„Vielen Dank, dass Sie Ihren ‚Refleks’ verwenden, wenn Sie im Dunkeln unterwegs sind.“ Mit freundlichen Worten richtet sich die norwegische Straßenverwaltungsbehörde „Statens Vegvesen“ an die Bürgerinnen und Bürger des Landes, sie möchten als Fußgänger oder Radfahrer doch bitte auf ihre Sichtbarkeit im Straßenverkehr achten und stets ihren „Refleks“ benutzen, wie die reflektierenden Blinkis in Norwegen genannt werden. Selbstverständlich mahnt die staatliche Stelle, dass man nicht nur an sich denken soll: „Wenn Sie dann auch noch an den Refleks für Kinderwagen und Hund denken, können Sie sich auf die Schulter klopfen.“ Schließlich sind die Refleks „die einfachste Sache, die Sie und die Ihren schützt“.
Die Blinkis haben in Norwegens Verkehrssicherheitsarbeit ihren festen Platz. Das nordeuropäische Land wird in lange, dunkle Winter gehüllt, und weil die allermeisten Menschen auf dem Land leben, sind sie oft zu Fuß oder auf dem Fahrrad unterwegs. Da sollten sie gerade auf den unbeleuchteten Landstraßen gut zu sehen sein. „Wussten Sie“, fragt Rita Aarvold, bei Statens Vegvesen zuständig für die Verkehrssicherheit, „dass ein Autofahrer, der mit 50 km/h und Abblendlicht fährt, nur zwei Sekunden Zeit hat, um Sie als Fußgänger zu erkennen?“ Mit Refleks verfünffacht sich die Zeit auf zehn Sekunden. Die können, so Aarvold weiter, „den Unterschied ausmachen, ob Sie verunglücken oder die Reise fortsetzen.“ Immerhin ereignen sich in Norwegen vier von zehn Fußgängerunfällen während der dunklen Tageszeit.
Alles dreht sich um Reflektoren
Die Behörden tun einiges, damit der Refleks Verbreitung findet. Jedes Jahr Mitte Oktober, wenn die Autofahrer in Deutschland von den Werkstätten zu den Lichttestwochen eingeladen werden, findet in Norwegen der „Refleksdag“ statt, der Blinki-Tag. Dann gibt es Preisausschreiben, Mitmachaktionen und Informationsveranstaltungen im ganzen Land: nicht nur auf der Straße, sondern auch in Schulen und Kindergärten, in Unternehmen und Organisationen. Ganze Ausstellungen werden auf die Beine gestellt, und an vielfrequentierten Straßen werden Blinkis kostenlos verteilt – was im vergangenen Jahr coronabedingt ausfallen musste. Aber auch sonst sind die kleinen Reflektoren nahezu überall zu erwerben, sogar in Apotheken und Buchläden.
Für den Refleksdag 2020 hatte ein Künstler eigens eine Kollektion entworfen: Design-Blinkis mit kunstvoll changierenden Phantasie-Mustern, mit Rosen- und Pinguinmotiven. Ihr Schöpfer sagte: „Es ist wichtiger denn je, gesehen zu werden. Sowohl Kinder als auch Erwachsene sind oft in ihren eigenen Blasen, wenn sie sich im Verkehr bewegen, und sind sich daher der Gefahren weniger bewusst.“
Der Refleksdag findet regelmäßig seit 2006 statt, organisiert von „Trygg Trafikk“ (Sicherer Verkehr), dem halbstaatlichen Pendant zum Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR), in Zusammenarbeit mit der Versicherungswirtschaft. Nach über 14 Jahren ist das Engagement von Erfolg gekrönt: Von den 5,4 Millionen Norwegerinnen und Norweger nutzen 40 Prozent ihren Refleks, wenn sie unterwegs sind, hat Statens Vegvesen ermittelt. Die kleinen Reflektoren sind zu einem nicht wegzudenkenden Bestandteil im Alltag der Norweger geworden, so selbstverständlich, da muss sich niemand genieren.
Tipps für die Praxis
Damit es so bleibt, ruft Trygg Trafikk die Bürgerinnen und Bürger auf: „Nehmen Sie sich fünf Minuten am Refleksdag und befestigen Sie Blinkis an Jacken und Taschen oder kaufen Sie Kleidung mit aufgenähten Reflektoren. Je mehr, desto besser. Dann können Sie im Alltag an eine Sache weniger denken und sind im Dunkeln sicher.“ Die Experten in Oslo empfehlen, den Reflektor auf Kniehöhe anzubringen. Dort wird er am schnellsten vom Scheinwerferlicht der Autos getroffen. Am besten befestigt man ihn mit einem starken Faden und einer Sicherheitsnadel, dann baumelt der Blinki beim Gehen oder Radfahren schön hin und her und macht so auf sich und seinen Träger aufmerksam. Man kann auch flexible Bänder aus reflektierendem Material kaufen, die man sich oberhalb des Fußes um die Hose wickelt; das schützt beim Radfahren auch noch vor Schmutz.
Mit der Zeit nutzen sich die Reflektoren jedoch ab. Kratzer und Verschleiß machen sie stumpf und unbrauchbar, dann sollte man sie austauschen. Gut geeignet sind auch Warnwesten, wie man sie für das Auto verwendet. Sie sind leicht, gut zu verstauen, einfach an- und auszuziehen und nicht zu übersehen. Die Vegvesen-Fachleute empfehlen: „Wenn die Weste zwanzigmal gewaschen wurde, wird der Reflexionseffekt so stark abgeschwächt, daß es Zeit wird, eine neue zu kaufen.“ Und nach wie vor gilt natürlich die alte Regel: Wer als Fußgänger tags oder nachts unterwegs ist sollte immer auf der linken Straßenseite laufen.
(Kristian Glaser/kb)
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