Weil sich viele junge Menschen keinen Führerschein mehr leisten können hat sich aufgrund dieses politischen Drucks das Bundesverkehrsministerium (BMV) dazu gezwungen gesehen, entsprechend zu reagieren. Hinzu tritt das Problem zahlreicher nicht bestandener theoretischer und praktischer Fahrerlaubnisprüfungen, wie das Ergebnis des Jahres 2024 in der folgenden Aufstellung sichtbar wird:
– Theoretische Prüfungen insgesamt: 2.009.050
– davon nicht bestanden 829.045
– Praktische Prüfungen insgesamt: 1.798.479
– davon nicht bestanden 540.354
Zudem muss bei diesem Thema zwingend ergänzt werden, dass es sich bei den 18- bis 24-jährigen Fahrerinnen und Fahrern um die Gruppe von Fahrerlaubnisinhabern handelt, die das mit Abstand höchste Unfallrisiko im Straßenverkehr trägt. Im Jahr 2024 wurden im Straßenverkehr 319 junge Erwachsene getötet, sodass 11,5 Prozent aller Getöteten im Straßenverkehr im Alter von 18 bis 24 Jahren waren, obwohl sie nur jede 14. Person in der Gesamtbevölkerung (7,2 Prozent) ausmachen. Diese überproportional betroffene Risikogruppe benötigt daher einen besonderen Schutz und der sollte bereits in einer qualitativ hochwertigen Fahrausbildung beginnen.
Es gibt in Deutschland keine Pflicht zum Erwerb der Fahrerlaubnis. Vielmehr ist es ein Vorrecht, einen Antrag auf Erwerb einer Fahrerlaubnis stellen zu dürfen. Und wenn die Voraussetzungen durch zwei bestandene Prüfungen erfüllt werden, erhalten die Kandidaten auch das angestrebte Dokument und dürfen legal Fahrpraxis im öffentlichen Straßenverkehr erwerben.
Vollmundig verkündete der amtierende Bundesverkehrsminister, Patrick Schnieder (CDU), im Oktober seine Ideen zur Reform der Fahrschülerausbildung. Damit ist die verkehrspolitische Diskussion eröffnet und es können von den zuständigen Referenten im BMV novellierte Vorschriften in der Fahrschüler-Ausbildungsordnung erarbeitet werden.
Die Reformvorschläge in der theoretischen Fahrausbildung
Der Minister schlägt vor:
• Abschaffung der Pflicht zum Präsenzunterricht
• Abschaffung der Vorgaben zu Schulungsräumen
• Reduktion des Fragenkataloges für die theoretische Fahrprüfung
Wenn einzelne Elemente des Theorieunterrichts auch digital ermöglicht werden, benötigen die jungen Menschen dennoch ansprechbare Verkehrspädagogen, die eine Fehlerkorrektur ermöglichen. Das Erlernen der richtigen Beantwortung der weit mehr als 1.000 Fragen für die theoretische Fahrerlaubnisprüfung war bisher schon mittels einer App möglich, garantiert allerdings nicht mehr und nicht weniger, als das korrekte Beantworten, sprich: Gutes Auswendiglernen ermöglicht ein Bestehen der Prüfung, garantiert aber kein Verständnis der Zusammenhänge zwischen den Verkehrsregeln und dem sicheren Fahren im Straßenverkehr.
Ein transparentes Ausbildungscurriculum, das den pädagogischen Anforderungen gerecht wird, wäre die Grundlage für eine bessere Prüfungsbilanz. Begleitende Lernstandserfassungen und -kontrollen sollten den jungen Kandidatinnen und Kandidaten rechtzeitig Rückmeldungen geben, ob sie sich auf dem richtigen Weg zu einer erfolgreichen Prüfung befinden oder nicht.
Dass der umfangreiche Fragenkatalog inhaltlich überarbeitet werden sollte, ist ebenso wenig fraglich wie die Entbürokratisierung der statischen Vorgaben für die Gestaltung von Prüfungsräumen, die schon längst hätten gestrichen werden können. Dies gilt übrigens ebenso für die Träger der Begutachtungsstellen für Fahreignung, die auch unter den bürokratischen Anforderungen leiden, die vom BMV aufgestellt wurden und von der Bundesanstalt für Straßen- und Verkehrswesen praktisch umgesetzt werden müssen. Diese statischen bürokratischen Pflichten im gesamten Fahrerlaubniswesen tragen nirgendwo zu einer Qualitätsverbesserung bei, sondern kosten sinnlos Zeit und Geld hochqualifizierter Fachleute, die anders sinnvoller arbeiten könnten.
Die Reformvorschläge in der praktischen Fahrausbildung
Der Minister schlägt vor:
• Schaffung von Möglichkeiten, verstärkt Simulatoren zu nutzen
• Reduktion der Anzahl besonderer Ausbildungsfahrten (Nachtfahrten, Autobahnfahrten, Überlandfahrten)
• Verkürzung der Fahrzeit in der praktischen Prüfung auf die europarechtlichen Mindestvorgaben (25 Minuten)
• Reduktion der Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten für die Fahrschulen
• Diskussion der Integration nahestehender Personen in die Fahrausbildung (Laienausbildung)
Der Vorgang des manuellen Schaltens eines Kraftfahrzeuges kann man auch im Schonraum am Fahrsimulator üben, den manuellen Vorgang an sich kann man jedoch nicht mit dessen praktischer Umsetzung im fließenden Verkehr gleichsetzen. Schaltvorgänge müssen sozusagen „in Fleisch und Blut“ übergehen. Es muss eine Fahrroutine erworben werden, die in den wenigen Stunden der praktischen Fahrschulausbildung nur ansatzweise erlernt werden.
