//Unfallprävention: Die Geheimnisse der Straßentunnel

Unfallprävention: Die Geheimnisse der Straßentunnel

Die zwei verheerenden Alpentunnel-Brände im März und Mai 1999, der eine im französisch-italienischen Mont-Blanc-Tunnel und der andere im österreichischen Tauerntunnel, rüttelten die Öffentlichkeit mächtig auf. Die eine Tragödie wurde durch den Unfall eines übermüdeten Lkw-Fahrers verursacht, die andere wahrscheinlich durch eine weggeworfene Zigarette. Es kamen zusammen mehr als fünfzig Menschen ums Leben und etliche mehr wurden verletzt. Experten zeigten sich schockiert über die fatalen Defizite in der Tunnelsicherheit: von mangelnden Rettungswegen über unzureichende Entlüftungsanlagen bis hin zu einem viel zu langsam arbeitendem Notfallsystem.
 
Die Ereignisse vor gut zwanzig Jahren wurden zum Anlass für eine Überarbeitung der Sicherheitskonzepte für europäische Tunnel genommen. Unfälle und Brände sollten künftig ganz verhütet werden. Bestehende Tunnel wurden technisch nachgerüstet. Dabei wurden Tunnelleitzentralen zur Früherkennung von Problemen und zur Koordinierung der Einsatzkräfte eingeführt. Notrufsäulen, Videoüberwachung, Tunnelfunk, Lautsprecheranlagen, Brandmelder – all das wurde aufgebaut. Rettungsbuchten und leuchtende Markierungen wurden angelegt, Fluchtwegekennzeichnungen und Notausgänge in kurzen Abständen eingerichtet und Entfernungsangaben zur besseren Orientierung montiert. Gefahrenpläne wurde ausgetüftelt sowie Stau- und Unfallstatistiken angelegt, um riskante Orte früh zu identifizieren. Denn bereits ein kleiner Auffahrunfall kann in den engen und dunklen Röhren zur Katastrophe führen.
 
Um das zu verhindern, sind heutige Straßentunnel geradezu empfindsam. Sie sehen, hören und fühlen. Immerhin sind sie die aufwendigsten und teuersten Bauwerke im gesamten Straßennetz, erklärt der Landesbetrieb für Straßenbau in Nordrhein-Westfalen, der rund fünfzig Tunnel betreut. Jeder einzelne ist vollgestopft mit Technik, die 24 Stunden am Tag von zwei Leitzentralen überwacht wird. „Diese Technik muss kontinuierlich überprüft werden, und auch die Tunnelrettung wird regelmäßig trainiert“, hebt Nikolai Weber hervor. Der Ingenieur ist bei Straßen NRW für die Tunnel zuständig.
 
Brandschutzübungen finden alle vier Jahre statt. Dann wird ein Tunnel in Diskonebel gehüllt, um einen Brand zu simulieren. Damit die Übung so realistisch wie möglich gestaltet wird, steht sogar ein lichterloh brennendes Spezialfahrzeug mitten in der Röhre. Ferner wird die Tunneltechnik zwei- bis viermal pro Jahr überprüft.
 
Ereignet sich tatsächlich einmal ein schwerer Unfall, schallt eine Stimme „ohrenbetäubend laut“ durch den Tunnel, um den Autofahrern Anweisungen zu ihrer Rettung zu geben, noch bevor die ersten Einsatzkräfte eintreffen. „In den ersten Minuten nach einem Unglück kommt es darauf an, dass die Menschen nicht in Panik geraten, sondern den Tunnelausgang oder eine der Fluchttüren erreichen“, ist das Ziel beim NRW-Landesbetrieb für Straßenbau.
 
Zur Not auch mit persönlicher Ansprache
Die automatische Stimme ertönt auch, wenn sich beispielsweise Fußgänger in einen Tunnel verirrt haben. Der Mitarbeiter am Monitor in der Leitzentrale muss dann nur auf den Knopf mit der passenden Durchsage drücken. Bei Sturköpfen kann die Ansage auch „ganz persönlich“ und „sehr direkt“ ausfallen, meint Anke Nölting von der Tunnelleitzentrale in Hamm.
 
Bei Feuer- oder Rauchalarm senken sich automatisch die Tunnelschranken. So wird der Verkehr zum Halten gebracht, und die Mitarbeiter in der Leitzentrale analysieren schnell die Lage. „Denn nicht immer ist da, wo Rauch gemeldet wird, auch Feuer. Die Anlagen reagieren sehr sensibel“, weiß Nikolai Weber. Im Winter kann bereits feiner Salzstaub oder ein qualmender Lkw-Auspuff die empfindliche Sensorik Alarm schlagen lassen. Solch eine Meldung werten die Tunnelwächter keineswegs als Fehlalarm. „Im Gegenteil: Diese Ereignisse zeigen uns, dass unsere Anlagen funktionieren“, betonen Nölting und Weber.
 
Vor der anstehenden Autofahrt in den Sommerurlaub sollte man, vor allem beim Weg über die Alpen, vorab Informationen über die Tunnel einholen. Sicherheitsexperten empfehlen bei einem Tunnelbrand, nicht zu zögern und das Bauwerk so schnell wie möglich über einen Notausgang zu verlassen. Wer im Auto bleibt, weil er sich dort sicher wähnt, befindet sich schnell in einer tödlichen Falle aus beißendem, schwarzen Rauch und tödlicher Hitze.
 
Folgende Hinweise sollten Autofahrer im Tunnel beherzigen:
  • Höchstgeschwindigkeit und großen Sicherheitsabstand einhalten,
  • niemals wenden oder rückwärtsfahren,
  • Rettungskräfte über die Notruftelefone und nicht über das Handy rufen,
  • die Anweisungen und Informationen des Tunnelpersonals beachten.
Beate M. Glaser (kb)
Foto: Sicherheitseinrichtungen im Tunnel Borgholz (Straßen NRW)