//Studie: Wie die Pandemie den Autokauf beeinflusst

Studie: Wie die Pandemie den Autokauf beeinflusst

Die Covid19-Pandemie hat merkliche Spuren im Kaufverhalten der Autokunden hinterlassen. Deutlich zeigt sich dies an geringeren Budgets, weniger Premium und an aufgeschobenen Käufen, wie eine Studie der Managementberatung Berylls Strategy Advisors unter 3.000 Befragten aus Deutschland, China und den USA ergeben hat. Der Motorjournalist sprach mit Andreas Radics, dem geschäftsführenden Partner von Berylls Strategy Adivsors, über die Details der Studie sowie seine Einschätzungen zur künftigen Entwicklung des Kaufverhaltens.

Laut Ihrer Studie hat die Corona-Pandemie das Kaufverhalten deutlich verändert. Was die Fahrzeugantriebe betrifft, so stellen Sie nur einen geringen Einfluss von Corona auf E-Autokäufe fest. Ist umgekehrt davon auszugehen, dass traditionelle Verbrenner ein Revival erleben, zumal sie trotz Boni für E-Fahrzeuge deutlich günstiger sind?

Andreas Radics: Für andere Märkte sieht man, dass der Absatz von Verbrennerfahrzeugen wieder stärker ansteigt als der von E-Fahrzeugen, beispielsweise auf dem chinesischen Markt. Ein Grund dafür ist, dass Verbrenner günstiger sind. Jedoch spielen auch nach wie vor die Reichweitenangst und lange Ladezeiten eine wichtige Rolle für die Entscheidung gegen E-Autos. In Deutschland haben 29 Prozent der Leute ein gesteigertes Interesse an einem Elektroauto, während das Interesse von 48 Prozent gleich geblieben ist. Hauptgrund für das gesteigerte Interesse sind staatliche Subventionen. Allerdings sagen auch 57 Prozent, dass Umweltschutz durch Corona noch wichtiger geworden ist. Gerade in Deutschland spielen die finanziellen Anreize eine große Rolle für E-Autos, vor allem im Geschäftswagenbereich. Ohne diese Anreize wäre der Absatz von Verbrennern auf jeden Fall höher.

 

 

Sie stellen Tesla als Krisengewinner dar. Wird dieser Player das Ansehen der traditionellen Anbieter nachhaltig beschädigen?

Andreas Radics: Tesla ist auf jeden Fall ein nachhaltiger Gewinner, wenn man die Umfragedaten anschaut. So können sich gegenüber den heute bestehenden Tesla Fahrern zehnmal mehr vorstellen, dass sie gerne als nächstes Auto einen Tesla fahren wollen. Hinzu kommt, dass Tesla mit der Einführung des Model 3 auch ins Volumengeschäft eingestiegen ist und traditionellen Herstellern wie BMW und Mercedes Marktanteile wegnimmt. Auch profitiert Tesla von den neuen chinesischen Förderrichtlinien (Preis-Obergrenze) für BEVs, die mit dem Model 3 gerade noch eingehalten werden können, wohingegen die deutschen Premium-BEVs deutlich darüber liegen. Auch wenn wir uns auf Tesla als langfristig veritablen Wettbewerber auf dem Premium-Automarkt einstellen müssen, sehen wir keinen Grund für einen Abgesang auf die traditionellen OEMs. In einigen Märkten liegen beispielsweise der Audi e-tron und der VW e-UP bei den Neuzulassungen in Schlagweite zum Model 3. Im E-Auto-Musterland Norwegen schlägt der Audi den Tesla sogar. 

Wann rechnen Sie wieder mit einer Normalisierung des Kaufverhaltens bzw. werden die Auswirkungen der Pandemie das Verhalten der Autokunden auch weiter nachhaltig verändern?

