Man hört sie, sieht sie aber nicht, die Streckensprecher am Nürburgring. Vielen Zuschauern sind sie gut bekannt, sie erkennen sie an ihrer. prägnanten Stimme. Es sind Legenden, wie Richard von Frankenberg, Kalli Hufstadt, Jochen Luck oder Rainer Braun, um nur einige zu nennen. Sie alle haben ein Stück Nürburgringgeschichte geschrieben.
Einer der jüngsten in der Ära der legendären Streckensprecher ist Rainer Braun aus Much (Bergisches Land). Er ist eigentlich schon in Rente. Aber, beim 90jährigen Nürburgring-Jubiläum war er noch einmal dabei und moderierte wie in alten Zeiten. Es war für die geladenen Gäste ein Vergnügen, die berühmte Stimme noch einmal zu hören. Ja, und auch bei Rennen um die Trophäe mit klassischen DTM-Rennwagen greift er ab und zu noch einmal zum Mikrofon. Am 14. November wurde VdM-Mitglied Rainer Braun 80 Jahre.
In den 50er Jahren war Richard von Frankenberg – ein bekannter Journalist, Buchautor, Rennfahrer und Rundfunkmoderator – Streckensprecher am Nürburgring. Als Rennfahrer lernte ich ihn 1956 kennen, er fuhr einen Porsche Spyder und ein Buch von Richard von Frankenberg „Junge das ist Tempo“ bekam ich 1954 zum Weihnachtsfest geschenkt.
Sehr viel später lernte ich auch Rainer Braun aus Much im Bergischen Land persönlich kennen, ich durfte die Laudatio zur Verleihung der Johny-Rozendaal-Uhr, der höchsten Auszeichnung des Verbandes der Motorjournalisten (VdM) auf der Essener Motorshow 2015 an ihn halten. Der erste Träger der Johny-Rozendaal-Uhr war 1959 der genannte Richard von Frankenberg. Ich erwähnte ihn in meiner Laudatio und in der Erwiderung der Laudatio schlug der neue Preisträger Rainer Braun auch die Brücke zu Richard von Frankenberg und erzählte eine amüsante Story:
„`Wenn ich mal aufs Klo muss`, lässt mich Richard von Frankenberg 1965 beim 1000-km-Rennen am Nürburgring generös wissen, `können Sie mich gern für ein paar Minuten am Mikrofon vertreten`. ADAC-Sportsekretär Werner Heinemann hatte mich als jungen Nachwuchssprecher eingeladen, dem großen Herrn von Frankenberg mal ein bisschen über die Schulter zu gucken. Freudig nehme ich an und platziere mich in der alten Kanzel des Start- und Zielhauses. Doch „Richies“ Toilettenbesuche fallen leider ebenso selten wie kurz aus. Kaum habe ich mich des Mikrofons bemächtigt, steht er schon wieder hinter mir und begehrt seinen angestammten Platz. Ich weiß nicht, wo ich den Mut hergenommen habe, aber irgendwann kommt mir die Idee, in einem günstigen Moment den Klo-Schlüssel zu kassieren und den guten Richard beim nächsten Besuch dort einfach einzuschließen. Die heikle Aktion verschafft mir immerhin Luft für etwa 20 Minuten Reportage am Stück. Anschließend kommt es zu einem mittleren Eklat, Richard tobt nach seiner Befreiung durch die Putzfrau mittels Generalschlüssel und ich spiele den Unschuldsengel. Danach geht er bis zum Ende der 1000 km sicherheitshalber nicht mehr Pinkeln – und ich komme deshalb auch nicht mehr ans Mikro.
Richard von Frankenberg, Branchenkürzel „RvF“, war ein Multi-Talent: Journalist, Kommentator, Filmemacher, Buchautor, Rennfahrer und Porsche-Intimus. Und er war erstes großes Vorbild als Strecken-Reporter. Der Mann wusste alles, sah alles, konnte alles. Kurzum, er galt als der Großvater der Streckensprecher dieser Zeit. Unsere beruflichen Wege kreuzten sich immer öfter, mal beim Bergrennen in Eberbach, mal am Schauinsland oder in Hockenheim. Immer häufiger wurde ich ihm von den Veranstaltern als gleichwertiger Partner für die Strecken-Reportage zugeteilt. Die Zusammenarbeit mit ihm war nicht einfach. Manchmal musste ich schon arg kämpfen, um mich an seiner Seite zu behaupten. Er gab den Chef und ließ mich das auch spüren. Eine gemeinsame Reportage im lockeren Unterhaltungsstil, wie etwa später mit Kalli Hufstadt, war für ihn absolut undenkbar. RvF zog seine eigene Show durch und ich durfte mich ‚um den Aufwasch‘ kümmern.“ So erzählte Rainer Braun.
Beide, Richard von Frankenberg und Rainer Braun, haben viele Gemeinsamkeiten. Beide waren Rennfahrer, Journalisten, Rundfunksprecher, Buchautoren und Streckensprecher. Beide wurden mit der Johny-Rozendaal-Uhr ausgezeichnet, der eine 1959, der andere 54 Jahre später.
Rainer Braun wird im November 2020 80 Jahre alt, Richard von Frankenberg verunglückte 1973 im Straßenverkehr tödlich im Alter von 51 Jahren.
Heute geht man mit einem Handy zum Autorennen, und kann darauf jederzeit sehen, was sich auch an entlegenen Stellen der Strecke gerade ereignet. So zeigte die Kamera aus dem Hubschrauber beim 24h-Rennen 2016 live Bilder von einem Massen-Crash im Bereich Aremberg – nach einem plötzlichen Hagelschauer. Das war alles mal anders, die Streckensprecher früherer Zeiten mussten den Besuchern oftmals Situationen erklären, die sie nicht sehen konnten – und das gelang ihnen auch fast immer und so wurden sie für die Besucher zu Legenden – so auch unser VdM-Mitglied Rainer Braun. Gerade in dieser Zeit, i der auch der Motorrennsport seine Probleme hat, sind Legenden wie Rainer Braun gefragt.
Klaus Ridder