//Vielfalt treibt Wandel an

Vielfalt treibt Wandel an

Die neue Netzwerkkonferenz Women‘s Leadership Day der Fachzeitschrift Automobilwoche Ende Juni war ein voller Erfolg. Rund 200 Frauen in Führungspositionen der Automobilbranche diskutierten engagiert wie couragiert über die neue Führungskultur in Unternehmen, die Transformation der Branche sowie Mitarbeitergewinnung vor dem Hintergrund eines eklatanten Arbeitskräfte- und Fachkräftemangels. Vertieft wurden die verschiedenen Themen in spannenden Workshops.
Den Auftakt der Veranstaltung bildete ein hochkarätig besetztes Panel zum Thema „Was wir für eine echte Transformation brauchen“ mit den Managerinnen Jana Striezel (Direktorin Einkauf Renault), Friederike Kienitz (Senior Vice President Sustainability & Corporate Affairs Nissan Europe) und Barbara Burghardt (Senior Vice President HR Business Development und Talententwicklung der BMW Group). Mit Blick auf das Thema Führung waren sich die Diskutantinnen, die durchweg bei ihren Aussagen kein Blatt vor den Mund nahmen, schnell darin einig, dass sich der Führungsstil in den vergangenen Jahren grundlegend gewandelt hat. Dabei gab Friedrike Kienitz von Nissan Europe offen zu, dass es zunächst gedauert habe, bis sie ihrem Führungsstil vertrauen konnte. Geholfen habe ihr, erst unterschiedliche Stile der Führung in verschiedenen Kulturen kennenzulernen. Intensiv zuzuhören zählt für Kienitz dabei ebenso zu den Kernfaktoren der Führung wie Vertrauen, ohne das Führung nie funktionieren könne. Aber Vorsicht: Der Aufbau von Vertrauen benötige seine Zeit, jedoch könne man es genauso in Sekunden zerstören, so Kienitz weiter.

Gute Erfahrung mit kooperativen Führungsstilen und damit demokratischen Entscheidungen hat die weltweit als Einkaufschefin von Renault agierende Jana Striezel gemacht. Hier sei Renault im Übrigen bereits deutlich weiter als andere. Entscheidend sei, jederzeit ansprechbar für die Mitarbeiter zu sein, sich zu zeigen und von oben vorzuleben, was man von den Mitarbeitern einfordere, und damit Vertrauen zu schaffen. Für Barbara Burghardt von der BMW Group haben sich auch die Anforderungen an Führung geändert, sei es die Beidhändigkeit der Führung (Anmerkung der Redaktion: Danach soll das heutige Kerngeschäft genauso vorangetrieben werden wie Innovationen für eine digitale Lösungswelt), seien es unterschiedliche Kulturen und Generationen in den Teams oder auch die Art der Kommunikation. Aber auch das Mindset der Führungskräfte habe sich verändert. Insgesamt alles Aspekte für Burghardt, die die Art der Führung positiv beeinflussen.

Einen weiblichen Führungsstil als solchen gibt es nach Überzeugung der Referentinnen nicht. Gleichwohl würden weibliche Elemente bei Konflikten helfen. Burghardt: „Als Frau spreche ich Konflikte offen an oder gebe auch Fehler zu.“ Kienitz bestätigt ebenfalls, dass sich aus ihrer Erfahrung heraus Frauen nicht vor Kontroversen scheuen. Vielmehr nennen sie Dinge beim Namen, „die die Hälfte der Menschen im Raum kennen, jedoch nicht ansprechen würde“. Um insgesamt eine gute Führungskraft zu sein, bedarf es nach Ansicht der Managerinnen grundlegender Charakteristika: „Man darf nicht an sich zweifeln. Wir müssen selbstbewusst sein und uns vertrauen.“ Für Burkhardt wichtig sind zudem: „Gestaltungswille, Frustrationstoleranz, Authentizität und Leidenschaft“ sowie, so Friederike Kienert, Vertrauen.

