//Hyundais Vision einer „Wasserstoffgesellschaft“

Hyundais Vision einer „Wasserstoffgesellschaft“

Mit der Zeit haben die Autokonzerne unterschiedliche Strategien herausgebildet, mit welchem Pkw-Antrieb sie die Klimaziele erreichen wollen. Während europäische Hersteller vor allem auf batterieelektrische Autos setzen, beschäftigt man sich in Asien stärker mit Brennstoffzelle und Wasserstoff. Aber auch hierzulande nimmt die Forschung an Fahrt auf, wird eine Tankstellenstruktur geschaffen und darüber nachgedacht, wie sich der Wasserstoff am besten herstellen lässt. Denn das ist die Achillesferse.

Wasserstoff (H2) kann enorm viel Energie aufzunehmen und eignet sich deshalb als Speichermedium. Er kommt aber nicht in Reinform vor und muß, unter Einsatz von sehr viel Strom, aus Wasser gewonnen werden. Diese Energie wird dann in der Brennstoffzelle wieder freigesetzt, um den Motor anzutreiben. Das Brennstoffzellenauto ist also eine Art E-Auto, und mit harmlosem Wasserdampf als Abgas ist es genauso klimafreundlich. Jedoch kommt von der ursprünglich eingesetzten Energiemenge schlussendlich nicht mehr als zwanzig Prozent an den Rädern an; der sogenannte Wirkungsgrad ist schlechter als bei reinen E-Autos und kann nur als miserabel bezeichnet werden. Weshalb Kritiker den Ansatz nicht für geeignet halten und 

zudem befürchten, dass die verstärkte Nutzung von Wasserstoff ein Wiederaufleben der Atomenergie nach sich zieht, um die Unmengen an CO2-freiem Strom zu beschaffen.

Gleichwohl hat der H2-Antrieb Vorteile: Mit einer Tankfüllung kommt man etwa so weit wie mit einem Benziner oder Diesel, das Tanken ist eine Sache von Minuten, und die Technologie lässt sich auch in anderen Bereichen einsetzen. Und auf genau diesem Gedanken baut die Hyundai-Gruppe eine ganze Entwicklungsstrategie für die nächsten Jahrzehnte auf.

Der südkoreanische Konzern, zu dem nicht nur die Automarken Hyundai, Kia und Genesis gehören, sondern auch Stahl- und Schienenfahrzeughersteller, IT- und Logistikunternehmen, will „praktische Lösungen für die nachhaltige Entwicklung der Menschheit in allen Lebensbereichen anbieten und dazu beitragen, dass bis 2040 eine weltweite Wasserstoffgesellschaft entsteht“, sagte der Vorsitzende, Euisun Chung, beim international ausgerichteten Online-Forum „Hydrogen Wave“ (Wasserstoffwelle).

Blick zurück: 2013 ging mit dem Hyundai ix35 FCEV das erste Serienmodell des Konzerns an den Start, dessen Abgase aus harmlosem Wasserdampf bestehen. 15 Jahre hatten die Ingenieure dafür gebraucht. 2018 kam als direkter Nachfolger des ix35 FCEV der Nexo, dem zurzeit das automatisierte Fahren beigebracht wird. Nach dem Nexo stellte Hyundai den weltweit ersten Brennstoffzellen-Lkw auf die Räder, den Xcient Fuel Cell. Er wird unter anderem in der Schweiz getestet, seine Serienfertigung hat soeben begonnen. Eine darauf aufbauende Zugmaschine ist für 2024 angekündigt, während der „Elec City Fuel Cell Bus“ bereits seit zwei Jahren in Südkorea im Einsatz ist und seit kurzem erste Proberunden mit Fahrgästen in München dreht.

Erste große Einsätze im Nutzfahrzeugbereich

Zum Einsatz im großen Stil wird die Brennstoffzelle tatsächlich zuerst im Nutzfahrzeugbereich kommen. Hier sind die Strecken lang und die Last schwer genug, so daß sich der noch teure und schwere Antrieb rechnen kann. Hyundai hat sich vorgenommen, der erste Nutzfahrzeughersteller mit Brennstoffzellen in allen Baureihen zu sein. Das Zieljahr ist 2028.

Im Pkw-Bereich sieht es komplizierter aus. Ein Nexo kostet momentan weit über 75.000 Euro, entsprechend gering ist die Begeisterung der Käufer. 2018 wurden in der Bundesrepublik 41 Exemplare verkauft, zwei Jahre später waren es 212. Marktführer ist Toyotas Mirai aus der oberen Mittelklasse, der jedoch nicht wesentlich mehr Anklang bei den Autokäufern findet als das SUV Nexo. Alles in allem sind weniger als 1.000 H2-Pkw auf den Straßen in Deutschland unterwegs, fast eine Verdreifachung zu 2018. 

Hyundai gelang es nach eigener Aussage, die Kosten für eine Brennstoffzelle innerhalb von zwanzig Jahren um 98 Prozent zu senken, und die Entwicklung wird mächtig weitergetrieben. Die kommende dritte Brennstoffzellengeneration wird bei gleicher Größe wie die aktuelle Version die doppelte Leistung erbringen (200 kW, ca. 270 PS). Damit soll der Nexo im ganzen 500.000 Kilometer hinter sich bringen können, das wäre zu heute eine Verdreifachung der Gesamtfahrleistung. Außerdem soll der Anschaffungspreis gehörig fallen und sich auf dem Niveau eines batterieelektrischen Pendants bewegen.

Die nächste Brennstoffzellengeneration wird sich zu mehreren Einheiten zusammenfassen lassen, so dass eine Leistung von bis zu einem Megawatt möglich wird. Aus Sicht von Hyundais Konzernstrategen hat Wasserstoff damit das Zeug, auch in Hochleistungsfahrzeugen, städtischer Luftmobilität, Robotern, Flugzeugen und großen Schiffen eingesetzt zu werden. Ferner könnten Strom und Wärme für Gebäude, städtische Energiequellen und Kraftwerke bereitgestellt werden.

Hyundais „Vision“ einer „Wasserstoffgesellschaft“ konkretisiert sich bereits im Konzeptfahrzeug „Rettungsdrohne“. Das ist im Prinzip aufgebaut wie ein Eisenbahndrehgestell mit unabhängiger Vierradlenkung und Fernsteuerung, gedacht für den Einsatz in Katastrophengebieten, weil es sich an Ort und Stelle drehen und seitliche Bewegungen vollführen kann. Eine weitere Studie ist das „Rescue Hydrogen Generator Vehicle“. Es ist für entlegene Gegenden oder schwierige Einsätze konzipiert, um dort die Stromversorgung sicherzustellen. Und mit dem Sportwagen Vision FK will Hyundai zeigen, dass Brennstoffzellenautos auch sportlich sein können. Der wasserstoffbetriebene Renner powert mit 680 PS über die Straße, sprintet in vier Sekunden von 0 auf 100 km/h und schafft eine theoretische Reichweite von 600 Kilometern.

Kristian Glaser (kb)
Foto: Der Hyundai Nexo mit Brennstoffzelle (Foto: Hyundai)