Über die Pläne und Ziele des chinesischen Autobauers BYD in Europa, seine Einschätzung von Marktpotenzial und Zukunft des europäischen Pkw-Marktes sowie die Bedeutung der Plug-in-Hybrid-Technologie für BYD in Europa berichtet Regional Managing Director BYD Europa Maria Grazia Davino im nachfolgenden Gespräch.
Motorjournalist: Könnten Sie uns bitte Ihre exakte Rolle bei BYD Europe erläutern, die Sie seit Dezember 2024 innehaben?
Maria Grazia Davino: Ich bin Regional Managing Director von BYD für die Länder Deutschland, Österreich, Schweiz, Polen, Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und weitere nordische Länder. Ziel ist es, die europäische Expansion von BYD voranzutreiben.
Wie unterscheidet sich Ihre jetzige Tätigkeit von Ihrer vorherigen bei Stellantis?
Jedes Unternehmen ist anders, ich ziehe keine Vergleiche. BYD arbeitet mit einer außergewöhnlichen Geschwindigkeit, die mich von Anfang an beeindruckt hat – und das mit einem vielfältigen Team unglaublich talentierter Menschen auf der ganzen Welt. Und dann gibt es natürlich die Geschichte dieses noch jungen Unternehmens: Vor 30 Jahren als Batteriehersteller gegründet, trat BYD erst vor 22 Jahren in die Automobilindustrie ein und ist heute weltweit die Nummer eins bei Fahrzeugen mit neuer Energie.
Der Start von BYD in Europa im Oktober 2022 blieb hinter den Erwartungen zurück. Welche Lehren hat das Unternehmen daraus gezogen und welche setzen Sie jetzt um?
BYD war in Deutschland bis 2024 über einen Importeur tätig – mit einer Struktur, die nicht zur Größe des Marktes gepasst hat. Daraufhin haben wir gemäß der Praxis von OEMs eine nationale Vertriebsgesellschaft gegründet. Derzeit bauen wir ein starkes lokales Team aus Branchenprofis auf. Es ist an der Zeit, das Händlernetz zu erweitern – und wir tun dies im BYD Tempo.
Wie lauten die Pläne und Ziele von BYD für die nächsten drei bis fünf Jahre in Europa?
Die Herausforderung, die europäischen Märkte erfolgreich zu betreten, motiviert und erdet uns zugleich. Unser Ziel ist es, in den kommenden Jahren eine starke Marktposition zu erreichen. Dabei navigieren wir durch globale wirtschaftliche Unsicherheiten – und das mit dem festen Willen, zu wachsen. Entsprechend soll die Infrastruktur so aufgebaut werden, dass BYD als europäischer Automobilhersteller wahrgenommen wird, sprich nationale Vertriebsgesellschaften, lokale Prozesse, lokale Händler, lokale Produktion.
Wie will BYD das erreichen?
Schritt für Schritt und das sehr fokussiert. So bauen wir nicht nur ein starkes lokales Team sowie ein hochwertiges Händler- und Servicenetz auf, sondern wollen auch die Markenbekanntheit und das Vertrauen in BYD Produkte sowie Innovationen steigern. Die Produkte von BYD sind hervorragend und entsprechen den Erwartungen europäischer Kunden: Jetzt gilt es, potenzielle Kunden dazu zu bringen, BYD kennenzulernen und sie an die Marke heranzuführen. Das ist immer der Beginn einer Reise. Schon jetzt ist das Kundenfeedback zu BYD in allen Märkten sehr vielversprechend.
Wie beurteilen Sie das Marktpotenzial und die Zukunft des Pkw-Marktes in Europa?
Ich schätze die Marktsituation als sehr dynamisch, recht vielfältig und im Wandel begriffen ein, denn die Kunden verändern sich: So bringen neue Generationen neue Prioritäten und Bedürfnisse sowie ein anderes Kaufverhalten mit sich. Kundenkomfort heißt also die Aufgabenstellung des Marketings an die F&E-Abteilung – und genau so baut BYD seinen Wettbewerbsvorteil auf.
