//Müllers Kolumne: Führerscheinentzug EU-weit

Müllers Kolumne: Führerscheinentzug EU-weit

 Aktuell in der Diskussion: Ein Entzug der Fahrerlaubnis, die in ganz Europa gilt. 

Das Europäische Parlament und der Europäische Rat haben sich am 25. März 2025 unter Zustimmung der EU-Kommission, die diesen Vorschlag bereits im März 2023 auf den Weg gebracht hatte, auf ein zentrales Gesetzgebungsdossier geeinigt, das die Sicherheit auf den Straßen Europas verbessern soll. Mit der kommenden neuen Richtlinie soll sichergestellt werden, dass bei bestimmten, besonders schweren Verkehrsverstößen von Fahrerinnen und Fahrern eines Mitgliedstaats die von einem Staat getroffenen Sanktionen, insbesondere der Verlust der Fahrberechtigung, in der gesamten EU angewendet werden können.

Der Grund

In der EU gibt es zu viele Verkehrsunfälle mit Verkehrsunfallopfern, die von Tätern verursacht werden, die entweder kriminell handeln oder gefährliche Ordnungswidrigkeiten begehen. Wenn diese Täter nicht konsequent bestraft werden, handeln sie weiter wie bisher und gefährden weitere Menschenleben.
Aktuell darf die Fahrerlaubnis (in der EU spricht man fast überall nur vom „Führerschein“, wenn die Fahrerlaubnis gemeint ist; nur in Deutschland wird akribisch zwischen der Fahrerlaubnis und dem Führerschein, der das Dokument für die Fahrerlaubnis ist, unterschieden) eines Fahrers, der ein gefährliches Verkehrsdelikt begangen hat, nur von den Mitgliedstaaten weggenommen werden, die den Führerschein ausgestellt haben, das heißt, sie dürfen ein Fahrverbot nur für ihr jeweiliges Hoheitsgebiet aussprechen und durchsetzen.
Täter im Straßenverkehr bleiben bislang sehr oft straflos, weil entweder ihre Kontaktdaten für das Ermittlungsverfahren nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen oder aus diversen praktischen Gründen die Strafen nicht ausgesprochen und durchgesetzt werden können.

Die Neuregelung

Daher soll ein neues System eingeführt werden, mit dessen Hilfe ein Fahrverbot EU-weit ausgesprochen und durchgesetzt werden kann. Voraussetzung dafür ist es, dass ein Mitgliedstaat in einem Strafverfahren beschließt, einen Fahrer wegen einer auf seinem Territorium begangenen Straftat zu bestrafen und ihm gegenüber nicht nur ein Bußgeld oder eine Geldstrafe verhängt, sondern zusätzlich ein zeitweises Fahrverbot von mindestens drei Monaten oder sogar eine komplette Entziehung der Fahrerlaubnis beschließt.
Im nächsten Verfahrensschritt ist der Mitgliedstaat, in dem das Delikt begangen und bestraft wurde, dazu verpflichtet, den Ausstellungsmitgliedstaat über den Verlust der Fahrberechtigung über das EU-Führerscheinnetz (RESPER) zu informieren. Voraussetzung ist die Rechtskraft des Verfahrens, das heißt, dass der Rechtsweg von dem Täter ausgeschöpft worden ist. Der Mitgliedstaat, der den Führerschein ausgestellt hat, unterrichtet dann den Täter innerhalb von 20 Arbeitstagen nach Erhalt der Mitteilung und entscheidet, ob gegen den Täter ein Fahrberechtigungsverlust verhängt werden soll, sodass dieser daraufhin in der gesamten EU gilt und durchgesetzt werden kann.
Der Vorschlag der EU-Kommission umfasst besonders gefährliche Straßenverkehrsdelikte wie zum Beispiel eine sehr hohe Geschwindigkeitsüberschreitung, das Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss und die Verursachung von Tod oder einer schweren Körperverletzung infolge eines Verkehrsdelikts.

Die nächsten formalen Schritte

Im nächsten Schritt werden das Europäische Parlament und der Europäische Rat die neue Richtlinie verabschieden, sie tritt dann 20 Tage nach der Veröffentlichung im Amtsblatt der EU in Kraft. Die Mitgliedsstaaten haben dann vier Jahre Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

Die Bewertung

Es ist längst überfällig, dass gefährliche Fahrer mit Geltung für die gesamte EU für ihr gefährliches und oft charakterlich bedingtes Fehlverhalten sanktioniert werden können. Die Entziehung des Führerscheins und damit der Berechtigung, legal ein Kraftfahrzeug fahren zu dürfen, ist dabei die wirksamste Sanktion. Den drei beteiligten Institutionen der EU, also dem Parlament, dem Rat und der Kommission ist nur vorzuwerfen, dass sie diesen Erfolg versprechenden Schritt nicht schon viel früher gegangen sind.
Allerdings müssen die 27 Staaten der EU nun auch zügig handeln und vor allem die demnächst beginnende vierjährige Umsetzungsfrist deutlich verkürzen, wenn ihnen das Leben ihrer Bürger das wert ist. Danach müssen die Entziehungen nur noch in das europäische Führerscheininformationssystem RESPER eingegeben werden, damit diese Informationen von allen Polizisten und anderen berechtigten Personen online abgelesen werden können, damit das System auch tatsächlich funktioniert.
Für die Verkehrssicherheit auf den europäischen Straßen ist die Umsetzung von Sanktionen gegenüber gefährlichen Fahrern immer eine gute Maßnahme.  Das Sahnehäubchen auf diesem Projekt wäre aber noch eine zusätzliche medizinisch-psychologische Untersuchung der charakterlich besonders auffälligen Fahrer, als deren Ergebnis dann entweder eine Unbedenklichkeitsbescheinigung oder aber eine dauerhafte Entziehung der Fahrberechtigung stehen würde, wenn die Person auch weiterhin eine Gefahr für uns alle darstelle. Diese müssten dann auch in der gesamten EU gelten. Aber das wird wohl nie kommen …

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Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht, Verkehrssicherheit und Verkehrspolitik.

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