//Neue Erkenntnisse über Pedelec- und E-Scooter-Unfälle

Neue Erkenntnisse über Pedelec- und E-Scooter-Unfälle

Immer mehr Menschen schwingen sich immer häufiger auf das Fahrrad. Aus gesundheitlichen Gründen, um Umwelt und Klima nicht zu belasten, oder weil man im dichten Stadtverkehr schneller vorankommt als mit dem Auto. Dabei weisen Verkehrssicherheitsexperten seit längerem auf steigende Unfallzahlen hin. Doch für genauere Analysen fehlte es den Fachleuten bislang an vertieften Daten zu den neuaufgekommenen E-Scootern und der stark zunehmenden Anzahl an Pedelecs (Fahrrad mit elektrischem Hilfsmotor). Genau dazu legte das Statistische Bundesamt nun ausführliches Material vor – und das hat sich gelohnt.

Zwischen 2014 und 2021 hat sich die Zahl der bei einem Pedelecunfall verunglückten Personen nicht weniger als verachtfacht (insgesamt 17.000). Die Zahl der Unfalltoten nahm prozentual gesehen ähnlich stark zu: von 39 auf 131 Gestorbenen. Das ist mehr als eine Verdreifachung. Die Statistiker konnten zudem nachweisen, dass ein Pedelec ungleich gefährlicher zu fahren ist als ein normales Fahrrad, denn bezogen auf jeweils 1.000 Unfälle kamen bei Crashs mit E-Bikes mehr als doppelt so viele Menschen ums Leben im Vergleich zu den konventionellen Drahteseln.

Die Gruppe der Pedelecnutzer, die bislang vor allem aus Senioren bestand, hat sich stark verändert. Junge Leute haben das Elektrofahrrad für sich entdeckt, etwa für weite Pendlerstrecken auf Radschnellwegen. In der Folge hat sich der Anteil der verunglückten Pedelecfahrer unter 45 Jahren nahezu verdreifacht.

Das heißt jedoch nicht, wie das Statistische Bundesamt hervorhebt, dass das Risiko für ältere E-Biker zu vernachlässigen wäre, ist doch immerhin jeder dritte Pedelec-Verunfallte 65 Jahre oder älter. Beim herkömmlichen Fahrrad ist ihr Anteil nur halb so groß. Auch das betonen die Unfallstatistiker: Stürzt ein älterer Mensch, zieht er sich erheblich schwerere Verletzungen zu als ein junger.

Was ein typischer E-Scooter-Unfall ist
Nicht weniger aufschlussreich ist die neue Statistikanalyse zu den E-Scooter-Unfällen. Die kleinen Elektroflitzer sind erst seit wenigen Jahren für den Straßenverkehr zugelassen und stellen, so zeigt es sich, auch hinsichtlich der Verkehrssicherheit einen neuen Trend dar.
Im vergangenen Jahr kamen 4.900 Nutzer bei einem Unfall zu Schaden, fünf kamen ums Leben. An der Gesamtzahl aller Verunfallten im Straßenverkehr haben die E-Scooter-Fahrer einen Anteil von zwei Prozent. Sie sind überwiegend männlich, und sie sind jung.

Ganz anders als bei den Fahrrädern mit und ohne Hilfsmotor entsteht ein E-Scooter-Unfall vorwiegend dadurch, dass der Fahrer die Kontrolle über sein Gefährt verliert. Die mit Abstand häufigsten Unfallursachen sind Alkohol und die falsche Nutzung der Straße, etwa durch unerlaubtes Fahren auf dem Bürgersteig. Zu schnelles Tempo ist zwar die dritthäufigste Unfallursache mit E-Rollern, wird aber relativ seltener registriert als bei E-Bikes und Fahrrädern. Was nicht heißen sollte, die Höchstgeschwindigkeit der Kleinstfahrzeuge von 20 km/h anzuheben, wie von manchem Politiker gefordert wird.

Ein E-Roller-Unfall ist eine Großstadterscheinung, die vergleichsweise häufig in der Nacht auftritt und in der Regel als „Alleinunfall“ oder durch eine Kollision mit einem Pkw geschieht. Im letztgenannten Fall ist die Hauptverantwortung für den Unfall statistisch gesehen fünfzig zu fünfzig gleich verteilt zwischen den E-Scooter- und den Autofahrern.

Stark vereinfacht lässt sich zusammenfassen: Der typische E-Scooter-Unfallfahrer ist ein junger Mann, der in der Innenstadt unterwegs ist. Er hat getrunken oder steuert sein Gefährt unerlaubt auf dem Bürgersteig. Dabei verliert er entweder die Kontrolle oder stößt mit einem Auto zusammen, woran er in jedem zweiten Fall die Schuld trägt.

Unfallexperten fordern eine Helmpflicht für E-Scooter-Fahrer und insgesamt mehr Platz und ausreichend Wege für den rasant steigenden Zweiradverkehr – was durch das aktuelle Zahlenmaterial des Statistischen Bundesamtes bekräftigt wird. Doch in dem durchschnittlichen Elektrorollerunfall zeigt sich ein Phänomen, dem sich die Unfallforschung insgesamt stärker zuwenden sollte: das sogenannte Fehlverhalten.

Dem begegnet man nicht mit dem moralischen Zeigefinger oder mit Restriktionen. Starre, abstrakte Normen helfen in entscheidenden Momenten des quirligen Lebens selten. Vielmehr müssen Fahrausbildung und Übung verbessert werden, bevor ein Neuling ein Fahrzeug durch den stressigen Verkehr steuern darf – für E-Scooter gibt es keine Fahrausbildung. Auch das Regelwissen ist nicht sehr verbreitet und lässt mit der Zeit stark nach, wie der ADAC kürzlich ermittelte. Der wichtigste Ansatz gegen „Fehlverhalten“ könnte im Verständnis der Verkehrsteilnehmer zueinander liegen. Gerade in Deutschland ist das „Vorrechtsdenken“ stark verbreitet, nach dem Motto: „Ich fahre jetzt drauflos, weil ich es kann.“ Hier ist nichts weniger als ein Paradigmenwechsel erforderlich. Toleranz und Respekt, Anteilnahme und Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Mitmenschen – das könnten vernünftige Leitlinien für ein besseres und sicheres Miteinander im Straßenverkehr sein.

Kristian Glaser (kb)

Foto: Pixabay