Was erwarten Sie sich von der neuen Partnerschaft mit dem Autoaboanbieter Finn in Deutschland?
Partnerschaften wie diese bieten uns eine hervorragende Gelegenheit, potenzielle Kunden in unsere Autos zu bringen – nicht nur als Fahrer, sondern auch als Mitfahrer. Jeder, der am Steuer eines BYD saß, erkennt sofort die Vorteile und die Einzigartigkeit der Fahrzeuge. Selbstverständlich wird durch die Partnerschaft mit Finn auch die Sichtbarkeit der Marke BYD gesteigert. Das Feedback, das wir seit dem ersten Tag erhalten, ist jedenfalls großartig.
Wie lautet das Ergebnis der BYD Marketingkampagne rund um die Fußball-Europameisterschaft 2024?
Es war eine beeindruckende und unmittelbare Markenpräsenz: Kunden aller Art und aus allen Ländern wurden auf BYD aufmerksam und neugierig. Es war eine sehr erfolgreiche Initiative.
Das BYD Markenimage gilt es noch zu entwickeln. Wer ist der typische BYD Kunde?
BYD ist ein Technologieunternehmen. Daher heißen wir vor allem Kunden willkommen, die sich für die neuesten automobilen Technologien begeistern, aber auch bereit sind, neue Lösungen für ihren Komfort zu entdecken – zeitgemäß und modern. Nehmen Sie beispielsweise unseren DM-i-Motor (Anmerkung der Redaktion: Dual Mode intelligent; diese intelligente Steuerung wechselt automatisch zwischen rein elektrischem Fahren, reinem Verbrennungsantrieb – hauptsächlich zur Batterieladung – und einer Hybridvariante, um Effizienz und Leistung zu optimieren): die perfekte Lösung für „zwei Autos in einem“ mit beeindruckender Reichweite und kompromisslosem Komfort zu einem erschwinglichen Preis. Erschwinglichkeit ist im Übrigen ein zentraler Aspekt im Technologieansatz von BYD, denn wir bauen Autos für alle. Das bestätigt sich auch in der Vielfalt unserer Kunden. Dabei ist klar: Wer sich für ein Fahrzeug der BYD Gruppe interessiert, dem sind Nachhaltigkeit und der Abschied vom reinen Verbrennungsmotor wichtig – verbunden mit Komfort und intelligenter Technologie.
Welche Bedeutung hat die Plug-in-Hybrid-Technologie für BYD in Europa?
Diese hat eine große Bedeutung, denn sie beantwortet mit Technologie die Bedürfnisse der Kunden im Übergang zur Elektromobilität. BYDs Super-DM-Technologie ist ideal für alle Kunden, die noch nicht bereit für rein elektrisches Fahren sind, aber offen dafür. Unser „Dual Mode intelligent“-Hybrid ist ein intelligenter Reichweitenverlängerer: BYDs elektrische Leistungsfähigkeit mit Blade-Batterie und 100 Kilometern Reichweite kombiniert mit einem sehr effizienten Benzinmotor. Der Seal U DM-i mit einer Reichweite von bis zu 1.080 Kilometern war in allen Märkten ein großer Erfolg. Weitere DM-i-Modelle werden folgen: Wir haben gerade den Seal 6 DM-i Touring eingeführt, einen hervorragenden Kombi mit bis zu 1350 km Reichweite.
Welche Rolle wird die Schwestermarke Denza für BYD in Europa spielen?
Denza ist unsere Premiummarke, die wir zum Jahreswechsel in Europa einführen werden. Sie verbindet modernste Technologie mit Eleganz und Komfort. Wir starten mit drei Modellen und werden unser Produktportfolio bereits 2026 deutlich erweitern.
Wird BYD auch eine „Budget-Marke“ und damit eine preisgünstigere Alternative einführen, wie es Nio getan hat?
Mit unserem kürzlich eingeführten Kleinwagen Dolphin Surf, einem Fahrzeug im A-Segment, das sich wie eines im B-Segment anfühlt, machen wir das vollelektrische Auto für jedermann zugänglich – mit einem intelligenten Produkt von hoher Qualität und schönem Design. Die Kunden lieben es.
