Moderne Autositze bieten eine Vielzahl von Einstellungen, nicht selten sind es zu viele. Dann kennt sich kein Mensch mehr aus, und man belässt den Sitz lieber in der Position, in der er sich bereits befindet; bequem sind die heutigen Sitze ja allemal. – Doch das ist zu bequem gedacht, wie Dekra in Erfahrung brachte. Die Prüf- und Sachverständigenorganisation wollte mit Crashtests herausfinden, welchen Einfluss die Sitzeinstellung auf die Verletzungen von Autoinsassen bei einer Kollision hat.
Drei unterschiedliche Crashtest-Puppen setzte Dekra ein. Der erste Dummy repräsentierte einen 1,75 Meter großen und 78 Kilogramm schweren Mann. Der zweite Dummy war ausgelegt auf eine etwas über 1,50 Meter große und 52 Kilogramm schwere Frau, während der dritte Dummy für eine ältere Frau stand. Diese drei Crashtest-Puppen wurden jeweils auf Fahrer-, Beifahrer- und Rücksitz positioniert. Der Fahrersitz war so eingerichtet, dass ein Mensch mit seinen Füßen die Pedale gut erreicht hätte. Anders ging Dekra beim Beifahrersitz vor. Dort wurde unabhängig von der Art der Puppe eine mittlere Position eingerichtet, wie es in vielen Autos üblich ist. Dann wurde gecrasht.
Das Ergebnis auf der Beifahrerseite fiel ernüchternd aus. Verrichteten Sicherheitsgurt und Airbags beim „Mann“ ihre Aufgabe so gut, dass der Dummy glimpflich den Test überstand, hätte eine ältere Frau schwere Verletzungen davongetragen. Ihr tieferer Körperschwerpunkt hatte dazu geführt, erläutert Dekra, dass die Puppe tief im Sitz saß. Zusammen mit der für sie ungünstigen, weil zu weit hinten gelegenen mittleren Sitzposition hatte das zur Folge, daß die Puppe beim Aufprall unter dem Beckengurt „hindurchtauchte“. Bei diesem als „Submarining“ gefürchteten Phänomen findet der Beckengurt keinen Halt am Beckenknochen und dringt daher tief in den Bauchraum ein. Selbst bei nicht allzu hoher Geschwindigkeit können Verletzungen der inneren Organe die Konsequenz sein.
Gefürchtet: Submarining
Submarining entsteht auch dann, „wenn die Rückenlehne zu flach eingestellt ist“, erläutert Dekra-Unfallforscher Andreas Schäuble. Dann können weder der Becken- noch der Schultergurt ihre Rückhaltewirkung im nötigen Umfang entfalten. Schäuble spricht Klartext: „Um es klar und deutlich zu sagen: Liegen und Lümmeln sind für Beifahrer im Ernstfall lebensgefährlich.“
Aus demselben Grund rät der Experte dringend ab, es sich auf dem Beifahrersitz allzu gemütlich zu machen und die Füße gar auf das Armaturenbrett zu legen, wie es speziell bei langen Fahrten in sommerlicher Hitze gern gemacht wird. „Falls in dieser Position der Airbag auslöst“, sorgt sich Schäuble, „werden die Knie Richtung Kopf geschleudert“. Was dann passiert, mag man sich nicht vorstellen.
Für beide Frauendummys wären die Dekra-Crashtest erheblich milder verlaufen, wenn sie höher und weiter vorn platziert worden wären. Um das Verletzungsrisiko so gering wie möglich zu halten, empfiehlt Schäuble, den Beifahrersitz so weit nach vorn zu rücken, dass zwischen den Knien und dem Handschuhfach ein drei Finger breiter Spalt bleibt. Die richtige Sitzhöhe ist dann gefunden, wenn die Augen auf halber Höhe der Windschutzscheibe nach draußen schauen. Die Rückenlehne steht am besten so aufrecht wie möglich, damit „die Schultern Kontakt zur Lehne haben“, erklärt Schäuble. Zu guter Letzt kommt die Kopfstütze dran. Sie passt perfekt, wenn der Abstand zum Kopf minimal ist, wodurch bei einer Kollision bewirkt werden soll, dass der Kopf so früh wie möglich aufgefangen wird. Die Oberkante der Stütze sollte auf derselben Höhe liegen wie die des Kopfes. Wenn das alles „sitzt“, können die Rückhaltesysteme im Fall eines Falles ihre schützende Wirkung voll entfalten.
Kristian Glaser (kb)
Foto: Dekra