VdM-Mitglied Joachim Althammer aus Freilassing bezeichnet sich selbst als Auto-Narr. Das ist insofern richtig, dass sich vieles in seinem Leben um mehr oder weniger alte Autos dreht. Das ist jedoch auch falsch, weil einem Narr der Bezug zur Realität fehlt. Joachim weiß dagegen genau, weshalb und warum er die Dinge tut, die er angeht.
Bei einem unverschuldeten Motorradunfall mit einer betrunkenen Autofahrerin verlor Althammer vor mehr als 25 Jahren ein Bein. Als er dann erkannte, wie wenig Unterstützung Behinderte in Deutschland finden, insbesondere wenn sie nicht selbst für ihr Wohl streiten können, begann er sein Hobby in den Dienst der Behinderten zu stellen. Seit 2003 organisiert Althammer Oldtimer-Veranstaltungen zu Gunsten Behinderter.
Sein „Roßfeldrennen“ stellt dabei zweifelsohne den Höhepunkt dar. In Anlehnung an den deutschen Lauf zur Europa-Bergmeisterschaft, der in den 60iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts auf der Panoramastrecke bei Berchtesgaden ausgetragen wurde, lässt Althammer diese Zeit seit 2013 als Benefizveranstaltung wieder aufleben. Startberechtigt sind nicht nur Motorräder und Rennfahrzeuge der originalen Rennjahre 1925 – 1973. Vielmehr wird im Fahrerlager mit Holzbuden und historischen Einsatzfahrzeugen die Zeit rund 60 Jahre zurückgedreht. Rund 200 ehrenamtliche Helfer in Mechanikeroveralls runden das klassische Bild ab. Selbst die Besucher werden in alten Omnibussen zu den Zuschauerplätzen entlang der knapp 7 km langen Strecke gebracht, wodurch eine einzigartige Atmosphäre entsteht. Und das alles für den guten Zweck.
Rund 150 historische Rennwagen und mehr als 20 Vorkriegs-Motorräder nahmen in diesem Jahr vom 23. – 25. September die berühmte Strecke unter die Räder. Dabei legt Organisator Althammer großen Wert auf die Vielfalt der Fahrzeuge, denn er möchte die komplette Bandbreite an Oldtimern abbilden, die schon früher bei den Roßfeldrennen am Start waren. So reichte das Spektrum bei der heurigen Ausgabe vom Messerschmidt Kabinenroller KR200 Super mit 12 PS aus 200 cm³ Hubraum bis zur 780 PS starken Corvette mit satten 9,1 l Hubraum.
Um dem begeisterten Publikum noch mehr Abwechslung zu bieten als dies bei einem Bergrennen eh bereits der Fall ist, ruft der Veranstalter beim Roßfeldrennen zudem noch Sonderthemen aus. Diese widmeten sich 2022 der Scuderia Hartmann sowie der Entwicklung der Rallye-Fahrzeuge vom Tourenwagen bis hin zur legendären Gruppe B.
Bei der Scuderia Hartmann handelt es sich um den kleinen Rennstall des Berchtesgadener DKW-Händlers Alfred Hartmann. Dieser hatte sich durch seinen „Spezialbetrieb für Zweitakt-Hochleistungsmotoren“ einen Namen gemacht, in dem er DKW-Pkw für den Motorsport vorbereitete. Ab Mitte 1959 setzte Hartmann dann in der sogenannten Formel Junior erstmals einen eigenentwickelten Renner ein, bei dem ebenfalls zahlreiche DKW-Komponenten genutzt wurden; so auch die bekannten Zweitakt-Motoren. Aufgrund seines Rufes verkauften sich die Hartmänner gut; sogar der jugoslawische Staatschef Tito erwarb 5 Hartmann Monoposto für seinen Rennstall. Heute sind weltweit nur noch 4 fahrbereite Exemplare der Hartmann Formel Junior bekannt. Joachim Althammer ist es gelungen, die jeweiligen Besitzer mit ihren Schätzchen ans Roßfeld zu locken, wenngleich nicht alle Rennwagen den Einsatz ohne technische Defekte überstanden haben.
Die Rallye-Fahrzeuge bildeten bereits zum zweiten Mal ein Sonderthema am Roßfeld. Nachdem im Jahr 2016 die Fahrzeuge aus der Karriere von Walter Röhrl für eine extrem positive Bilanz unter den Zuschauern gesorgt hatten, griff Althammer das Thema für 2022 erneut auf. So durften sich die Besucher ebenso an den Zweitaktern des Ostblocks wie Wartburg 311 Rallye und Trabant 601 RS erfreuen wie an Ikonen vom Kaliber eines Lancia Stratos, eines Lancia 037 und eines Audi Quattro. Einige ganz besondere Erinnerungen weckte ein originaler Rallye-Käfer von Porsche Salzburg, der vor rund 50 Jahren Europameisterschafts- und Weltmeisterschaftsläufe bestritt.
Als besonderes Goodie bietet Achim seinen Gästen nicht nur interessante und seltene Fahrzeuge, sondern er sorgt auch immer dafür, dass die „richtigen“ Fahrer vor Ort sind. Viele prominente Persönlichkeiten sind zum Beginn ihrer Karriere am Roßfeld angetreten und bereichern heute den Edelweiß-Bergpreis. So pilotierten die Rallye-Asse Stig Blomquist und Harald Demuth jeweils originale Audi-Boliden aus ihrer aktiven Zeit. Prinz Leopold von Bayern trat, wie in der 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, mit einem BMW CSL an und Walter Röhrl setzte einen exakten Nachbau seines ersten Rallye-Porsche von 1970 ein. An Authentizität nicht zu überbieten war die Kombination aus Jochen Mass und Kaimann Formel V, denn Jochen pilotierte exakt jenen Rennwagen, mit dem er bereits das Roßfeldrennen 1971 bestritt.
So erlebten mehrere tausend Besucher wieder ein unvergleichliches Erlebnis. Dank der besonderen Atmosphäre, die Althammer mit seinen Helfern erzeugt, verschwimmen die Grenzen zwischen Zuschauern und Teilnehmern, wodurch eine große Familie entsteht, die den Spaß am alten Blech wunderbar mit der Unterstützung der Behinderten verbindet. Was kann es Schöneres geben, als Gutes zu tun und dabei selbst großen Spaß zu empfinden? Deshalb heißt es für die meisten Protagonisten auch „nach der Veranstaltung ist vor der Veranstaltung!“ Während die Eindrücke noch nachhallen, wird schon nach vorne geschaut, wenn es vom 27. – 29. September 2024 wieder heißt: „Gentlemen, start your engines!“
Ronald Ritter