Automobilhersteller und Zulieferer erfinden derzeit das Auto neu. Die schöne neue Autowelt wird digital, vernetzt und dank Updates „Over the Air“ immer aktuell. Wird es damit wie das Smartphone zu einem digitalen, zu einem mobilen Device? Wie die soeben erschienene Motorjournalist Edition 2021 ging auch der VdM-Kongress zur Jahrestagung in Köln Mitte Oktober dieser Frage nach.
Mit einem Videogrußwort eröffnete VDA-Präsidentin Hildegard Müller den Kongress des VdM. Die Automobilindustrie sei derzeit eine hochspannende Branche, deren Unternehmen ihre enorme Innovationskraft ausschöpfen. „Das Auto wurde in Deutschland erfunden, jetzt erfinden wir das Auto neu.“ An die Politik richtete sie die Forderung, die digitale Infrastruktur und die Vernetzung auszubauen, damit der Wandel in der Automobilbranche gelingt.
Aber nicht nur die Autoindustrie ist gefragt, Antworten auf die Mobilität der Zukunft zu finden. Auch die Städte, deren Verwaltungen und die Stadtplaner sind gefordert, lebenswerte Städte zu gestalten. Die Messe Köln, in deren Veranstaltungsbereich „InCube8“ der VdM-Kongress stattfand, hat deshalb mit der „polisMobility – Moving Cities“ eine neues Messeformat entwickelt, das Lösungen für die Mobilität in urbanen Räumen entwickeln und vorstellen will. „Viele Städte suchen nach Veränderungen und dem richtigen Set-up für die Zukunft“, sagte Ingo Riedeberger, Direktor der Köln Messe. Es gebe bereits eine ganze Reihe vielversprechender Ansätze für die urbane Mobilität. Die „polisMobility“ vom 18. bis 21. Mai 2022 in Köln will diese Lösungen in der Ausstellung präsentieren und in Konferenzen diskutieren (www.polis-mobility.de).
Das Auto behält seine dominante Rolle
„Das Auto wird digitaler, ökologischer und etwas weniger Emotionen vermitteln“, umriss der langjährige Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft Professor Dr. Willi Dietz die Zukunft. Vor sieben oder acht Jahren hätten Studien das Auto noch als Auslaufmodell bezeichnet. Heute zeige sich: „Das Gegenteil ist der Fall. Zum 1. Januar 2021 waren 48,25 Millionen Fahrzeuge in Deutschland zugelassen – ein neuer Höchststand.“ Das Auto behalte seine dominante Rolle, erfahre aber ein starke Systemvernetzung. Autofahren werde komfortabler, sicherer, ökologischer und stärker in Systembezüge eingebunden. Und so hält Professor Diez auch das Chipproblem für ein temporäres Problem, denn „die Nachfrage ist da“.
„Always Connected ist das Mantra der Zeit“, so Diez und das lässt sich auch im Auto nicht ausblenden. Das zeigt sich im Automobilbau. Früher habe die Software eine „dienende Funktion“ gehabt und dafür gesorgt, das Fahrzeug, also die Hardware zu optimieren, das Auto sauberer, schneller komfortabler zu machen. Heute sei das Verhältnis umgedreht, die Hardware werde an die Softwareanforderungen angepasst. Tesla sei mit einem völlig neuen Ansatz und dem riesigen zentralen Display auf den Markt gekommen. Die USA, vor allem aber die chinesischen Kunden sind heute mit ihrer hohen Affinität zu digitalen Devices die wichtigsten Treiber. Inzwischen fordern aber auch europäische Autokäufer Digitalisierung und die Konnektivität.
Die deutschen Hersteller sieht Diez im Prinzip stark aufgestellt. Allerdings müssten Vergleiche eher mit den großen IT-Konzernen gezogen werden, die zunehmend in den Automotive Bereich endringen. „Apple is in search for the next big thing.“ Der Konzern kündige Neuheiten nicht lange vorher an, sondern stelle sie vor, wenn sie da sind. Diez ist deshalb skeptisch, ob es Sinn macht, wenn die Autohersteller ihre eigenen Betriebssysteme entwickeln.
Sonderausstattung per Upgrade Over-the-Air
Einen klaren Trend erkennt Professor Diez auch bei den Updates und vor allem bei den kostenpflichtigen Upgrades Over-the Air. Auch hier sei Tesla Vorreiter gewesen. Inzwischen haben auch die deutschen Autohersteller erkannt, dass damit wie mit den früher üblichen langen Sonderausstattungslisten zusätzliche Umsätze zu erwirtschaften sind. Bei Audi beispielsweise kann man als „Function on Demand“ einen Parkassistenten herunterladen, „der für sechs Monate 44 Euro und für drei Jahre 230 Euro kostet. Natürlich kann das System – gewissermaßen als Einstiegsdroge – auch für einen Euro einen Monat lang getestet werden.“
Auch der Zugang zum Auto, „was wir heute emotional mit dem Auto verbinden“, werde sich grundlegend ändern, prophezeite Prof. Diez. Wenn nicht mehr gesagt werde, mir macht das Autofahren Spaß, dann hat die Industrie ein Problem. Deshalb müsse neu nachgedacht werden über die Rolle und die Bedeutung der bisherigen Autoindustrie. Die Emotionalität für das Auto und im Auto ändere sich. Nicht mehr das Auto selbst ist wichtig, sondern seine Möglichkeiten der Vernetzung und der Aufenthalt im Auto schaffen die Emotion. Dann stelle sich auch die Frage, was ist kaufentscheidend, die Automarke oder die enthaltene Softwaremarke. Vielleicht werde dann künftig ein Apple Device mit der Zusatzleistung Auto gekauft.
So
Fotos: Georg Strohbücker
Lesen Sie hier Teil 2 des Kongressberichtes
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