Der Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK) begrüßt die gestern von der Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten vereinbarte Wiederöffnung des Autohandels. Nach dem Beschluss können Kfz-Händler unabhängig von der Größe der Verkaufsfläche wieder öffnen.
VDIK-Präsident Reinhard Zirpel erklärte dazu: „Die Entscheidung zur Wiederöffnung des Kfz-Handels ist richtig und verantwortbar. So kann zügig zur Erhaltung von Arbeitsplätzen und Betrieben in der Autobranche beigetragen werden. Die VDIK-Mitgliedsunternehmen und deren Händler werden sich vollumfänglich für die Einhaltung der vorgegebenen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz einsetzen“.
Der VDIK hatte sich bereits in der vergangenen Woche zusammen mit VDA, ZDK und IG Metall dafür eingesetzt, den stationären Verkauf von Kraftfahrzeugen an Endkunden nach dem Treffen der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten wieder zu erlauben. Im Automobilhandel seien die Verhältnisse von vergleichsweise großen Flächen und einer geringen Zahl gleichzeitig anwesender Kunden geprägt. Die Mindestabstände zwischen einzelnen Personen von 1,5 bis 2 Metern könnten gewahrt werden. Warteschlangen an der Kasse, Gedränge an Regalen, das Wechseln von Einkaufswagen von Kunde zu Kunde sowie der ständige Austausch von Ware gegen Bargeld im persönlichen Kontakt kämen im Automobilhandel nicht vor.
DAT sieht großes Kostenproblem beim Handel
Die Deutsche Automobil Treuhand GmbH (DAT) hat bei der Entwicklung der Standtage und der damit verbundenen Kosten für den Handel einen deutlichen Lockdown-Effekt durch die Corona-Krise gesehen. Aufgrund der Tatsache, dass seit dem 18. März de facto kein Handel mit Gebraucht- und Neufahrzeugen stattfand, stiegen die Standtage im Durchschnitt um die Zeitspanne, die der Lockdown anhält.
Ein erster wichtiger Schritt im Zuge der Lockerungsmaßnahmen müsste daher neben dem Wiedereröffnen des physischen Automobilhandels vor allem die Öffnung aller Zulassungsstellen sein, um den „Zulassungsstau“ zu beheben: „Wenn bereits neue Pkw in sechsstelligen Stückzahlen produziert und große Teile davon vom Handel vorfinanziert wurden, dann wäre das in höchstem Maße fahrlässig, diese herumstehenden Fahrzeuge nicht endlich zum Verkehr zuzulassen. Es ist den Zulassungsstellen zuzumuten, die hierfür notwendigen Vorsichtsmaßnahmen umzusetzen“, gibt Jens Nietzschmann, Sprecher der DAT-Geschäftsführung, zu bedenken.
Die Auswirkungen auf den Gebrauchtwagenmarkt seien ebenfalls deutlich spürbar: Bis Anfang der Woche sei der Handel inklusive der Wochenenden bereits 28 Tage still gestanden. Das bedeute: Wenn ein Händler beispielsweise 300 Fahrzeug im Bestand habe und seit 18. März 2020 per Gesetz keinen Vor-Ort-Handel mehr betreiben durfte, sähe er sich bis heute mit 235.200 Euro Kosten konfrontiert, ohne entsprechend agieren zu können, erklärt der DAT-Mann.
Hohe Standkosten für Gebrauchte
Die Kosten für jedes Fahrzeug pro Tag lägen bei durchschnittlich 28 Euro. Jeder Tag des Lockdowns koste den Handel bares Geld, da neben dem durchschnittlichen Wertverlust durch das steigende Fahrzeugalter unter anderem auch die Finanzierungskosten der Fahrzeuge weiterlaufen würden. Kosten wie das Beseitigen der Standschäden oder die Mietkosten für die Lagerflächen fielen ebenfalls an. Je nach Fahrzeugart oder Marke könnten die Kosten pro Fahrzeug und Tag auch deutlich höher liegen. „Zahlreiche Hersteller und Importeure haben zwar bereits Unterstützungsleistungen in die Wege geleitet, aber die mit jedem Tag des andauernden Lockdown zunehmenden Kosten des Gebrauchtfahrzeugbestandes werden dadurch wohl nicht aufgefangen werden können“, beurteilt Nietzschmann die Lage. Die DAT geht davon aus, dass sich nach dem Ende des Lockdowns auch Veränderungen im Konsumentenverhalten einstellen können. Jens Nietzschmann: „Wie üblich beobachten wir den Markt sehr genau, und sollten sich etwa Preise nach unten entwickeln, werden wir die Gebrauchtfahrzeugwerte für den Ein- und Verkauf entsprechend anpassen. Wir rechnen damit, dass, je nach Kaufkraft im Land, kleinere Fahrzeuge oder auch ältere und somit günstigere Gebrauchtwagen wieder stärker in den Fokus der Interessenten rücken werden.“
Davon wäre auch die Vermarktung junger Gebrauchtwagen betroffen: Der Gebrauchtwagenhandel ist immer auch ein grenzüberschreitendes Geschäft. Viele Fahrzeuge, die entweder der Markt in Deutschland nicht aufnehmen könne, oder die im Ausland sehr begehrt seien, fänden bislang jenseits der deutschen Grenzen ihre Käufer. Dieser Effekt wäre zuletzt bei Euro-5-Diesel-Fahrzeugen deutlich zu beobachten gewsen. Im Unterschied dazu seien von der Corona-Krise auch die Nachbarmärkte betroffen, und wann diese sich wieder erholen, sei ebenso fraglich wie in Deutschland. „Je nachdem, wie sich der Markt entwickelt, ist es für jeden Händler, aber auch die Hersteller/Importeure und deren Banken zielführend, zu jeder Zeit die Entwicklung ihres, in den Fahrzeugen gebundenen Kapitals zu kennen. Eine regelmäßige Bewertung der kompletten Fahrzeugbestände wird daher an Bedeutung gewinnen – wie damals bei der Finanzkrise vor gut zehn Jahren,“ so Jens Nietzschmann abschließend.
(VDIK/DAT/bic)
Foto: ProMotor