Generation Z offen begegnen

Angst vor der Generation Z zu haben, sei falsch. Vielmehr gelte es offen auf diese zugehen, schließlich sei man auf sie angewiesen, so die Managerinnen unisono. Außerdem, so Jana Striezel von Renault, brächten junge Menschen eine neue Dynamik in die Unternehmen hinein. Mit Blick auf das weitere Thema Frauen und Kinderbetreuung betonte BMW-Managerin Burghardt, dass man es sich nicht leisten könne, hochdotierte Frauen ein Jahr in Elternzeit zu verabschieden. Hier sei die Gesellschaft gefordert, politischen Druck auszuüben. Kienitz ging sogar einen Schritt weiter und forderte das Angebot einer „Gesellschaft für Kinder“. Die nordischen Länder seien hier völlig anders als hierzulande aufgestellt, wo die Devise laute „Wie ich das mache, ist meine Entscheidung“. Wichtig sei daher, die richtige Balance zwischen Privat- und Berufsleben zu finden. Schließlich so Kienitz: „Kein anderer als man selbst wird für dich Grenzen setzen.“

Maren Gräf, Skoda Vorständin: Diversity als zentraler Erfolgsfaktor

In ihrem Impulsvortrag zeigte sich Maren Gräf, Vorständin von „People & Culture“ der Skoda Auto a.s., überzeugt, dass Vielfalt der klare Treiber des Wandels ist. Gräf: „Wir brauchen nicht nur mehr Frauen, sondern mehr Vielfalt.“ Schließlich könnten intelligente und diverse Teams Unglaubliches leisten. Diversity ist für Gräf daher ein zentraler Erfolgsfaktor. Gerade mit Blick auf die Elektrifizierung und Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen benötige man innovative neue Denkansätze wie auch unterschiedliche Perspektiven, neue Kompetenzen und neue Talente. An die Frauen appellierte die Vorständin, mehr denn je Verantwortung zu übernehmen und stärker mit anderen Frauen zu netzwerken. „Es müssen keine Freundinnen für Pyjamapartys sein. Aber wir müssen uns gegenseitig unterstützen.“ Ihr Erfolgsrezept: Flexibilität, Humor und Zuhören sowie sich immer wieder hinterfragen, was man wolle. „Raus aus der Komfortzone, rein ins Vergnügen“, resümiert die Skoda Vorständin.

Angelika Berger-Sodian: Kein Standardrezept für Start-ups

Angelika Berger-Sodian, CEO Portuguese Stealth Mode Mobility Startup, referierte zum Thema „Wie globales Startup Building funktioniert – Key Learnings und Insights“. Berger-Sodia, die derzeit in Portugal einen OEM für die E-Mobility entwickelt, bringt dafür mit ihren langjährigen Erfahrungen im Start-up-Bereich, unter anderem bei Niro, gute Voraussetzungen mit. Die Managerin gibt zu bedenken, dass es kein Standardrezept für die Gründung eines Startups gebe. Ihrer Einschätzung nach unterschätzen viele Gründer gleichwohl die Bedeutung einer bewussten Organisations- und Businessplanung. Mit Blick auf die Mitarbeiter von Start-ups ist es nach Erfahrung von Berger-Sodian wichtig, ihnen Stabilität zu vermitteln, dass sie ihren Job bis zu einem definierten Zeitpunkt behalten können. Das müsse man dann auch halten. Wichtig sei zudem als Führungskraft immer, seinen Humor und seine Freude an der Arbeit zu behalten und Vorbild zu sein.

Dr. Astrid Fontaine, Vorständin VW Nutzfahrzeuge: Mehr Talente für den Wandel nötig

Für die Personalvorständin von VW Nutzfahrzeuge, Dr. Astrid Fontaine, ist es für die Zukunft wichtig, der Vielfalt eine Stimme zu geben. Nur so könne es gelingen, für die Transformation der Branche die klügsten Köpfe zu gewinnen. Längst sei der Fachkräftemangel in der Autoindustrie und hier vor allem in den Bereichen Software und Digitales angekommen. Hinzu komme der demografische Wandel. Die Branche benötige mehr Talente, aber davon gebe es immer weniger. Daher könne man auch auf Frauen nicht verzichten. Diese müssten stärker an MINT-Berufe herangeführt werden. Außerdem gelte es, die Arbeitgeberattraktivität zu steigern. Man müsse sich fragen, wie man die Automobilindustrie als Arbeitgeber wieder relevant und attraktiv für junge Menschen machen könne.

