„Im Zeichen der Burg“
Schon früh in diesem Sommer sondierte er für kooperative Fahrgemeinschaften nach Köln zur VdM_Jahrestagung, auf die er sich nach der Pandemieabstinenz so freute. Jetzt ist Horst Ihling, VdM-Urgestein der Neuen Länder, in seiner Wahlheimat Eisenach im Alter von 89 Jahren plötzlich verstorben.
Trotz guten Abiturs blieb dem Sohn eines Unternehmers – der Vater hatte ein Fuhrgeschäft – der Zugang zu einer Uni der DDR erst einmal verwehrt. So bahnte sich Horst Ihling seinen Weg Richtung Automobil zunächst über die Lehre als Kfz-Schlosser bei BMW Eisenach (später EMW). Gute Leistungen ermöglichten das Hochschulstudium doch noch, und der Re-Start als Diplom-Ingenieur erfolgte als wissenschaftlicher Mitarbeiter des Technischen Direktors von AWE. In seinen späteren beruflichen Stationen als Leiter der Rallyesportabteilung, als Beauftragter für internationale Zusammenarbeit oder als Leiter der Presse- und Werbeabteilung des Werkes erlebte er bei den Entwicklungen in Eisenach Höhen und Tiefen, wie etwa erfolglos gebliebene Ansätze des sozialistischen Automobilbaus. Einmal erzählte er dem Verfasser von einem Viertaktvierzylinder, ein Liter Hubraum, 40 PS, praktisch fertig entwickelt. Das Regime verbannte ihn in einer Zeit, als im Westen ein populäres Auto mit 1.200 ccm und 34 PS im Heck seine Runden drehte.
Nach dem Aus von AWE war Horst Ihling noch eine Weile für die Opel-Pressearbeit in Eisenach tätig, bevor er sich ganz seiner Passion als Schriftsteller widmen konnte. So hatte, bevor am Fuß der Wartburg der Bereich Öffentlichkeitsarbeit von Opel auch stationär etabliert worden war, der Verfasser als ambulanter Sprecher für die ersten Monate des Jahres 1990 die Gelegenheit, Horst Ihling durch eine vertraut-einvernehmliche Zusammenarbeit kennen und schätzen zu lernen. Eisenach hatte in jener Zeit weniger als 50.000 Einwohner, aber sieben Tageszeitungsredaktionen, kaum Telefonanschlüsse. Was wichtig war, stellte man persönlich zu, notfalls über verschneites Kopfsteinpflaster. Ohne diese damals begründete Verbindung hätte „Rhein-Main“ nicht acht Jahre später die Jahrestagung des VdM in seinem geographisch äußerten Orbit organisieren und erfolgreich durchführen können, einschließlich Grundsteinlegung für das neue Automuseum und Verleihung des Dieselrings im Festsaal des Palas der Wartburg. Überhaupt war die Bewahrung und der Erhalt der Eisenacher Automobilgeschichte gewiss Horst Ihlings große Mission, für die er sich bis zuletzt einsetzte. Er war Gründungs- und Ehrenmitglied des Vereins Automobilbau-Museum Eisenach e.V., sein umfangreiches Privatarchiv wird in das Archiv der Stiftung Automobile Welt Eisenach überführt.
Als Automobilschriftsteller hatte sich Ihling schon zu DDR-Zeiten einen Namen gemacht. Seine Fachbücher erreichten eine Millionenauflage, der Katalog der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet 46 Titel. Nach der Wende – bald auch Mitglied im Verband der Motorjournalisten – konzentrierte er seine Themen auf vielfach historisch geprägte Sujets von „Autoland Thüringen“, „DDR-Legende Wartburg“, „Vom Wartburg zum Opel“ oder fast archetypisch „Im Zeichen der Burg“. Daneben widmete er sich immer wieder dem Motorsport, auch mit einem gewiss nicht ganz unberechtigten Selbstbewusstsein der DDR-Motorsportszene. Als Ihling 2008 in den Räumen des Automobile Club de France am Place de la Concorde die Urkunde für das beste „in nichtenglischer Sprache“ erschienene Autobuch des Jahres entgegennahm („Autorennsport in der DDR“, 2006), die jährlich von der internationalen „Society of Automotive Historians“ (SAH) verliehen wird, sagte er: „Ich hoffe, dass ich dazu beitragen konnte, die Erinnerung an Tradition und Leistungen des Automobilbaus und des Motorsports im Ostteils Deutschlands wach zu halten.“ – Dieser Beitrag sucht sicherlich seinesgleichen.
Erich Kupfer