//Klimaziele und Transformation: Eindringlicher Appell des VDA an die Politik

Klimaziele und Transformation: Eindringlicher Appell des VDA an die Politik

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert mehr und nachdrücklicheres Engagement seitens des Staates bei der Transformation der Automobilwirtschaft. Bei der Jahrespressekonferenz mahnte Verbandspräsidentin Hildegard Müller in eindringlichen Worten entschlossenes Handeln an. Sie sagte: „Wir haben einen Paradigmenwechsel in der Industriepolitik und brauchen ein Ende der theoretischen Debatten um die Klimaziele.“

Müller verwies auf die geplanten Investitionen der deutschen Automobilhersteller und Zulieferer von zusammen mindestens 220 Milliarden Euro bis 2026 allein für Forschung und Entwicklung von Elektromobilität, Batterietechnik und Digitalisierung. Es gebe bereits über hundert Modelle mit batterieelektrischem oder Plug-in-Hybrid-Antrieb von deutschen Herstellern, hob Müller hervor und beteuerte, dass es der Autoindustrie nicht am Willen zur Transformation fehle: „Klima und Industriepolitik werden zusammengeführt. Das ist richtig so.“

Größere Probleme sieht sie bei der Digitalisierung und der Versorgung mit Halbleitern und Rohstoffen. Doch ein geradezu dramatisches Bild zeichnet die VDA-Präsidentin von der Situation bei der Ladeinfrastruktur und bei den erneuerbaren Energien. Dem VDA zufolge stehen für 1,2 Millionen Elektroautos zurzeit nur rund 52.000 Ladestationen zur Verfügung. Demnach müssen sich im Durchschnitt 22,8 E-Fahrzeuge eine Ladestation teilen. Das bisherige Ausbautempo für E-Tankstellen vorausgesetzt, ergibt sich laut Müller bis 2030 eine Gesamtzahl von nur 160.000 Ladestationen. Das wäre weit entfernt von einer Million Ladepunkten, die als Zielmarke ausgegeben wurde, und diese Diskrepanz wird sich durch die Dynamik auf dem Elektroautomarkt noch erhöhen, fürchtet Müller. Wörtlich sagte sie: „Die Lücke wird größer, nicht kleiner. Eine Lücke, die uns den Erfolg kosten kann. Scheitern ist aber keine Option.“ Die VDA-Präsidentin schlägt einen „Ladegipfel“ mit Tankstellen- und Netzbetreibern, Wohnungswirtschaft und Logistikbranche vor.

Ähnlich zugespitzt sieht Hildegard Müller die Situation beim Ökostrom: „Nur wenn E-Autos mit 100 Prozent Ökostrom getankt werden, leisten sie ihren Beitrag zu klimaneutraler Mobilität.“ Neben der benötigten Menge an grünem Strom – Müller weist auch auf den hohen Energiebedarf für E-Fuels und Wasserstoff hin – müsse auch das Stromnetz den Anforderungen entsprechen, die sich aus der steigenden Zahl an E-Autos ergeben. „Der Netzausbau ist also die Grundvoraussetzung, um die Mobilität der Zukunft zu ermöglichen“, hebt Müller hervor und ruft die Politik auf, Energie- und auch Rohstoffpartnerschaften im Ausland abzuschließen und eine aktive Rohstoffaußenpolitik zu verfolgen. Die Märkte, so Hildegard Müller, würden aktuell „weitgehend ohne uns verteilt. Deutschland muss hier schneller aktiv werden und strategisch vorgehen.“

Deutschlands oberste Autolobbyistin mahnt außerdem ein flächendeckendes 5G-Netz und politische Schritte zum Aufbau einer europäischen Halbleiter-Fertigung an, um unabhängiger vom Ausland zu werden. Ähnliches gilt aus ihrer Sicht für die Batterieproduktion.

Die VDA-Präsidentin hält das Gerüst an Infrastruktur und Rahmenbedingungen zur automobilen Transformation noch nicht für tragfähig und drängt auf Eile bei den politisch Verantwortlichen. „Entscheidend für eine erfolgreiche Transformation ist darüber hinaus eine soziale Flankierung, die garantiert, daß Mobilität weiter für alle zugänglich und bezahlbar ist“, sagte Müller wohl in Richtung der SPD. Und offenbar an die Grünen gerichtet, meinte sie, daß die „gewaltigen Aufgaben“ nur „mit langfristigem gesellschaftlichem Rückhalt“ zu bewältigen seien, und richtete ein Gesprächsangebot „an diejenigen, die andere Auffassungen haben“.

Die Aussichten der Automobilwirtschaft für 2022 beurteilt der VDA verhalten. Die Auftragsbestände seien zwar so hoch wie seit dreißig Jahren nicht mehr, es fehlten aber nach wie vor Halbleiter. Der Engpass könne bis ins nächste Jahr andauern. Allerdings hält Müller den Tiefpunkt bereits mit dem dritten Quartal 2021 für durchschritten.

Im laufenden Jahr rechnet der VDA mit 2,8 Millionen Pkw-Neuzulassungen in Deutschland. Das wäre zwar ein Zuwachs um sieben Prozent gegenüber 2021, aber immer noch weit entfernt vom Vor-Corona-Niveau. Für den Weltmarkt wird für dieses Jahr ähnlich wie 2021 ein Wachstum von vier Prozent erwartet.

Olaf Walther (kb)
Foto: Verbandspräsidentin Hildegard Müller (VDA)