Polestar als Vorbild bei der Transformation: 60 Prozent Frauenanteil in Deutschland

Die chinesische Elektromarke Polestar, Tochterunternehmen der Marken Volvo und Geely, hat sich inzwischen auch auf dem deutschen Markt etabliert. Wie die 31-jährige Maren von Heereman, Head of Commercial Operations und Mitarbeiterin Nummer elf beim Aufbau des Team Polestar Deutschland 2020, mit Blick auf ihre Führungserfahrung von 30 Mitarbeitern berichtet, müsse man vor allem zuhören und vertrauen. Führung bedeute aber auch, das Team ausgewogen zu fördern – zwischen fordern, fördern und einbremsen, damit ein ausgewogenes Miteinander gegeben ist. Die Frauenquote in Deutschland liege bei Polestar bei 60, im internationalen Management bei 30 Prozent. Von Heereman erklärt dies mit den schwedischen Wurzeln der Marke und der Tatsache, dass Skandinavien Frauen in Führungsetagen offener gegenübersteht. Gleichwohl müsse man an dem Thema dranbleiben und gute Frauen nicht nur bekommen, sondern sie auch halten.

Vertiefende Workshops

Spannende Einblicke gaben darüber hinaus die verschiedenen Workshops. Angefangen beim Thema „Smart Leadership in Zeiten der Transformation“ (Maria Anhalt, CEO Elektrobit Automotive) über „Sustainable Finance – Wie Banken Unternehmen auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit begleiten“ (Lavinia Bauerochse, Global Head of ESG Corporate Bank Deutsche Bank), „Welche Wege für Frauen im Motorsport zum Erfolg führen“ (Britta Roeske, Public Relations, Marketing & Communications Sebastian Vettel, Layla Wagener, Teammanagerin Iron Lynx / Iron Dames) und „A grand tour of Generative AI“ (Tatiana Couche, Client Executive Microsoft Deutschland GmbH), Julia Wingenfeld (Global Business Manager Automotive Google) mit „So sieht die optimale Customer Journey beim Autokauf aus“, bis hin zu Britt Bergen (Consultant Executive Search ESG Spencer Stuart) und Tanja Svjetlanovic (Consultant Executive Search Automotive Spencer Stuart) mit dem Thema „Automobilindustrie im Wandel – Herausforderungen an Führung“ und Karen Brandt von FINN zu „Arbeitgeber für die GenZ:“ Last oder Chance“.

Women’s Leadership Day Award für starke Frauen

Ausgezeichnet in der Kategorie Gründerin des Jahres wurde Aparna Veer, Founder & Managing Director von Zefyron, einer Netzwerkplattform, die Dienstleistungen für Start-ups, Investoren, Unternehmen und Hochschulen anbietet. In der Kategorie Investorin des Jahres wurde Susanne Hahn, Mitbegründerin der Beteiligungsgesellschaft SKV Invest GmbH, ausgezeichnet. Die Beteiligungsgesellschaft gründet derzeit die neunte Gesellschaft. Auch China steht im Visier. Hier wird gerade ein Unternehmen für unterirdische Garagen gegründet. Managerin des Jahres wurde schließlich Ilka Horstmeier, Vorständin der BMW AG Personal und Immobilien und Arbeitsdirektorin, die für ein Mitarbeiterteam von 4.000 Menschen bei BMW verantwortlich zeichnet. Die Sieger im Foto oben: Agnes Lehbrink, Redakteurin Automobilwoche (li.) und Burkhard Riering, Herausgeber und Chefredakteur Automobilwoche (re) gratulieren den Siegerinnen des Women‘ Leadership Day Award: Ilka Horstmeier, Vorständin BMW, Managerin des Jahres, Aparna Veer, Zefyron, Gründerin des Jahres, und Susanne Hahn, Mitbegründerin der Beteiligungsgesellschaft SKV Invest GmbH, Investorin des Jahres.
Insgesamt eine höchst professionelle Veranstaltung, die nach Fortsetzung schreit.

Text und Fotos: Isabella Finsterwalder