//Rücksichtnahme: Für einen Kulturwandel im Straßenverkehr

Rücksichtnahme: Für einen Kulturwandel im Straßenverkehr

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) hat zusammen mit fünfzig Partnerunternehmen eine Initiative für ein besseres Miteinander im Straßenverkehr gestartet. Unter dem Titel „Mehr Achtung“ sollen die Verkehrsteilnehmer für einen respektvollen Umgang untereinander sensibilisiert werden. „Denn oft ist es das eigene Verhalten und die innere Einstellung, die darüber entscheiden, wie sicher wir unterwegs sind – ganz gleich ob zu Fuß, mit dem Rad, auf dem E-Scooter oder im Auto“, erklärte die Verkehrssicherheitsorganisation zum Beginn der Kampagne am 26. Mai, pünktlich zum verlängerten Pfingstwochenende.

Der DVR stützt sich auf Erkenntnisse aus der Verkehrspsychologie, wonach man im Verkehr so auftrete, wie man sich fühle. „Wer gestresst, wütend oder traurig am Straßenverkehr teilnimmt, verhält sich aggressiv und fährt unter Umständen zu schnell“, so die Grundannahme des DVR, der sich außerdem auf eine aktuelle repräsentative Umfrage bezieht. Derzufolge sehen die Verkehrsteilnehmer vor allem in stressigen Verkehrssituationen eine Ursache für rücksichtsloses Verhalten. Über achtzig Prozent der Befragten gaben sich aber überzeugt, dass mehr Achtsamkeit im Straßenverkehr zu mehr Sicherheit führt.

Mit seiner vom Bundesverkehrsministerium unterstützten Kampagne für einen „Kulturwandel“ unter den Verkehrsteilnehmern ruft der DVR zu mehr Respekt und speziell zu mehr Vorsicht in Gefahrensituationen auf. „Das Verkehrsklima ist nichts, was einfach passiert“, argumentieren die Sicherheitsexperten, „vielmehr kann jede und jeder Einzelne dazu beitragen, es aktiv zu verbessern“.

Offenbar erleben die Verkehrsteilnehmer selbst das Geschehen auf der Straße als nicht besonders angenehm. Bei einer nichtrepräsentativen Umfrage unter Mitgliedern des ADAC gab nur jeder vierte Teilnehmer an, rücksichtsvolles Verhalten im Verkehr wahrzunehmen. Am ehesten noch Kindern gegenüber, aber bereits zu Senioren wird das Klima als recht rauh eingeschätzt. Als das belastendste Verhalten von Autofahrern wird in der Umfrage zu dichtes Auffahren und aggressives Fahrverhalten genannt, darüber hinaus auch Ablenkung durch Smartphone & Co. und Abbiegen ohne zu blinken. Der ADAC, der die DVR-Kampagne zu „Mehr Achtung“ unterstützt, ist der Auffassung: „Je achtsamer, desto entspannter und sicherer ist man unterwegs.“

Rücksichtnahme gilt nicht nur im direkten Kontakt. Jürgen Gerlach, Professor für Straßenverkehrsplanung der Universität Wuppertal, hält aus seiner Forschung beispielsweise parkende Autos, welche an Knotenpunkten die Sicht zwischen einerseits dem motorisierten Verkehr und andererseits Fußgängern und Radfahrern versperren, für eine wichtige Gefahrenquelle. Dieses Beispiel zeigt nicht nur, dass man in seinem Verhalten weitsichtig die Folgen für andere bedenken sollte, sondern auch, dass es mit dem Willen zu gegenseitiger Rücksichtnahme allein nicht getan ist. Es müssen auch die Rahmenbedingungen stimmen.

Gerlach weist darauf hin, dass erheblich mehr Menschen zu Fuß oder auf dem Fahrrad ums Leben kommen als im Pkw, wenn man die zurückgelegten Kilometern pro Tag zugrunde legt. Nach Gerlachs Einschätzung werde sich diese Situation zum Nachteil von Fußgängern und Radfahrern sogar noch verschärfen, wenn der Verkehr, wie von Politik und Gesellschaft beabsichtigt, in Richtung Fußgänger und Radfahrer verlagert wird. Gerlachs Empfehlung: Der Mindestabstand beim Parken an Einmündungen und Kreuzungen mit Radweg sollte von derzeit acht auf zwanzig Meter ausgeweitet werden, außerdem müssten die Gehwege verbreitert und die Sichtbeziehungen an Überwegen verbessert werden. Dann klappt es auch mit der Rücksichtnahme besser.

Kristian Glaser (kb)
Foto: DVR