Für die Simulatorschulung muss allerdings zwingend ein pädagogisch-didaktisches Ausbildungskonzept gefordert werden, das bestenfalls mit Unterstützung von Institutionen wie dem Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) oder der Unfallforschung der Deutschen Versicherer (UDV) erarbeitet und praktisch begleitet wie auch evaluiert wird.
Wenn die vorgeschriebenen besonderen Ausbildungsfahrten à 45 Minuten außerhalb geschlossener Ortschaften auf Bundes- oder Landstraßen reduziert oder in die Simulatorausbildung verlagert werden sollten, fehlt ebenfalls der direkte Kontakt zu anderen Verkehrsteilnehmern, sprich: der notwendige Transfer der erlernten Fahrvorgänge in die Praxis wird eingeschränkt und praktische Fahrerfahrung wird reduziert. Wie soll eine Autobahnfahrt ohne echte Autobahn und eine Nachtfahrt ohne die 360-Grad-Nacht rund um ein Fahrschulfahrzeug simuliert werden? Realitätsverlust kann kein Argument zur Reduktion besonderer Ausbildungsfahrten sein, weil es einen Qualitätsverlust darstellen würde.
Die Reduzierung von Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten für die Fahrschulen wäre allerdings ein Fortschritt, weil dadurch überflüssige Bürokratie abgebaut werden könnte.
Eine Verkürzung der Dauer einer Prüfungsfahrt auf maximal 25 Minuten würde die Fehlerwahrscheinlichkeit natürlich vermindern und mit einiger Wahrscheinlichkeit die Durchfallquote senken. Aber würde die generell sehr hohe Unfallgefahr für die Risikogruppe der jungen Fahrerinnen und Fahrer dadurch negativ beeinflusst werden? Man wird es beobachten müssen.
Weitere Reformvorschläge
Der Minister schlägt vor:
• Kosten und Durchfallquoten aller Fahrschulen sollen im Internet transparent gemacht werden, damit ein realistischer Kosten- und Qualitätsvergleich ermöglicht wird
• entbürokratisierende Vorschläge sollen auch auf den Erwerb anderer Führerscheinklassen (wie beispielsweise. LKW) erarbeitet werden
Ein transparenterer Markt der Fahrschulausbildung ist sicher erstrebenswert und ebenso die öffentliche Darstellung der Durchfallquoten, weil es für eine Fahrschule durchaus ein Qualitätsmerkmal ist, wenn sie ihre Fahrschüler erfolgreich durch den Prüfungsprozess begleitet. Ebenso müssen ja auch die Träger besonderer Aufbauseminare gemäß §§ 35, 36 Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) den Erfolg ihrer Maßnahmen gegenüber der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) statistisch nachweisen. Eine solche Qualitätskontrolle ist auch für Fahrschulen einzufordern.
Fazit
Eines ist klar: Das Thema der Bezahlbarkeit des Erwerbs der Fahrerlaubnis darf nicht auf Kosten der Sicherheit gelöst werden. Wäre dies der Fall und würde die Unfallbeteiligung dieser Risikogruppe weiterhin auf dem derzeitigen hohen Stand verweilen, wäre nichts gewonnen und das BMV würde seinem Auftrag, die Angehörigen der Risikogruppe zu schützen, nicht gerecht werden.
Glücklicherweise hat der Bundesverkehrsminister erst einmal einen Diskussionsprozess angestoßen. Das ist gut so. Die zahlreichen Verkehrsverbände werden bei den zu novellierenden Vorschriften inhaltlich beteiligt und dürfen gegenüber dem BMV ihre Stellungnahmen abgeben und die Länder dürfen im Bundesrat ebenfalls mitdiskutieren und müssen mitentscheiden. Durch diesen demokratischen Prozess können bei diesem sensiblen Thema potenzielle Fehler zu Lasten der Verkehrssicherheit vermieden werden.
Warum allerdings die in unserem Nachbarland Österreich seit einiger Zeit erfolgreich praktizierte zweite Ausbildungsphase im Zuge der anstehenden Reform nach Ansicht des BMV nicht diskutiert werden soll (siehe dazu auch „weiterführende Links“), ist unverständlich; denn der Fahrerlaubniserwerb sollte zwar nicht an fehlenden finanziellen Voraussetzungen scheitern, aber eine qualitative Verbesserung der Fahrausbildung durch weitere praktisch erprobte verkehrspädagogische Innovationen wäre schon sehr vorteilhaft, um die Unfallgefahren für diese Risikogruppe zu senken.
Weiterführende Links
Fahrerlaubnisprüfungen 2024
hier klicken
Reformvorschläge BMV
hier klicken
Fahrschüler-Ausbildungsordnung
hier klicken
Evaluation der zweiten Ausbildungsphase in Österreich
hier klicken
UDV: Unfallrisiko und Präventionsmaßnahmen für junge Pkw-Fahrer:innen
hier klicken
Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht, Verkehrssicherheit und Verkehrspolitik.
Illustration: Rosy/Pixabay