Andreas Radics: Es gibt bereits klare Indikationen, dass der Markt sich relativ schnell normalisieren wird, auch wenn das Niveau vor der Krise erst in Jahren wieder erreicht werden wird. Ein Großteil der Umfrageteilnehmer und zukünftigen Käufer gab an, dass sie noch in diesem Jahr ihren Kauf durchführen wollen. Am stärksten ist dieser Trend in China unter jüngeren Leuten zu sehen. Die meisten potenziellen Käufer planen nicht, ihren Kauf mehr als sechs Monate nach hinten zu schieben. Zudem gaben 60 Prozent der Kunden über alle Märkte hinweg an, dass sie trotz Corona immer noch das gleiche Budget oder sogar mehr für ihr Auto ausgeben wollen. Vor allem beim Kauf von Premium-Automobilen werden die Kunden schneller und mit gleichem Budget zurück in die Autohäuser kommen. Bei Volumen-OEMs sieht die Lage etwas prekärer aus. Langfristig gehen wir jedoch nicht davon aus, dass die Pandemie nachhaltig das Verhalten der Autokunden verändern wird – mit der einzigen Ausnahme in Richtung E-Mobilität durch staatliche Anreize, wie ich bereits zuvor dargelegt habe.

Mit Blick auf junge Autofahrer: Wird die Pandemie auch mittelfristig wieder zu mehr Lust auf einen eigenen Führerschein und das eigene Auto machen? Oder sehen Sie den Trend zum eigenen Auto statt zur Shared Mobility nur vorübergehend?

Andreas Radics: Dieser Trend wird in den USA und Deutschland nur vorübergehend sein. Zwar wollen vor allem junge Leute ihren Autokauf nicht nach hinten verschieben und haben nach wie vor das Bedürfnis nach Mobilität. Zudem meiden mehr Leute Shared-Mobility-Lösungen: Besonders öffentliche Verkehrsmittel, Taxis, Car-Sharing und Ride-Hailing-Services werden gemieden aus Angst vor Ansteckung. Von allen Umfrageteilnehmern ohne Auto planen jedoch nur in China mehr Leute, aufgrund von Corona ein Auto zu kaufen – in den USA und Deutschland überwiegt der Anteil an Teilnehmern, die trotz Corona kein Auto kaufen wollen.

Sie sagten vorhin, dass das Premium-Segment wieder klar zulegen werde…

Das Premium-Segment nimmt an Bedeutung zu. Premium-OEMs könnten in Deutschland und China schneller wieder aus der Krise kommen als Volumen-OEMs. Vor allem China sieht einen Trend in einem Interessenwechsel von einem Volumen-Auto zu einem Premium-Fahrzeug – unabhängig von COVID-19. Zudem verzeichnen alle drei Märkte einen Trend in Richtung größere Fahrzeuge, während Klein- und Kompaktwagen die großen Verlierer sind.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Radics.

Ergebnisse der Berylls Umfrage auf einen Blick:

  • – Die Einflüsse der Pandemie sind in allen Bevölkerungsschichten feststellbar, unabhängig, ob Corona die persönlichen Lebensumstände beeinflusst oder nicht.
  • – In allen analysierten Märkten werden Neuwagenkäufe zeitlich verschoben.
  • – Das Budget für Neuanschaffungen sinkt in allen untersuchten Ländern, es zeigen sich jedoch deutliche Unterschiede. In China blicken die Kunden bereits wieder mit viel Optimismus in die Zukunft; ihr Drang nach Premium ist ungebrochen. Deutsche Kunden peilen dagegen eine günstigere Marke an und wollen an Ausstattung sparen. In den USA ist der Erwerb auch eines Gebrauchten denkbar. 
  • – Zum großen Profiteur der Krise könnte laut Studie Tesla erwachsen. 
  • – Aus Angst vor Infektionen verliert derzeit Shared Mobility, während das selbstgenutzte eigene Auto gewinnt.

Zur Person

Foto: Berylls Strategy Adivsors

Seit mehr als 14 Jahren ist Andreas Radics (Jahrgang 1973) als Strategieberater in der Automobilindustrie tätig und blickt darüber hinaus auf mehr als vier Jahre Berufs- und Führungserfahrung in der Industrie zurück. Bevor er als Gründungspartner 2011 Berylls ins Leben rief und aufbaute, war er bei den international agierenden Strategieberatungen Gemini Consulting und Oliver Wyman tätig. Er zählt zu den führenden Köpfen für Mergers & Acquisitions sowie für die Entwicklung und Umsetzung von Unternehmensstrategien in der Automobilindustrie und ist Experte für E-Mobility. Er hat das Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Katholischen Universität Eichstätt und der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät Ingolstadt absolviert.

Das Gespräch führte Isabella Finsterwalder
Titelfoto: Tesla