Trotz Lockdown und Kurzarbeit, trotz Chipmangels und enormer Transformationskosten – kaum den Dieselskandal hinter sich gelassen – können die bundesdeutschen Automobilhersteller mit erstaunlich positiven Quartalsergebnissen aufwarten. BMW, Daimler und der Volkswagen-Konzern machen Milliardengewinne und erreichen bereits wieder das Vor-Corona-Niveau, obwohl das erste Quartal 2021 vollauf von der dritten Welle der Pandemie geprägt war und der Halbleitermangel die Bänder in den Fabriken teilweise zum Stoppen brachte (und immer noch bringt).
Nichtsdestotrotz: Bei BMW kletterte das Ergebnis vor Steuern von 800.000 Euro im ersten Quartal 2020 auf 3,8 Milliarden Euro im gleichen Zeitraum 2021. Daimler steigerte das operative Ergebnis von 620 Millionen auf 5,7 Milliarden Euro, und der VW-Konzern schraubte den Quartalsgewinn auf 3,4 Milliarden Euro, und damit fast auf das Siebenfache des Vorjahreszeitraums. Porsche und VW Pkw konnten Ergebnisse von jeweils rund einer Milliarde Euro ausweisen, und Audi meldet ein operatives Ergebnis von 1,4 Milliarden Euro, nachdem die Ingolstädter im ersten Quartal des Vorjahres knapp an roten Zahlen vorbeischrammten. Es sind insbesondere teure Hybrid- und Elektroautos, die stark nachgefragt werden, sowie margenreiche Fahrzeuge aus dem Premiumsegment. Daher heben die Unternehmen die Produktionskapazitäten für E-Autos kräftig an.
100.000 Arbeitsplätze sind gefährdet
Dennoch bleiben Unsicherheiten. Die notwendige Transformation speziell in Richtung alternative Antriebe und automatisiertes Fahren stellt eine riesige Herausforderung dar, ebenso wie der Umbau des festgefahrenen Verkehrssystems ganz allgemein eine umfassende Anstrengung erfordert. Das betrifft auch die Arbeitsplätze.
Nach einer Studie des Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung in München, die vom Verband der Automobilindustrie (VDA) in Auftrag gegeben wurde, sind bis zu 100.000 Arbeitsplätze der Branche durch die Umstellung auf Elektroantriebe gefährdet. Die Produktion mit Hochvoltsystemen ist zwar komplizierter, jedoch fallen mit dem Verbrennungsmotor und dem Getriebe viele mechanische Teile und die damit verbundenen Arbeitsplätze ersatzlos weg.
Zum Zeitpunkt der Ifo-Erhebung (2019) waren bei den Autoherstellern in der Bundesrepublik mindestens 614.000 Menschen direkt oder indirekt in der Autoproduktion beschäftigt. Nach der Berechnung des Instituts sind durch den Ausbau der Elektromobilität bis 2025 erwartbar 137.000 bis zu 170.000 Arbeitsplätze betroffen. Zieht man die Zahl der Beschäftigten ab, die in diesem Zeitraum in den Ruhenstand wechseln, verbleiben immer noch 60.000 bis 95.000 Jobs, die bedroht sind.
VDA: Mehr für Industriestrandort Deutschland tun
Das Ifo-Institut betont, dass sich die exakte Anzahl der Arbeitsplätze, die möglicherweise oder real wegfallen, nicht voraussehen lasse. Um den schwierigen Transformationsprozess gut zu gestalten und negative Auswirkungen bei der Beschäftigung abzufedern, seien erhebliche Anstrengungen erforderlich. Die Münchener Wirtschaftsforscher empfehlen Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen für die Mitarbeiter.
Auch VDA-Präsidentin Hildegard Müller spricht von großen Herausforderungen. Sie fordert die Politik auf, mehr für den „Industriestandort Deutschland“ zu unternehmen, und kritisiert die Bundesregierung für die Ankündigung einer schärferen Klimapolitik, nachdem das Bundesverfassungsgericht Teile des Klimaschutzgesetzes für nichtig erklärt hat.
Ziel sollte sein, die klimagerechte Umgestaltung der Autos und ihrer Produktion mit der Sicherung der Arbeitsplätze in Einklang zu bringen. Die Aufgaben, die sich aus der Transformation der krisenhaften Autobranche ergeben, machen es erforderlich, dass mehr Menschen an der Umsetzung arbeiten. Um wieviel größer werden die Aufgaben, wenn man die Probleme des gesamten Straßenverkehrs in die Betrachtung einbezieht und Verbindungen zu anderen Bereichen des Verkehrssystems schlägt? Zu tun gibt es genug.
(Olaf Walther/kb)
Foto: Volkswagen AG: Umstellung vom e-Golf zum ID.3