Um die Sicherheit von Transportern ist es überraschend schlecht bestellt. Bei einer Untersuchung von 19 beliebten Modellreihen fand der ADAC heraus, dass serienmäßig nur sechs mit zwei Frontairbags ausgestattet sind. Und kein einziger mit einem Seitenairbag.
Transporter mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen sind immer mehr im Straßenverkehr anzutreffen. Vor allem in der Stadt werden sie im Zuge des boomenden Onlinehandels als Zulieferfahrzeuge zunehmend eingesetzt, und die Corona-Pandemie hat den ohnehin anhaltenden Trend zu Campern für die Urlaubsfahrt im „Eigenheim auf Rädern“ noch verstärkt.
Mit der wachsenden Zahl von Fiat Ducato, Ford Transit, Mercedes Sprinter, VW Transporter und Co. steigt auch das Risiko zu verunglücken. 2019 verursachten Transporter knapp 9.300 Unfälle mit Personenschaden, 126 Menschen verloren ihr Leben. Das ist jedoch keine zwangsläufige Entwicklung. Wie der ADAC ermittelte, wäre mehr als jeder dritte Transporterunfall mit einem Fußgänger oder Radfahrer weniger schwer ausgefallen oder sogar ganz verhindert worden, wenn längst auf dem Markt befindliche Assistenzsysteme standardmäßig zum Zuge kämen.
Doch mit der Serienausstattung von Transportern sieht es schlecht aus, fand der ADAC heraus. Der Autoclub schaute sich die Basisausstattung der 19 in Europa beliebtesten Transporter von deutschen, französischen, italienischen und japanischen Herstellern an und prüfte, ob folgende Systeme an Bord sind: Notbremsassistent mit Radfahrer- und Fußgängererkennung, Geschwindigkeits- und Spurhalteassistent, Toter-Winkel-Warner, Gurtwarner und Aufmerksamkeitsassistent – alles keine technologischen Wundermittel, sondern teilweise seit vielen Jahren im Pkw-Einsatz bis hinunter in die Klein- und Kleinstwagenklasse.
ADAC-Testergebnis: Ein einziger Wagen, der Mercedes Vito, bekam eine Auszeichnung in „Bronze“, alle anderen Testkandidaten fielen durch: „Nicht empfehlenswert“ lautet das ADAC-Urteil für die anderen 18 Fahrzeugmodelle – komischerweise die gleichen Baureihen, die durchweg gute bis sehr gute Noten beim Euro-NCAP erhielten, dem europäischen Testprogramm für die Fahrzeugsicherheit. Wie kommt das?
Ausgezeichnete Euro-NCAP- und niederschmetternde ADAC-Bewertung
Der scheinbare Widerspruch zwischen den ausgezeichneten Euro-NCAP- und den niederschmetternden ADAC-Bewertungen ist schnell aufgeklärt. Während der ADAC die Basisausführungen testete, wird bei Euro-NCAP ausschließlich die Vollausstattung geprüft. Gerade Firmen und Gewerbetreibende achten beim Autokauf aber auf jeden Cent und wählen in punkto Sicherheit und Komfort wenig mehr als die Basisversion.
Hinzu kommt noch, dass die Autohersteller ihre Basismodelle für den deutschen Markt besonders „sparsam“ anbieten. Im gesamteuropäischen Vergleich kam der ADAC zu dem Schluss, dass die Serienausstattungen in Deutschland geradezu „ärmlich“ seien.
Das ist fatal. Transporter stellen im Stadtverkehr allein durch ihre Größe und ihr Gewicht eine Gefahr für Radfahrer und Fußgänger dar. Aber auch Personenwagen ziehen in der Regel den Kürzeren. Denn durch die größeren Proportionen der Lastenträger sind die Stellen mit den steifen Strukturen anders positioniert als bei den Pkw. Bei einer Kollision zwischen Transporter und Pkw hat das zur Folge, dass die Struktur des Personenwagens leicht einbricht, die Knautschzone geht flöten, und die Insassen werden schwer bis schwerst verletzt.
Auch die Fahrer und Beifahrer von Transportern sind einer größeren Gefahr ausgesetzt, als es ihnen bewusst sein mag. Weil die Fahrzeuge laut ADAC „spartanisch“ mit Airbags, Gurtstraffern und anderen passiven Sicherheitssystemen ausgestattet sind, besteht auch im Innenraum von Transportern ein „hohes Verletzungsrisiko“, schätzt der ADAC.
Sein Fazit lautet: Assistenzsysteme in Transportern sind im Interesse der Insassen wie auch der anderen Verkehrsteilnehmer „unverzichtbar“, angesichts der Gewichtsverhältnisse sogar „noch wichtiger als im Pkw“. Der ADAC kritisiert, dass die Transporter „in den letzten Jahren kaum von den Fortschritten in der Fahrzeugsicherheit profitiert“ hätten, und schlussfolgert: „Ohne gesetzliche Regelung geht es nicht.“ Der Münchener Autoclub argumentiert, dass die Verhinderung von Unfallopfern keine Frage der Kosten und der Marge sein dürfe und fordert den Einsatz der modernsten Sicherheitsassistenten serienmäßig und in vollem Umfang sowie unterstützende Förderprogramme durch die öffentliche Hand.
Darüber hinaus weisen Sicherheitsexperten seit Jahren darauf hin, dass zur Unfallverhütung im KEP-Bereich (Kurier, Express, Pakete) weniger Hektik, bessere Arbeitsbedingungen und qualifiziertere Fahrer notwendig sind. Angesichts überladener Transporter, die mit Geschwindigkeiten von 180 km/h und mehr über die zudem volle Autobahn rasen, wird ferner für eine geringere Motorleistung für Transporter argumentiert.
Kristian Glaser (kb)
Foto: Sicherheitsrisiko Kleintransporter: im Rahmen der General Safety Regulation ab Juli 2022 (Neufahrzeuge ab Juli 2024) müssen Nutzfahrzeuge mit einem autonomen Notbremssystem ausgestattet sein, jeweils zwei Jahre später auch mit Erkennung von Fußgängern und Radfahrern (ADAC).