//Woher kommt die Rücksichtslosigkeit?

Woher kommt die Rücksichtslosigkeit?

Bei der Polizei in Köln erzählt man die Geschichte eines jungen Autofahrers, der derart schnell über eine gut überschaubare Straße bretterte, dass er eine Frau, die im Begriff war, die Straße zu überqueren, schwer anfuhr. Während die herbeigeeilten Sanitäter der mit dem Tode ringenden Frau halfen, hatte der Raser nichts anderes im Sinn, als die Polizisten, die den Wagen untersuchen wollten, anzuschnauzen, sie sollten die Felgen nicht beschädigen, die seien teuer gewesen. Derweil verlor die Frau ihren Kampf. Woher kommen Rücksichtslosigkeit im Straßenverkehr?

Einer Antwort kommt man mit einer Studie der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) näher, in der der Zusammenhang zwischen Lebensstil und Unfallgefährdung untersucht wurde. Aus den Ergebnissen der repräsentativen Befragung von gut 2.100 Personen im Alter von 17 bis 34 Jahren ermittelten die BASt-Wissenschaftler sechs unterschiedliche Lebensstile.

Drei dieser Gruppen sind für rücksichtsloses Verkehrsverhalten eher nicht zu haben. Das sind der „Beauty-Fashion-Typ“, der „kulturinteressierte, kritische Typ“ und der „häusliche Typ“ – zusammen machen sie mehr als die Hälfte aller Befragten aus. Sie schätzen Aggressivität im Straßenverkehr genauso wenig wie hohe Geschwindigkeiten und Alkohol am Steuer. Ihr Frauenanteil ist sehr hoch.

Die drei anderen Gruppen stellen hingegen eine Herausforderung für ein gutes Klima auf der Straße dar. Das sind der „autozentrierte Typ“, dem zehn Prozent der Umfrageteilnehmer zuzurechnen sind, ferner der „Action-Typ“ (24 Prozent) und – mit Einschränkung – der „kicksuchende Typ“ (13 Prozent).

Dem autozentrierten Fahrer ist sein rollender Untersatz generell wichtig. Er geht gern aus, trinkt viel und häufig Alkohol und interessiert sich für Actionfilme und Sportsendungen. Er regt sich schnell auf und wird aufbrausend. Diese Gruppe besteht fast vollständig aus Männern, gut 40 Prozent hatten bereits einen Unfall. Genauso viele fuhren schon nach eigenen Angaben mindestens einmal betrunken Auto. Mehr als jeder vierte hat mindestens einen Punkt auf seinem Konto in Flensburg. Der autozentrierte Typ ist gern schnell unterwegs und neigt dabei zu aggressivem Verhalten. Überdurchschnittlich oft werden in dieser Gruppe Organisationen mit nationaler Gesinnung befürwortet.

Als zweites ist da der Action-Typ. Er ist insgesamt aktiver, macht Sport, geht mit Freunden aus oder zu Fußballspielen. Dabei wird relativ häufig zu Alkohol und auch zu härteren Drogen gegriffen. Der Action-Typ ist statistisch gesehen männlich und sehr jung. Jeder fünfte war schon einmal in einen Unfall verwickelt, jeder achte hat einen oder mehr Punkte im Verkehrszentralregister. Er ist von seinen Fahrfähigkeiten überzeugt, macht auf der Straße gern Tempo und hat Spaß an riskanten Fahrmanövern.

Im Übergangsfeld befindet sich der kicksuchende Typ. Er steht auf Extremsport, Rockkonzerte sowie Heavy-Metal-Musik und hat den größten Alkohol- und Drogenkonsum von allen Lebensstilgruppen. Er ist aktiv, reagiert häufig emotional, und es fällt ihm nicht leicht, aufmerksam gegenüber seiner Umwelt zu sein. Da ist es fast kein Wunder, dass er zu aggressiver Verhaltensweise neigt, wenn er Auto fährt. Trotzdem verhält er sich dabei nicht übermäßig riskant. Mit 15 Prozent handelt es sich um die Stilgruppe mit den wenigsten Unfallbeteiligten, und die Zahl der Flensburg-Sünder liegt im Durchschnitt.

Was lehrt die BASt-Studie? Dass aggressives Verhalten kein Problem ist, das allein auf den Straßenverkehr zu begrenzen wäre, dass es aber Menschen gibt, die meinen, sich speziell im Straßenverkehr austoben zu können oder sich beweisen zu müssen. Das hauptsächliche Problem ist der Egoismus. Damit geht die Anteilnahme gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern verloren, und auch die Bereitschaft, sich fair zu verhalten. In dieser Einstellung zur Welt und zum Leben wird Rücksichtslosigkeit sogar als Vorteil angesehen und als vermeintlicher Beweis von Überlegenheit anderen gegenüber. Dabei ist längst bewiesen: Aufmerksam und rücksichtsvoll geht es für alle besser voran: schneller, sicherer und entspannter.

Kristian Glaser (kb)
Foto: DVR