Zu diesem Thema hat die Unfallforschung der Versicherer (UDV) im August eine Untersuchung veröffentlicht, die wichtiger denn je ist.
Junge Fahrerinnen und Fahrer, die 18 bis 24 Jahre alt sind, tragen zwei grundlegende Risiken: das Anfängerrisiko und das Jugendlichkeitsrisiko. Sie sind seit Jahrzehnten eine Risikogruppe, und zwar erstens, einen Verkehrsunfall zu verursachen und zweitens, als Verkehrsunfallopfer verletzt oder gar getötet zu werden.
Anfängerrisiko und Jugendlichkeitsrisiko
Unter dem Anfängerrisiko versteht man üblicherweise die fehlende Erfahrung, die über einen Zeitraum von circa sieben Jahren wächst und sich im Lebensalter von circa 25 Jahren zu einem Erfahrungsschatz verfestigt hat, mit dem in der Regel auch neue, ungewohnte Verkehrssituationen bewältigt werden können. Das Anfängerrisiko betrifft sämtliche Angehörige dieser Risikogruppe.
Das Jugendlichkeitsrisiko umschreibt die charakterliche Komponente und beinhaltet die bei manchen Fahrerinnen und Fahrern anzutreffende Verhaltensweise, überproportional hohe Risiken einzugehen, weil die Motivation aus dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherheit teils fragwürdig ist.
Tatsächlich waren viele verkehrspolitische Maßnahmen der beiden vergangenen Jahrzehnte schon sehr erfolgreich; denn das fahrleistungsbezogene Unfallrisiko junger Fahrerinnen und Fahrer ist insgesamt gesehen den letzten zehn Jahren deutlich gesunken. Es waren auf Maßnahmen wie das Begleitete Fahren mit 17 (nach § 48a Fahrerlaubnis-Verordnung), das Alkoholverbot in der Probezeit und für Personen unter 21 Jahren (nach § 24c Straßenverkehrsgesetz) sowie Verbesserungen in der Fahrausbildung und -prüfung zurückzuführen (nach der Fahrschüler-Ausbildungsordnung).
Wie hoch ist das statistische Risiko?
Das Deutsche Statistische Bundesamt (Destatis) erfasst fortlaufend die Unfalldaten der Gruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer und veröffentlicht jeweils im Herbst eines jeden Jahres die Zahlen des vorangegangenen Jahres. Aktuell liegen die Zahlen für das Jahr 2019 vor und sie sprechen eine deutliche Sprache.
Verkehrsteilnehmer im Alter von 18 bis 24 tragen immer noch das mit Abstand höchste Unfallrisiko im Straßenverkehr. Dies verdeutlichen die folgenden Zahlen:
• 2019 verunglückten in Deutschland insgesamt 59.747 junge Männer und Frauen dieser Altersgruppe im Straßenverkehr (Verunglückte = Verletzte + Getötete).
• 363 junge Erwachsene wurden bei einem Verkehrsunfall getötet.
• Statistisch gesehen befanden sich 15,5 Prozent aller bei Verkehrsunfällen verletzten Personen und 11,9 Prozent aller bei Verkehrsunfällen im Straßenverkehr getöteten Personen im Alter von 18 bis 24 Jahren.
• Allerdings zählt nur jeder 13. der Gesamtbevölkerung 1 (7,6 Prozent) zur Altersgruppe der 18- bis 24jährigen.
• Damit besteht ein überproportional hohes Verkehrsunfallrisiko für diese jungen Menschen.
Welche Fehler begehen diese jungen Menschen im Straßenverkehr?
Wenn junge Fahrerinnen und Fahrer an einem Verkehrsunfall beteiligt sind, werden 65,0 Prozent der beteiligten Pkw-Fahrer von der Polizei als Hauptverursacher eines Unfalls mit Personenschaden eingestuft. Besonders sind dabei mit 69,7 Prozent die 18- bis 20-jährigen Fahranfänger vertreten. Dass zwar 67,9 Prozent der männlichen, aber „nur“ 60,8 Prozent der weiblichen 18- bis 24-jährigen Unfallbeteiligten als Hauptverursacher ermittelt wurden, verwundert dabei kaum; denn immer noch fallen zumeist junge Männer durch einen draufgängerischen Fahrstil auf, während junge Frauen sich normalerweise mehr „im Griff“ haben.
Die „nicht angepasste Geschwindigkeit“ steht nach wie vor an der Spitze des Fehlverhaltens, dicht gefolgt von „Abstandsfehlern“ sowie deutlich dahinter die Fehler beim „Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren, Ein- und Anfahren“.
Was ist zu tun?
Generell müssen die Ziele verfolgt werden, junge Menschen für die Gefahren zu sensibilisieren, die ihnen im Straßenverkehr begegnen. Wenn sie es dann auch noch lernen, ihre eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten sowie ihre Motivationen adäquat einschätzen zu können, resultiert daraus in vielen Fällen ein sichereres Verhalten im Straßenverkehr. Nicht zu vergessen ist dabei die prägende Kraft der Vorbilder, die in der Kindheit zunächst in der eigenen Familie gewählt werden, in der Jugend aber nahezu ausschließlich im Freundeskreis (Peer-Group) zusammen mit den unvermeidlichen Idolen der Jugendzeit.
Auch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat sich in zahlreichen vergebenen Forschungsprojekten um das Thema des Schutzes junger Menschen im Straßenverkehr verdient gemacht und einige wichtige Erkenntnisse gewonnen, die auch in Gesetzesänderungen eingeflossen sind. Als bestes Beispiel kann das Alkoholverbot für Fahranfänger gelten, das zu deutlichen Verhaltensänderungen für junge Fahrerinnen und Fahrer im Alter von bis zu 20 Jahren geführt und dadurch zahlreiche Leben gerettet hat.
Die UDV schlägt zum Schutz dieser Risikogruppe konkret vor:
1. Eine Verlängerung der Probezeit von derzeit zwei auf drei Jahre.
2. Eine Reduzierung der Probezeit von maximal zwölf Monaten bei freiwilliger Teilnahme an qualifizierten Maßnahmen (zum Beispiel Begleitetes Fahren mit 17 Jahren mit vereinfachten Regelungen unter anderem für die Begleitung und begleitenden ausbildenden Maßnahmen).
3. Öffnung des Begleiteten Fahrens auch für über 18-Jährige.
4. Darüber hinaus empfiehlt die UDV eine Ausweitung des Alkoholverbots auf die 21- bis 24-jährigen Fahrerinnen und Fahrer.
Diesen guten Vorschlägen ist in vollem Umfang beizupflichten, allerdings könnte das in jeder Hinsicht bestens erprobte Alkoholverbot für Fahranfänger dann auch gleich auf alle Kraftfahrzeugführer ausgedehnt werden; denn die Vorbildwirkung zählt überall im Straßenverkehr.
Weiterführende Links:
Untersuchung der UDV
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Unfälle 18- bis 24jähriger Menschen – Destatis
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Evaluation der BASt
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Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht und Verkehrssicherheit.
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