//Vernachlässigte Gefahren durch parkende Autos für Fußgänger und Radfahrer

Vernachlässigte Gefahren durch parkende Autos für Fußgänger und Radfahrer

In den Städten ist es enger geworden, hektischer und unübersichtlicher. Dadurch sind geparkte Autos zu einer besonderen Gefahr für die Verkehrssicherheit geworden. Nach der offiziellen Unfallstatistik steht immerhin jeder zwanzigste Unfall, bei dem ein Fußgänger oder Radfahrer verletzt wird, im Zusammenhang mit einem abgestellten Fahrzeug. Der Versicherungswirtschaft zufolge ist das Risiko jedoch weitaus höher: Laut einer aktuellen Studie ihrer Unfallforschung ist sogar bei jedem fünften Crash mit einem verletzten Fußgänger oder Radfahrer ein parkendes Auto beteiligt.

Demnach sind für Radfahrer die berüchtigten „Dooring“-Unfälle das Hauptproblem. Jede zweite Kollision mit einem parkenden Auto im innerstädtischen Bereich ist darauf zurückzuführen. Von einem Dooring-Unfall („door“ engl. für „Tür“) spricht man immer dann, wenn ein Autoinsasse nach dem Halt unvermittelt und gedankenlos die Tür aufstößt und dabei einen ahnungslos vorbeiradelnden Menschen umreißt. Ein Grauen für alle Radler, denn von hinten kommend können sie die Aussteigeabsicht einer Person im Auto nicht erkennen. Sie prallen ungebremst auf die mit scharfen Kanten versehene Metalltür und stürzen dann noch auf den harten Boden. Schwerste bis tödliche Verletzungen sind die Folge. Hingegen wird es für Fußgänger vor allem dann gefährlich, wenn ein Auto ausgeparkt wird oder wenn die Sicht auf Kreuzungen und Straßeneinmündungen verdeckt ist.

Die Unfallforschung der Versicherer (UDV) hatte im vergangenen Jahr eigene Statistiken ausgewertet und war dabei auf ein größeres Sicherheitsproblem gestoßen, als die offiziellen Zahlen vermuten ließen. Daraufhin arbeiteten sich die UDV-Forscher durch die Unfallbeschreibungen der Jahre 2012 bis 2016 in Sachsen-Anhalt und in einigen innerstädtischen Gebieten. Das Ergebnis: Die Zahl der Unfälle zwischen parkenden Autos und Radfahrern oder Fußgängern müsse von offiziell fünf Prozent auf 18 Prozent korrigiert werden. Der UDV sieht seine Zahlen als repräsentativ für die gesamte Republik an.

Der UDV weist darauf hin, dass nicht nur die direkte Berührung mit einem parkenden Auto ursächlich für ein Unglück sein kann, sondern auch die Einschränkung der Sicht. Sämtliche Parkplätze am Straßenrand müssten daher „kritisch überprüft“ werden, wie UDV-Leiter Siegfried Brockmann fordert. Die Sichtachsen sollten freigehalten werden, notfalls durch das Abschleppen falsch parkender Autos. Fußgänger brauchen mehr und sicherere Überwege, meint Brockmann, und die Fahrradstreifen sollten mit einem Sicherheitsstreifen von „mindestens 75 Zentimeter“ Abstand zu den Autos am Straßenrand ausgestattet werden.

Ein relativ neues Problem ist zudem die stetig steigende Zahl an Lieferfahrzeugen, die auf Fahrradwegen oder -streifen abgestellt werden. Radfahrer müssen dann riskant auf die Fahrbahn ausweichen.

Die Autofahrer können die Zahl der Dooring-Unfälle durch mehr Aufmerksamkeit reduzieren. In den Niederlanden lernt jeder Fahranfänger, die Tür mit der Hand der abgewandten Seite zu öffnen, also der Fahrer mit der Rechten, der Beifahrer mit der Linken. Bei diesem „holländischen Griff“ muss man sich unweigerlich umdrehen und nach hinten schauen, ein herannahender Radler oder Fußgänger wird auf diese Weise leichter bemerkt.

Die Autobauer könnten verstärkt Assistenzsysteme in ihre Modelle einbauen, die vor herankommenden Radfahrern warnen oder gar das Öffnen der Tür für eine kurze Zeit unterbinden. Tests des ADAC im vergangenen Jahr zeigten, dass erste Systeme von Premiumherstellern bereits zuverlässig funktionieren. Nur wenn das Auto eng geparkt ist, erfolgt die Warnung zu spät. Denn ein 20 km/h schneller Radfahrer muss nach Angaben des DVR „elf Meter vor einer sich öffnenden Fahrzeugtür dies bemerken, um noch bis zum Stillstand abbremsen zu können“. Mehr Rücksichtnahme ist in jedem Fall eine gute Idee, um die schwächsten Teilnehmer im Straßenverkehr besser zu schützen.

Beate M. Glaser (kb)
Foto: UDV