In die Pedale zu treten gilt als gesundheitsförderliche, umwelt- und klimafreundliche Art der Fortbewegung. In der staugeplagten Stadt kommt man mit dem Fahrrad zeitweise sogar schneller voran als mit dem Auto. Fahrradfahren ist längst zur Mode geworden. Ganz anders sieht es in den Dörfern und kleinen Städten aus. Dort werden anteilig nur halb so viele Wege mit dem Drahtesel zurückgelegt wie in der Stadt, lediglich sieben bis acht Prozent. Auf dem Land sinkt die Neigung sogar, das Fahrrad zu nutzen. Das ist kein Wunder, denn das Radwegenetz weist große Lücken auf, weshalb es für längere Fahrten, etwa für Pendler, unattraktiv ist. Bis sie geschlossen sind, dauert es beim derzeitigen Tempo des Wegebaus sage und schreibe bis zum Jahr 2160, hat die bayerische Fahrradfahrerorganisation ADFC ausgerechnet.
Damit mehr Autofahrer auf das Rad umsteigen, muss das Wegesystem also kräftig ausgebaut werden. Und es muss sicherer werden. Denn die Anzahl der bei einem Unfall getöteten Radfahrer auf dem Land ist annähernd so hoch wie in der Stadt, obwohl sich die Menschen auf dem Land anteilsmäßig deutlich seltener auf den Sattel schwingen. Dieses größere Gefahrenpotential rührt nicht zuletzt von den höheren Geschwindigkeiten der Autos auf den Landes- und Bundesstraßen.
In einer aktuellen Umfrage im Auftrag der Sicherheitsorganisation Dekra sprachen sich 35 bis 50 Prozent der Radfahrer für die Einrichtung von deutlich mehr und deutlich breiteren Fahrradwegen auf dem Land aus. Gut 40 Prozent favorisieren zudem eine stärkere Trennung von Radweg und Straße. In der Tat ist das die sicherste Art, das Radverkehrsnetz auszubauen, was auch Tobias Klein vom Deutschen Institut für Urbanistik bei einer Veranstaltung des Deutschen Verkehrssicherheitsrats über „Radverkehr im ländlichen Raum“ vergangene Woche in Berlin so sieht. Separate Radwege können allerdings zur Folge haben, dass sie von Autofahrern als Schleichwege genutzt werden.
Auto und Rad gemeinsam auf der Straße fahren zu lassen lehnt Klein nicht grundsätzlich ab. Etwa in solchen Fällen nicht, wenn eine Entkopplung allein aus Platzgründen nicht möglich ist. Dabei sollte aber auf ein geringes Verkehrsaufkommen mit niedrigem Tempo geachtet werden. Klein führte Beispiele aus den Niederlanden an, wo manche Straße so ausgelegt wurde, dass sie von Autos kaum schneller als mit 60 km/h befahren werden kann. In Dänemark experimentiert man mit sogenannten Schutzstreifen. Das sind sehr breit angelegte Radfahrerzonen auf einer Fahrbahn, die rot markiert und durch auffällige Markierung von dem Bereich für Autos getrennt sind. Kritiker weisen darauf hin, dass sich die Autofahrer an den weißen Streifen orientierten, so dass der für die Velofahrer so wichtige Sicherheitsabstand nicht eingehalten werde.
Ein typisches Unfallrisiko für Radfahrer auf dem Land stellt auch die Verschmutzung der Wege durch Traktoren dar, gerade bei schmalen Fahrradreifen oder hoher Geschwindigkeit kann das gefährlich sein. Tobias Klein weiß aber auch, dass die Landwirte mit sich reden lassen, um eine Lösung zu finden. Da sei die jeweilige Gemeinde gefragt.
Wenn Auto und Fahrrad aufeinandertreffen
Das derzeitige Hauptproblem für den Radverkehr auf dem Land stellen nach Ansicht des Wissenschaftlers die Knotenpunkte dar, wo Fahrrad und Auto direkt aufeinandertreffen. Wenn es dort knallt, und es knallt dort vergleichsweise häufig, dann zieht sich der ungeschützte Radfahrer in der Regel schwere Verletzungen zu. Klein fordert eine auffällige Kennzeichnung solcher Gefahrenstellen, verbunden mit Maßnahmen zu Temporeduzierung und ungehinderten Sichtbedingungen.
Fahrradwege zu bauen bedeutet auch, sie zu pflegen und die Decke regelmäßig zu erneuern. Viele Verantwortliche dächten zunächst nicht daran, berichtete Matthias Dießl beim DVR-Forum. Dießl ist Landrat in Fürth und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommune in Bayern. Nach seiner Erfahrung können auch kleine Eingriffe die Fahrradsicherheit wirkungsvoll verbessern, als Beispiel nennt er eine gute Seitenmarkierung für die Fahrt in der Dämmerung.
Dießl hält drei wichtige Erfahrungen fest, die er als Landrat gemacht hat. Erstens, der Bau neuer Radwege scheitert nicht selten an Gründstückseigentümern, die ihr Land nicht verkaufen wollen. Konstruktive Verhandlungen führten oft, aber nicht immer zum Ziel, sagte Dießl. Zweitens gebe es eine allmähliche Akzeptanz von Tempo-30-Zonen innerorts, sofern sie der Sicherheit dienten und in der Öffentlichkeit gut begründet würden. Dießls dritte Erkenntnis bezieht sich auf Speed- oder S-Pedelecs. Das sind Fahrräder, denen man nicht ansieht, dass sie mit Hilfe eines Elektromotors bis zu 45 km/h schnell werden. Sie gelten als Kleinkrafträder und dürfen nur auf der Fahrbahn genutzt werden. Das wissen viele Autofahrer aber nicht und regen sich auf, wenn ein S-Pedelec-Fahrer auf der Straße fährt. Es wird zwar diskutiert, S-Pedelecs die Nutzung von Radwegen mit einer erlaubten Geschwindigkeit von höchstens 25 km/h zu erlauben. Gegner merken aber an, dass die Einhaltung einer solchen Regelung kaum zu kontrollieren sei und dass zu schnelle S-Pedelec-Fahrer die anderen Radfahrer gefährdeten.
Das DVR-Forum zum Radverkehr im ländlichen Raum machte deutlich: Das A und O der Weiterentwicklung eines sicheren Radverkehrs ist die Verhinderung von Konkurrenzsituationen zwischen Auto und Velo und dass ausreichend Platz geschaffen wird, damit alle gut und sicher vorwärtskommen. Gegenseitige Rücksichtnahme und Verständnis füreinander gehören ohnehin dazu.
Kristian Glaser (kb)