Mitsubishi verabschiedet sich vom europäischen Markt. Der japanische Autobauer will sich künftig auf die Märkte in Afrika, Ozeanien, Südamerika und Südostasien zurückziehen, zitieren deutschsprachige Medien aus einem Strategiepapier der Unternehmenszentrale in Tokio mit dem Titel „Klein, aber fein“. Ein Sprecher von Mitsubishi Motors Deutschland (MMD) dementierte dies auf Anfrage des kraftfahrt-berichters nicht. Die aktuellen Automodelle sollen aber weiterverkauft werden, auch der Service und die Ersatzteileversorgung werden fortgesetzt.
Der harte Schritt kommt überraschend, aber auch nicht ganz unerwartet. Die Renault-Nissan-Mitsubishi-Allianz, ein mehr oder weniger lockerer Verbund, zu dem Mitsubishi seit dem Aktienkauf durch Nissan vor vier Jahren gehört, ist in eine durch den Corona-Lockdown verschärfte wirtschaftliche Krise mit stark rückläufigen Verkaufszahlen geraten. Die Allianz reagierte vor wenigen Wochen mit einer abrupten Änderung der Strategie, womit Abstand genommen wurde von dem aggressiven Wachstumsplan von Carlos Ghosn, dem mittlerweile geschassten und in mehrere Skandale verstrickten ehemaligen Renault- und Allianz-Chef.
Mit dem neuen Kurs will sich die Allianz gesundschrumpfen und stärker arbeitsteilig vorgehen. Die Konzerne Renault (mit Dacia und Lada), Nissan (mit Datsun und Infiniti) sowie Mitsubishi sollen sich auf ihre jeweiligen Stärken konzentrieren, auch in punkto Marktpräsenz. Das bedeutet nun das Aus für Mitsubishi auch in Deutschland.
Überraschend ist dieser Schritt, weil Mitsubishi auf dem hart umkämpften deutschen Automarkt seit etlichen Monaten so etwas wie eine kleine Renaissance erlebt. Die jährlichen Neuzulassungen und Marktanteile wachsen hier seit 2013 langsam, aber kontinuierlich. Selbst im ersten Halbjahr 2020, also inklusive der Shutdown-Monate, sank die Zahl von Mitsubishis Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nur halb so stark wie die des Gesamtmarkts. Der Marktanteil konnte von 1,5 auf 2,0 Prozent verbessert werden. Bereits 2018 zog Mitsubishi in Deutschland mit 50.800 Pkw-Neuzulassungen knapp an Nissan, dem größten Mitsubishi-Anteilseigner, vorbei und baute den Abstand im Zeitraum Januar bis Juni 2020 auf 9.000 Einheiten aus.
Mitsubishi („drei Diamanten“) ist Japans ältester Hersteller von Serienautos. Seine historischen Wurzeln liegen in der Eisengießerei und Schifffahrt. 1870 gegründet, entwickelte sich Mitsubishi bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs zu einem riesigen und über viele Wirtschaftssparten reichenden Multi mit 200 Einzelunternehmen, der tief in die Kriegswirtschaft des japanischen Kaiserreichs verstrickt war. Von den USA 1945 zerschlagen, wurden Mitsubishis Teilunternehmen keine zwanzig Jahre später wieder zusammengeschlossen.
1970 wurde der Autohersteller Mitsubishi Motors ausgegründet, nachdem man vor allem mit kleinen und familienfreundlichen Autos Erfolg hatte. Auf eine Zusammenarbeit mit Chrysler zwischen 1971 und 1993 folgte 2001 der Einstieg von Daimler-Chrysler und wenig später der abrupte Ausstieg. Davon erholte sich Mitsubishi nur schwer, weil Neuentwicklungen mit Daimler-Chrysler verbunden waren. Es folgten Kooperationen mit Hyundai, PSA und erneut Daimler-Chrysler. 2016 musste Mitsubishi Abgasmanipulationen zugeben und drohte einzustürzen, bis Nissan 34 Prozent der Anteile übernahm und Mitsubishi in die Allianz mit Renault führte.
Sein erstes Auto verkaufte Mitsubishi 1917, jedoch ohne Erfolg. 1934 wurde der erste Allrad-Pkw entwickelt. Auf den deutschen Markt trat Mitsubishi 1977 unter anderem mit dem Mittelklässler Galant und dem Kompaktwagen Lancer. Ein Jahr später wurde der kleine Colt präsentiert, mit dem Mitsubishi den ersten größeren Anklang bei den Käufern fand. Weitere Höhepunkte waren 1983 der Geländewagen Pajero und der Space Wagon als erster Van in Deutschland sowie 2009 der i-Miev als weltweit erster Stromer in Großserie. Der Outlander war 2014 das erste Allrad-SUV mit Hybridantrieb. Zuvor erschien der kleine Space Star, ein Colt-Nachfolger, der heute mehr als die Hälfte aller Mitsubishi-Verkäufe in Deutschland ausmacht.
Seine Hochzeit in Deutschland erreichte Mitsubishi 1991 mit 100.000 Neuzulassungen, vor allem durch kleinere Autos sowie durch handfeste Geländewagen und später auch SUV, die modern, aber ohne Brimborium ausgestattet sind und dem Käufer ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bieten.
Wachsender Zuspruch, obwohl seit Jahren keine Neuheiten
Mit 50.000 Neuzulassungen ist der japanische Autobauer heute vom Erfolg alter Tage in Deutschland weit entfernt. Dennoch ist der stetig wachsende Zuspruch bei den Verbrauchern bemerkenswert, denn Mitsubishi konnten in den letzten Jahren mit keiner großartigen Neuheit aufwarten: Der aktuelle Verkaufsschlager Space Star ist in der aktuellen Generation immerhin schon acht Jahre alt. Dass MMD trotzdem reüssiert, ist in einer Neuauflage des Erfolgsrezept aus den 80er Jahren begründet: Da sind zum einen Produkte, die von Sachlichkeit und einem günstigen Preis geprägt sind. Zum anderen bemüht sich der Importeur um einen guten Draht zu den Händlern in ländlichen Gebieten und um ein engagiertes, ehrliches Verhältnis zu den Kunden.
Mit der Konsolidierungsstrategie von Renault-Nissan-Mitsubishi soll damit nun Schluss sein. Im Rahmen der französisch-japanischen Allianz wurde Mitsubishi technologisch die Verantwortung für die Entwicklung des Plug-in-Hybrid-Antriebs zugewiesen, der Platz soll in Asien und Südamerika sein. Das abrupte Ende einer Renaissance.
Kristian Glaser (kb)
Foto Mitsubishi: Beliebt in Deutschland: der neue Mitsubishi Space Star
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