//MEHRSicherheit für Motorradfahrer

MEHRSicherheit für Motorradfahrer

Beim VdM-Talk zur Jahrestagung 2022 in Magdeburg ging es um die Sicherheit von Motorradfahrerinnen und -fahrern. Unter Leitung von „Autopapst“ Andreas Keßler diskutierten Branchenvertreter und DVR-Präsident Prof. Dr. Walter Eichendorf mit der neuen Dieselringträgerin Monika Schwill.

Das Risiko, bei einem Verkehrsunfall tödlich verletzt zu werden, sei für Motorradfahrer 30-mal so hoch wie für die Insassen eines Pkw, zitierte Prof. Eichendorf aus der Unfallstatistik in seinem einführenden Statement. 36 Prozent wurden bei Alleinunfällen – vor allem in Kurven – getötet. In 71 Prozent der Unfälle mit anderen Verkehrsteilnehmern waren die Motorradfahrer Hauptverursacher. Gründe waren vor allem nicht angepasste Geschwindigkeit und zu geringer Abstand. Meist sei demnach ein Fahrfehler oder eine falsche Einschätzung der Situation durch den Motorradfahrer Grund für den tödlichen Unfall.

Um die Unfallzahlen zu senken, sieht der DVR-Präsident drei Ansatzpunkte: Zum einen müssten mehr Motoradfahrerinnen und -fahrer an Fahrsicherheitstrainings teilnehmen. Zudem könnten Fahrerassistenzsysteme viele Unfälle verhindern und drittens gelte es, die Infrastruktur zu verbessern. Eigentlich gebe es mit der „MVMot“, dem Merkblatt zur Verbesserung der Straßeninfrastruktur für Motorradfahrende, seit Jahren ein klares technisches Regelwerk. Bislang haben aber nur Rheinland-Pfalz und Bayern die MVMot konsequent umgesetzt. Eine vor vier Jahren in Bayern erstellte Risikokarte habe beispielsweise ergeben, dass die Zahl der gefährlichen Stellen gar nicht so groß sein. Mit diesem Wissen lasse sich das Geld für die Verbesserung der Infrastruktur viel gezielter einsetzen. Aber auch Fahrerassistenzsysteme können Unfälle wirkungsvoll verhindern. Prof. Eichendorf nannte vor allem das Zweikanal-ABS, mit dem sich die tödlichen Unfälle um zwei Drittel verringern ließen.

Kay Blanke Pressesprecher beim Motorradausrüster Louis sagte, dass auch die Bekleidung einen wichtigen Beitrag leiste, Verletzungen bei einem Sturz zu verhindern. Leder sei dabei wegen der hohen Abriebfestigkeit nach wie vor die beste Wahl. „Eine Lederkombi für 300 Euro kann in dieser Hinsicht mehr als eine Textilkombi für 1.000 Euro.“ Sportfahrer fahren ausnahmslos in Leder, während die meisten Freizeit-Motorradfahrer Textilkombis bevorzugen. Zudem helfen Protektoren, die inzwischen sehr leistungsfähig und kaum störend getragen werden können. Manche Motorradfahrer setzen auch auf die neuen Airbag-Westen, die mit Sensoren ausgestattet sind und einen Sturz erkennen, die allerdings auch einen vierstelligen Betrag kosten.

Achim Marten, Pressesprecher beim Industrie-Verband Motorrad Deutschland IVM, sagte, dass sich das sogenannte „Kurven-ABS“ inzwischen durchgesetzt habe. „Das ist wirklich ein Segen, denn viele Motorradfahrer können nicht richtig bremsen.“ Deshalb aber müssten vor allem auch die Sicherheitstrainings für Motorradfahrerinnen und -fahrer intensiviert werden. Die meisten Autofahrer haben den Führerschein schon lange und verfügen über die entsprechende Routine. Unter den Motorradfahrern aber gebe es auch viel „Späteinsteiger“, denen die Routine fehle. Neben dem Kurven-ABS nannte Martens das radarbasierte Abstandssystem ARAS als weitere Möglichkeit, die Motorradsicherheit mit technischen Mitteln zu erhöhen.

Die designierte Dieselringträgerin Monika Schwill berichtete, dass in Deutschland schon seit den 90er-Jahren versucht wurde, mit Schaumstoffprotektoren um die Stützpfosten die Leitplanken zu entschärfen. Die seien aber nur bis 36 km/h wirkungsvoll gewesen. In Frankfurt entdeckte sie schließlich einen wirkungsvollen Unterfahrschutz, hergestellt von einem deutschen Hersteller, in Deutschland aber unbekannt. Mit großem Engagement und der von ihr gegründeten Organisation MEHRSi gelang es ihr 2004 zusammen mit der Straßenbehörde in NRW einen ersten Abschnitt in der Eifel mit dem Unterfahrschutz auszurüsten. Das Pilotprojekt stieß auf großes Interesse der Medien, aber auch der Politik und des ADAC. Seitdem setzt sich MEHRSi mit „Sympathie und Kompetenz“ dafür ein, an unfallträchtigen Stellen den Unterfahrschutz zu installieren. Dabei handelt es sich um „ein frei hängendes System. Von einem starren System würde der Motorradfahrer abprallen“, erläuterte Monika Schwill. Inzwischen melden auch Motorradfahrer Streckenabschnitte, an denen der Unterfahrschutz installiert werden sollte. MEHRSi prüft, ob es sich um einen Unfallschwerpunkt handelt, recherchiert, welche Behörde im Einzelfall zuständig ist, und setzt sich dann dafür ein, Unterfahrschutz zu installieren. Da es inzwischen einen neuen Leitplankentyp gibt musste auch der Unterfahrschutz entsprechen angepasst werden.

Auch Monika Schwill plädierte dafür, Motorradfahrer für Sicherheitstrainings zu motivieren. Gerade für jüngere Fahrer seien die Kosten dafür aber oft zu hoch. Zudem sollte auch in der Pkw-Fahrausbildung stärker für die Motorradfahrer sensibilisiert werden. „Die Autofahrer müssen wissen, dass der Motorradfahrer in der Kurve durch die Schräglage genauso breit ist wie ein Pkw.“

Auch für Kay Blanke steht das Sicherheitstraining im Vordergrund. „Motorradfahrer müssen sich bewusst sein, dass sie ein hochkompliziertes Fahrzeug bewegen. Auf jede Unebenheit in der Fahrbahn müssen sie reagieren.“ Deshalb sollten sie auch niemals in einer Stresssituation aufs Motorrad steigen. Dafür müsse schon die Fahrschule ein Bewusstsein schaffen.

Die Expertenrunde im VdM-Talk war sich am Ende einig, dass die Kombination aus Fahrsicherheitstraining speziell für Motorradfahrer, neue Fahrerassistenzsysteme, wie ARAS, und die konsequente Umsetzung der MVMot in allen Bundesländern, deren aktuelle Fassung in 2020/21 veröffentlich wurde, die Sicherheit von Motorradfahrerinnen und -fahrern signifikant erhöhen wurde.

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Foto: Beim Experten-Talk konnten sich VdM-Mitglieder auch übers Internet zuschalten. Teilnehmer (v.l.n.r.): Moderator Andreas Keßler; Kay Blanke, Louis; Monika Schwill, MEHRSi; Achim Marten, IVM; Prof. Dr. Walter Eichendorf, DVR (Foto: F.-P. Strohbücker)