergrath