Die 3. Auflage des Women’s Leadership Day (WLD) 2025, die Netzwerk-Konferenz für Frauen in Führungspositionen der Automobilindustrie, brachte es erneut auf den Punkt: Um voranzukommen, sollten Frauen stärker zusammenarbeiten und sich gegenseitig fördern. Zudem dürften sie nicht still sein, wenn Unternehmen ihre Politik wegen Trump ändern, sondern gerade dann über die sozialen Medien Druck machen. Auch sollten sie sich die Konzerne aussuchen, die ihnen eine Entwicklung böten. Der WLD der Fachzeitschrift Automobilwoche in den Design-Studios der Münchner Macherei war auch 2025 ein absolutes Highlight für Frauen in der Automobilbranche. Der nächste WLD findet wieder in München, aber dieses Mal an zwei Tagen, nämlich am 18./19. März 2026, statt.
„Eine Automobilindustrie, die von Männern und Frauen geprägt ist, ist besser“: Mit diesen Worten eröffnete die WLD-Moderatorin und Redakteurin der Automobilwoche, Agnes Lehbrink, den inzwischen 3. WLD mit 250 Teilnehmerinnen. So belegen Studien, dass mehr Diversität zwar mehr Reibung und Kompromisse bedeutet – jedoch auch immer bessere Ergebnisse. Allerdings, so Lehbrink, gebe es derzeit viel Gegenwind für Frauen und die Frage sei, was noch alles komme.
Im ersten Panel des bisher am besten besuchten WLD zum Thema „Frauen. Führung. Future. Schwappt die Anti-Diversity-Welle aus den USA nach Europa? Warum starke Frauen in Schlüsselpositionen in unserer Industrie wichtiger sind denn je.“ nahmen Maria Anhalt, CEO Elektrobit Automotive, Wiebke Ankersen, Geschäftsführerin der AllBright Stiftung, und Sabine Scheunert, Geschäftsführerin Eurocentral, Dassault Systèmes, kein Blatt vor den Mund. Im Gegenteil. So stellte Wiebke Ankersen klar, dass Diversity in der Führung immer noch ein zartes Pflänzchen sei – bei der AllBright Stiftung konnte der Frauenanteil von sechs vor neun Jahren auf heute 20 Mitarbeiterinnen erhöht werden, dennoch sei insgesamt festzustellen, dass gerade in kritischen Situationen wieder lieber auf Männer in der Führungsetage zurückgegriffen werde.
Hinzu komme, dass die Trump-Regierung die Diversity-Bemühungen in den Firmen bekämpft. Im gleichen Atemzug habe beispielsweise SAP seine Zielsetzung von 40 Prozent Frauen in Vorständen wieder zurückgenommen. Damit sei SAP deutlich über das Ziel hinausgeschossen, obwohl es nicht notwendig gewesen wäre. Angesagt wäre stattdessen Rückgrat zu zeigen wie Apple, die weiter voll hinter Diversity stehen, und europäische Werte wie Verlässlichkeit hochzuhalten. Ankersen appellierte an die Frauen im Saal, niemals still zu sein, sondern vielmehr öffentlich Druck zu machen und weiterzukämpfen: „Es liegt an uns, ob wir uns von Trump überrollen lassen oder nicht.“
„Andere Frauen glänzen lassen“
Den Nerv traf auch Sabine Scheunert, Geschäftsführerin Eurocentral, Dassault Systèmes: „Frauen müssen miteinander Business machen.“ Tatsächlich sei es jedoch so, dass sich Frauen keine Geschäfte zuschustern würden. Getreu der Kette „Geschäft – Erfolg – Sichtbarkeit“ müsse es vielmehr möglich sein, andere Frauen glänzen zu lassen. Mit Blick auf ihren eigenen Karriereweg berichtet Scheunert, dass sie viel vom französischen System und der Selbstbestimmtheit der Frauen gelernt habe. So lasse sich nun einmal keine Französin die Möglichkeit nehmen, selbst zu bestimmen.
Die Wirtschaftsmathematikerin Scheunert, die sich bewusst für die Autobranche entschieden hat, war laut eigener Aussage im Übrigen nicht darauf vorbereitet und musste daher oft Federn lassen. Sie habe jedoch immer zu ihren eigenen Schwächen gestanden –Authentizität steht für sie seit jeher im Fokus. Aus ihrer Erfahrung heraus bei BMW, Mercedes oder auch Stellantis sowie als heutige CEO des französischen Technologiekonzerns Dassault Systèmes, in dem sie für acht europäische Länder zuständig ist, empfiehlt sie den Frauen, immer die Konzerne als Arbeitgeber zu wählen, die ihnen eine Entwicklungmöglichkeit böten.
Volltreffer / Foto: IFi Die Pressefrau
Diversity gerade in Krisenzeiten immens wichtig
Maria Anhalt, CEO von Elektrobit Automotive, einer hundertprozentigen Continental Tochter, führt ihr Unternehmen nach dem Grundsatz: Teams mit vielfältigen Hintergründen bringen unterschiedliche Perspektiven ein, was zu kreativeren und vielseitigeren Lösungen führt. Daher ist für Anhalt Diversity gerade in Krisenzeiten immens wichtig. Sie selbst habe sich im Übrigen ihre Position auf N-1, also auf die oberste Führungsebene, hart erarbeitet und dabei auch oftmals zu unbequemen Situationen ja gesagt. Der Sprung in einen DAX-Konzern hänge dagegen vor allem von Netzwerken und Glück ab, wie auch von den Aufsichtsräten und Headhuntern. Gerade Headhunter hätten für Frauen eine Katalysatorfunktion. Schließlich kämen zwei Drittel der Frauen in Führungspositionen von außen, dagegen seien zwei Drittel der Männer hier Eigengewächse.
Mit Blick auf die Bedeutung von Software-Skills bei Frauen stellte Anhalt klar, dass dies in anderen Ländern im Gegensatz zu Deutschland meist selbstverständlich sei. Jetzt gehe es darum, bei Frauen grundsätzlich mehr Softwarekompetenz zu fördern, MINT(Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik)-Programme für Mädchen an Schulen durchzuführen und junge Menschen, die sich für Software und IT interessieren, zu unterstützen. Schließlich, so Anhalt: „KI wird uns revolutionieren.“ Lifelong Learning und KI-Trainings würden daher wichtiger denn je.
Führung heißt, Haltung zu zeigen
In ihrem Vortrag „Führungskompetenz im internationalen Kontext: mit Könnensbewusstsein zum Erfolg“, stellte Nicole Haft-Zboril, Senior Vice President BMW Group Real Estate Management und damit verantwortlich für das internationale Immobilienportfolio ab der Planungs- und Bauphase für weltweit rund 3.000 Gebäude der BMW Group, klar, dass Führungsleistung gleichzusetzen ist mit einer Zusammenarbeit als höchster Form, um zum Erfolg zu kommen. Dabei gelte es Haltung bzw. Könnensbewusstsein zu zeigen. Dazu zähle, stabil zu bleiben und gleichzeitig wandlungswillig sowie bescheiden, jedoch selbstbewusst aufzutreten. Zudem sei viel Baugefühl und Achtsamkeit notwendig, denn schließlich gehe es beim Thema Führung um das Zusammenspiel von Höchstleistung und Bauchgefühl. Dass diese Komplexität zu bewältigen ist, davon ist die Managerin, die seit 27 Jahren in unterschiedlichen Positionen für BMW tätig ist, überzeugt: „Wir wachsen mit unseren Aufgaben.“
Frauen bei E-Autos skeptischer
Mit Blick auf die Ergebnisse der Mobility Consumer Pulse Studie ihres Hauses betonte Senior Partner McKinsey Ruth Heuss, dass Verbrenner künftig extrem zurückfallen werden. Allerdings stünden weibliche Autokäufer elektrischen Antrieben deutlich technologieskeptischer als Männer gegenüber. Als Argumente ins Feld führten die Frauen laut Studie fehlendes Laden zu Hause oder auch die Technologie selbst an. Laut Heuss habe es indes einen großen Sprung bei der Reichweite der Fahrzeuge gegeben und viele EV-Käufer seien daher heute sehr zufrieden. Gleichzeitig empfiehlt Heuss der Industrie mit Blick auf das Vordringen der Elektromobilität, jetzt vor allem die EV-Skeptiker zu überzeugen. Hier solle das Instrument der Testfahrten verstärkt genutzt werden. Was im Übrigen die Markenloyalität bei BEV betrifft, so kommt die Mobility Consumer Pulse Studie zum Ergebnis, dass die Menschen bei Elektrofahrzeugen wesentlich offener als bei Verbrennern sind: Die Switchquote beträgt bei BEV durchschnittlich 53 Prozent.
„Klarheit, Vertrauen und Freiheit – meine Art zu führen“
Patricia Stich, Vorständin Volkswagen Group Info Services AG, Head of Data Platform & Services Cariad, zog mit ihrem frei gehaltenen Vortrag „Klarheit, Vertrauen und Freiheit – meine Art zu führen“ das Publikum in ihren Bann. Geprägt hat Stich nach eigener Aussage vor allem die Mutter, die ihr geraten hatte, eine gute Ausbildung zu absolvieren und sich nie abhängig von anderen zu machen. Nach ihrem Betriebswirtschaftsstudium mit Schwerpunkt Vertriebssteuerung und Informatik war die IT-Expertin zunächst 14 Jahre für Continental tätig, wollte aber dann aufs Spielfeld, wie sie sagte, und wechselte zu Volkwagen Mobility Services digital & New Business.
Im Laufe ihrer Karriere musste sie, die sich zunächst über Führung keine Gedanken gemacht hatte, die Erfahrung machen, wie wichtig Scheitern und dann wieder aufzustehen ist, aber auch, wie bedeutend Loyalität und Integration sind. Gelassenheit habe sie im Übrigen in ihrer Zeit bei VW gelernt. Führung ist für Stich eine Haltung. Der Weg erfolgt über innere Klarheit, sagt Stich: „Unverbindlichkeit akzeptiere ich nicht.“ Überhaupt sei Zusammenarbeit das Salz in der Suppe von Führung. Stich empfiehlt daher auch, eigene Schwächen durch die Stärken anderer zu kompensieren. Klarheit, Vertrauen und Freiheit, aber auch an sich selbst glauben sind für Stich die Schlüsselworte für erfolgreiche Führung.
„It’s still a man’s world“ / Quelle: Capgemini Invent
Zusammen sind wir viele
Astrid Fontaine, seit Anfang 2024 Vorständin Personal und Arbeitsdirektorin der Schaeffler AG widmete sich in ihrem Vortrag dem Thema „Kultur, die verbindet: HR als Enabler für eine zukunftsfähige People Company“. Dabei ging es vor allem um die Integration von Vitesco „mit einer völlig anderen Kultur“ in die Schaeffler AG. Die Herausforderungen im Umfeld und die Zusammenführung seien groß und erforderten eine klare Führungsstruktur.
Laura Kronen, Partner Berylls by Alix Partners, berichtete über das Thema „More Perspectives – Vielfalt aus Überzeugung“ und arbeitete dabei heraus: „Zusammen sind wir viele. Wir brauchen viele Perspektiven, um komplexe Probleme zu lösen.“ Der Vortrag von Fredrika Klarén, Head of Sustainibility bei Polestar, mit dem Titel „When the world zigs, zag!“ unterstrich, dass die Autoindustrie durch hohe Transparenz die Nachhaltigkeit weiter klar vorantreiben kann. Christina Schehl, Executive Vice Präsident Capgemini Invent, hob in ihrem Vortrag „Built for men, marketed to all – Warum die Hälfte der Welt kein Nischenmarkt ist“ hervor, wie wichtig eine personalisierte Kommunikation sei, dass es nicht die Frau oder den Mann gebe. Ihre wichtigste Botschaft an das fast ausschließlich weibliche Auditorium: „Es ist an uns, damit es mehr weibliche Führungskräfte gibt.“ Authentizität und Ehrlichkeit in der Führung seien der Nährboden.
Five Women Joker: Für mehr Erfolg / Quelle: Capgemini Invent
„Juristerei auf dem Hochreck“
Den Preis für ihr Lebenswerk erhielt Renata Jungo Brüngger. Die gelernte Juristin war neun Jahre Vorstandsmitglied bei Daimler und dort verantwortlich für das Thema Integrität. Zwar hätten ihre viele abgeraten als Schweizerin und Frau in die damalige Daimler AG zu gehen, aber es habe sich gelohnt, dieses Risiko einzugehen. Sie sei stolz, in dieser Zeit die Mitarbeiter mitgenommen zu haben. Da ihre Vorstandstätigkeit jedoch in den Diesel-Skandal fiel, bezeichnete sie das Ganze offen und ehrlich als „Juristerei auf dem Hochreck“.