Wie wird BYD mit Importzöllen, CO2-Zielen und dem anhaltenden Preiskampf umgehen?
Ab Anfang 2026 werden wir Fahrzeuge in unserem neuen Werk in Ungarn produzieren – BYD Produkte hergestellt in Europa für Europa. Als Hersteller ausschließlich elektrifizierter Fahrzeuge verpflichtet sich BYD der Verbesserung der CO2-Bilanz.
Ungarn wird also das künftige Hauptquartier für die BYD Aktivitäten in Europa. Aber werden Sie denn dort die notwendigen Ressourcen und Fachkräfte finden?
Davon bin ich rundherum überzeugt. Wir werden mit mehreren Universitäten in Ungarn zusammenarbeiten, um hochqualifizierte junge Mitarbeiter für unser Hauptquartier und unser Forschungs- und Entwicklungszentrum zu gewinnen. BYD wird ein interessanter Arbeitgeber für Menschen aus ganz Europa sein – Sie können sich nicht vorstellen, wie viele sich täglich bei mir melden, um ihr Interesse zu bekunden. Wir wurden im Übrigen gerade erst zum attraktivsten Arbeitgeber unter allen chinesischen Unternehmen in Deutschland gewählt (Anmerkung der Redaktion: Sieger Automotive TopCareer Award 2025 sowie attraktivster Arbeitgeber in der Kategorie „Chinesische Automobilhersteller“ bei IfA und Automobilwoche).
BYD ist führend in der Batterietechnologie, die Stichworte lauten Blade Battery für Lithium-Eisenphosphat-Akkumulatoren oder Flash Charging für ultraschnelle Ladevorgänge, aber auch bei der Kommerzialisierung von Fahrerassistenzsystemen, Stichwort BYD God‘s Eye in China. Wie werden Sie diese Vorteile sowie den Aufbau der Megawatt-Ladestruktur in Europa nutzen?
Wir profitieren auch von den mehr als 120.000 Ingenieuren, die für BYD arbeiten. Die von Ihnen genannten innovativen Technologien sind nur ein Beispiel dafür, was es bedeutet, wenn ein Unternehmen wie BYD mehr als 45 Patente pro Arbeitstag anmeldet. Wie und wann wir diese bahnbrechenden Innovationen genau nach Europa bringen, kann ich Ihnen heute hier nicht sagen. Klar ist jedoch: BYD eigene Innovationen sind integraler Bestandteil der BYD Produkte.
Wie wird BYD auf den EU-Batteriepass reagieren?
Wir begrüßen den Herkunftsnachweis für Batterien, denn Transparenz und Vertrauen sind für uns von großer Bedeutung.
BYD hat in China den Preiskampf verschärft. Früher sagten Sie ausdrücklich, dass Sie dies in Europa nicht tun würden. Wie sieht die Realität aus?
BYD wird seine Produkte in Europa zu wettbewerbsfähigen Preisen und Leasingraten anbieten. Wir sind keine Billigmarke und werden auch nicht als solche wahrgenommen. Was BYD Fahrzeuge in allen Segmenten auszeichnet, ist ein einzigartiges Preis-Leistungs-Verhältnis. So werden unsere Modelle bereits in der Basisversion mit den innovativsten Technologien angeboten – das sogenannte „Value for Money’“ liegt über dem Durchschnitt.
Die Verkaufszahlen hierzulande im ersten Halbjahr zeigen verbesserte Ergebnisse für BYD. Wie lauten Ihre wichtigsten Ziele für das laufende Jahr?
Unsere wichtigsten Ziele sind der Aufbau lokaler Organisationen, eines landesweiten Händler- und Servicenetzes, die Einführung neuer Fahrzeuge und stetiges Wachstum. Dieses Jahr legen wir die Grundlagen für die nächsten Meilensteine und Erfolge.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Davino.
Autor Peter Paul Keizer, Abbildung: BYD










