//Das Gespenst der Überkapazität: 30.000 Arbeitsplätze bei VW gefährdet

Das Gespenst der Überkapazität: 30.000 Arbeitsplätze bei VW gefährdet

IG Metall und Betriebsrat kündigen Widerstand gegen den angekündigten Arbeitsplatzabbau an. Der niedersächsische Ministerpräsident Weil kritisiert  die verfehlte Modellpolitik. Auch in China soll ein VW Werk vor dem Aus stehen.

Ungenannte Kreise in der Konzernleitung sollen den Abbau von mittelfristig bis zu 30.000 Arbeitsplätzen bei der Marke VW in Deutschland fordern. Das berichtet das „Manager-Magazin“. Von den hierzulande 130.000 VW Beschäftigten verlöre dadurch fast jeder vierte seine Stelle. Besonders hart könnte es dem Artikel nach für die Mitarbeiter im Bereich Forschung und Entwicklung kommen. Dort sollen 4.000 bis 6.000 der insgesamt 13.000 Jobs zur Disposition gestellt werden. Die für Investitionen vorgesehenen Finanzmittel für den Zeitraum von 2025 bis 2029 sollen um zehn Milliarden Euro gekappt werden.

Klar ist für VW: Die Kosten müssen runter

Von VW gibt es bislang weder eine Bestätigung des Berichts noch ein Dementi. Eine Konzernsprecherin sagte lediglich: „Klar ist: Volkswagen muss an seinen deutschen Standorten seine Kosten reduzieren.“ Die Marke brauche ausreichend Geld für Zukunftsinvestitionen. „Wie wir gemeinsam mit der Arbeitnehmervertretung dieses Ziel erreichen, ist Teil der anstehenden Gespräche“, so die Sprecherin.

Mehr Geld für Dividendenausschüttungen, weniger für Investitionen

Bereits in der bisherigen Finanzplanung sollte die Investitionsquote bei VW ab  dem kommenden Jahr gesenkt werden. Waren 2023 und 2024 mindestens 13,5 Prozent vom Umsatz für neue Anlagen, Antriebe, Batterien, Software und Fahrzeugtechnik geplant (36,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr), soll die Quote 2027 auf unter elf und 2030 auf unter neun Prozent gedrückt werden. Das hatte Konzernchef Oliver Blume vergangenes Jahr angekündigt, nachdem Aktionäre die Investitionsausgaben immer wieder als zu hoch kritisiert und mehr Geld für Dividendenausschüttungen angemahnt hatten. Nachdem das Unternehmen kurz zuvor auf eine Rendite von drei Prozent gekommen war, gab VW Markenchef Thomas Schäfer im Sommer 2023 eine Steigerung auf 6,5 Prozent als Ziel aus. Zu diesem Zweck sollten Minderausgaben in Höhe von acht bis neun Milliarden Euro erreicht werden. Als zentrale Maßnahme sah Schäfer die markenübergreifende Produktion von Automodellen mit gleicher technischer Plattform von Seat, Škoda, VW Pkw und VW Nutzfahrzeuge in einer Fabrik vor. Gleichzeitig sollte die Variantenvielfalt reduziert werden.

Kein Tabu mehr: betriebsbedingte Kündigungen

Doch nun trifft der Einbruch der Nachfrage speziell VW hart. Vor der Pandemie hatte man noch mit einer jährlichen Produktion von konzernweit zwölf bis 14 Millionen Modellen gerechnet, doch im vergangenen Jahr waren nur rund zehn Millionen Einheiten verkauft worden. Das Gespenst der Überkapazität geht um. Vor wenigen Wochen spekulierte Konzernfinanzchef Arno Antlitz in der Öffentlichkeit über das Aus von zwei VW Werken, eines davon in Deutschland. Zuvor hatte die Konzernleitung die seit vielen Jahren geltende Beschäftigungsgarantie für die VW Mitarbeiter in Deutschland aufgekündigt. Ein Novum in der jüngeren Geschichte des von einer starken Mitbestimmung geprägten Unternehmens. Dadurch sind ab 2025 betriebsbedingte Kündigungen möglich.

Allgemeine und hausgemachte Faktoren der Krise

Fakt ist: Die neuartigen Elektroautos, auf die nahezu alle internationalen Hersteller setz(t)en, verkaufen sich sehr schlecht. Die Verbraucher sind seit Pandemie und Ukraine Krieg verunsichert und zögern größere Anschaffungen hinaus. Die Unsicherheit wird dadurch noch gesteigert, dass niemand mit Gewissheit zu sagen vermag, wie es mit den E-Autos weitergeht und ob die Verbrenner nicht doch eine längere Zukunft vor sich haben. Dem VW Konzern stehen jedenfalls harte Auseinandersetzungen bevor – zwischen den Topmanagern und der sie stützenden Eigentümerfamilie Porsche-Piëch und andererseits der IG Metall, dem Betriebsrat und dem Land Niedersachsen als Aktionär. Die Landesregierung in Hannover, aktuell von der SPD geführt, verfügt per Gesetz über eine Sperrminorität in strategischen Fragen des Konzerns.

In der Belegschaft brodelt es

Derweil brodelt es in der Belegschaft. Betriebsratschefin Daniela Cavallo erklärte, für den Erhalt aller Werke kämpfen zu wollen. Zu der Spekulation über 30.000 gefährdete Arbeitsplätze erklärte der Gesamtbetriebsrat: „Diese Zahl entbehrt jeglicher Grundlage und ist einfach nur Schwachsinn.“ Auch die IG Metall stellte klar, dass Massenentlassungen und Standortschließungen mit der Gewerkschaft nicht zu machen seien. Zu den „Abbauphantasien“ im Management erklärte die IG Metall, dass ein Kahlschlag keine Perspektive schaffe. Benötigt werde ein tragfähiges Zukunftskonzept für alle Standorte. Für die Gewerkschaft haben Managementfehler zur VW Krise beigetragen. Kritisiert wird, dass von der ursprünglichen Strategie mit qualitativ guten und verhältnismäßig preisgünstigen Volumenmodellen wie Käfer, Polo und Golf abgewichen wurde, etwa durch die Entwicklung der Oberklasselimousine Phaeton, die 2016 wegen Misserfolgs eingestellt werden musste. Nun werkelt man bei VW seit vielen Jahren beispielsweise an einem günstigen Auto für den boomenden Markt in Indien und kommt zu keinem Ergebnis. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil brachte es auf den Punkt, indem er feststellte, dass eine Lücke im unteren Preissegment des E-Auto-Angebots bei Volkswagen klaffe. „Der Name Volkswagen ist Programm und muss mit Taten hinterlegt werden“, forderte der SPD Politiker, der dem Volkswagen Aufsichtsrat angehört.

E-Auto-Entwicklung in China verschlafen

In China bekommt VW seine E-Auto-Schwäche besonders drastisch zu spüren. In dem wichtigsten Markt des Konzerns wurde zu lange auf Verbrenner gesetzt und die E-Auto-Ent­wicklung vernachlässigt, während sich die chinesischen Käufer immer mehr für Stromer entscheiden. In der Folge bleibt der Autobauer aus Wolfsburg speziell auf seinen E-Autos sitzen. Im ersten Halbjahr 2024 machte er in China einen Gewinn von nicht einmal einer Milliarde Euro, während es im Gesamtjahr 2018 noch 4,6 Milliarden Euro waren. Schon wird über die Schließung einer mit dem chinesischen Autokonzern SAIC betriebenen Fabrik in Nanjing verhandelt.

Autor: Olaf Walther (kb); Abbildung: Pixabay/geralt