Ihre wichtigsten Tipps für Frauen in Führungspositionen: Erstens, sich fragen „Was will ich wirklich?“, und zweitens, „Wie viel Verantwortung will ich übernehmen?“. Wenn man für sich beide Fragen beantwortet hat, „dann reinspringen“, empfiehlt Renata Jungo Brüngger kurz und bündig. Für die Juristin geht es auch künftig beruflich weiter, u.a. mit einem Lehrauftrag an der HSG – aber jetzt will sie erst einmal Trekking in Nepal machen…
Die Erfolgsformel für Frauen / Quelle: Diconium Strategy
Automobilwoche Masterclass Sessions
Facettenreiche wie starke Inhalte boten die verschiedenen Masterclass Sessions des WLD 2025: Angefangen beim Workshop „Vom Stolperstein zum Meilenstein – Führung mit innerer Stärke ([bu:st] group), „Die Automobilbranche im Wandel – Wie sich Frauen am Entscheidertisch erfolgreich behaupten“ (Diconium Strategy GmbH) über „Wortsport – in einer Stunde zum LinkedIn-Post (BeMesmerized, Karen Funk), „Breite Brust statt breite Schultern – Gemeinsam als Frauen mehr erreichen“ (Polestar Automotive Germany), „Female Health – but make it executive. Unlock your inner leadersphip“ (Lejla Panddzi, T-Systems, Gertraud Gruber Kosmetik) bis hin zu „Erfolg ist kein Zufall – Zwischen eigenem USP, Sichtbarkeit und dem Mut sich selbst und das Unternehmen voranzubringen“ (Schaeffler AG).
Autorin: Isabella Finsterwalder; Abbildungen NadineStegemann
Abbildungen:
Aufmacherbild: Geballte Frauenpower auf dem Womens´s Leadership Day (WLD) 2025 in München
Abb. 1: Wurde von Burkhard Riering, Herausgeber und Chefredakteur der Automobilwoche, und Agnes Lehbrink, Redakteurin der Automobilwoche, für ihr Lebenswerk ausgezeichnet: Renata Jungo Brüngger, gelernte Juristin und 9 Jahre Vorstandsmitglied bei Daimler.
Abb. 2: Starke Aussagen von starken Frauen (v.l.): Wiebke Ankersen (Allbright Stiftung), Maria Anhanlt (CEO Elektrobit Automotive) und Sabine Scheunert (Geschäftsführerin Eurocentral Dassault Systèmes)
Abb. 3: Führte wieder hervorragend durch den WLD 2025: Automobilwoche Redakteurin Agnes Lehbrink
Abb. 4: Astrid Fontaine: Die diplomierte Wirtschaftsingenieurin sprach beim WLD 2024 noch als Personalvorständin für VW Nutzfahrzeuge. Jetzt berichtete sie als Vorständin Personal und Arbeitsdirektorin der Schaeffler AG über die Aktivitäten zur Integration von Vitesco in den Konzern.
Abb. 5: Frauen sind bei E-Autos skeptischer: Senior Partner McKinsey Ruth Heuss blickte auf zentrale Ergebnisse der Mobility Consumer Pulse Studie ihres Hauses.
Abb.6: Durch Transparenz zu mehr Nachhaltigkeit: Fredrika Klarén, Head of Sustainibility bei Polestar, ist überzeugt, dass die Autoindustrie hier viel vorantreiben kann.
Abb. 7: Zusammen sind wir viele: Laura Kronen, Partnerin Berylls by AlixPartners, sprach sich für Vielfalt aus.
Abb. 8: Es ist an den Frauen, dass es mehr weibliche Führungskräfte gibt: Davon ist Christina Schehl, Executive Vice Präsident Capgemini Invent, fest überzeugt.
Abb. 9: Erhielt den Preis für ihr Lebenswerk: Renata Jungo Brüngger. Die gelernte Juristin war neun Jahre Vorstandsmitglied bei Daimler.
Abb. 10: Klarheit, Vertrauen und Freiheit – meine Art zu führen: Patricia Stich, Vorständin Volkswagen Group Info Services AG, Head of Data Platform & Services Cariad, zog mit ihrem frei gehaltenen Vortrag das Publikum in ihren Bann.
Abb. 11: Nicole Haft-Zboril, Senior Vice President BMW Group Real Estate Management: „Wir wachsen mit unseren Aufgaben.“
Abb. 12, 13, 14: Impressionen eines wieder sehr eindrücklichen Women´s Leadership Day