//Verkehrssicherheit von Kindern: Das schwierige Überqueren einer Straße

Verkehrssicherheit von Kindern: Das schwierige Überqueren einer Straße

Österreichische Forscher wollten herausfinden, ob Kinder, die Autofahrern einen Arm entgegenstrecken, sicherer über die Straße kommen. Nachfolgend die Ergebnisse einer Feldstudie.

Das Überqueren einer vielbefahrenen Straße ist für Fußgänger eine gefährliche Angelegenheit, selbst an Zebrastreifen. Immerhin registrierte das Statistische Bundesamt im Jahr 2022 mehr als 3.200 Verkehrsunfälle mit rund 3.600 Verletzten an diesen Fußgängerüberwegen in Deutschland – und das obwohl doch gerade die für Sicherheit sorgen sollen. Vor allem für Kinder stellt das Überqueren eine Herausforderung dar, denn sie müssen erst noch lernen, in dem schnellen und unübersichtlichen Straßenverkehr zurechtzukommen und die benötigten Fähigkeiten zu entwickeln. Diesem Problem nahm sich nun eine Gruppe österreichischer Psychologen und Verkehrserziehungsexperten an und führte eine Feldstudie mit Kindern durch.

 

Das Gefahrenbewusstsein im Fokus

 Wichtig und nicht ganz einfach ist für die Teilnahme am Straßenverkehr das Gefahrenbewusstsein. Nur wenn es gut herausgebildet ist, sind Kinder in der Lage, eigenständig über die Straße zu gelangen. Seit Ende der 90er Jahre weiß man aber, dass im Alter von fünf und sechs Jahren Gefahrensituationen erst dann bemerkt werden, wenn die potentielle Bedrohung bereits aufgetaucht ist. Ab acht Jahren kann man Risiken in „gelernten Situationen“ vorhersehen, und mit rund neun Jahren sind Kinder in der Lage, präventive Maßnahmen für ihre Sicherheit zu ergreifen. In der Wissenschaft geht man davon aus, dass der Nachwuchs erst mit etwa zwölf Jahren die sogenannte Tiefenwahrnehmung erlernt hat. Die ist für die Einschätzung von Entfernungen und das räumliche Sehen notwendig, etwa um ein sich schnell näherndes Fahrzeug realistisch einzuschätzen. Ein besonders schwieriges Problem ist, dass Kinder gern davon ausgehen, von einem Autofahrer gesehen zu werden, sobald sie selbst das Fahrzeug bemerkt haben. Das Prinzip „Wenn ich dich sehe, dann siehst auch du mich“ kann zu falschem Verhalten mit fatalen Folgen führen.

Zeichen per Arm oder Hand

Die österreichischen Forscher wollten nun herausfinden, ob Kinder an Zebrastreifen sicherer über die Straße kommen, wenn sie den Autofahrern mit dem Arm oder der Hand ein Zeichen geben. Dafür wurden sechzig Grundschulkinder zwischen sechs und acht Jahren in zwei Gruppen aufgeteilt. Die einen sollten Autofahrern ihre Absicht zum Überqueren der Straße mit einer Geste zu erkennen geben. Die Kinder der anderen Gruppe sollten ohne Armzeichen über die Straße gehen.

Warten, aber nicht umschauen

Nach dem Experiment wurden sowohl die Kinder als auch die Autofahrerinnen und Autofahrer befragt. Das Ergebnis: Beide Kindergruppen verhielten sich beim Überqueren zwar gleich. Doch wurde das Armzeichen von einer Mehrzahl der Autofahrerinnen und Autofahrern befürwortet, und die meisten „Armzeichen-Kinder“ fühlten sich sicherer als ihre Altersgenossen der Vergleichsgruppe. Erstaunt waren die Wissenschaftler, dass über 90 Prozent aller teilnehmenden Kinder ihre Fähigkeit, die Straße zu überqueren, als sehr gut einschätzten. „Solch hohe Bewertungen der eigenen Leistung deuten auf eine mögliche Selbstüberschätzung der Kinder hin“, lautet die Bewertung der Studienautoren. Interessant ist ferner die Entdeckung, dass die meisten Kinder am Straßenrand warteten, bis das herankommende Fahrzeug anhielt. Erst dann betraten sie die Fahrbahn. Allerdings „schaute ein Großteil der Kinder sich vor und während der Querung nicht oder nur unangemessen um“.

Idee eines Armzeichens bereits seit den 1970er

Die Idee eines Armzeichens im Straßenverkehr ist keineswegs neu. Bereits in den 1970er Jahren wurden Erstklässler in Westdeutschland ermuntert, den sich nähernden Autos den Arm mit erhobener Hand entgegenzustrecken, während sie über die Straße gingen. 1994 mussten Autofahrer in der Schweiz anhalten, wenn Fußgänger mit einem Armzeichen über die Straße wollten. Nach einem Einspruch wurde diese Regelung wieder aufgehoben.

Armzeichen: Ein Plus für die Verkehrssicherheit von Kindern

Als Resümee ihrer Feldstudie gehen die österreichischen Wissenschaftler davon aus, dass ein Armzeichen die Verkehrssicherheit von Kindern in der Tat verbessert. Nicht nur, dass die kleinen Menschen stärker auf sich aufmerksam machen. Mehr noch: Wer ein Armzeichen vor dem Überqueren einer Straße macht, muss am Gehweg kurz innehalten. Dadurch sind die Kinder gehalten, die Autofahrer und ihre Reaktion, dass beispielsweise gebremst wird oder eben nicht, konzentrierter wahrzunehmen. Allerdings gibt es eine Sache zu bedenken. Benutzen Kinder das Armzeichen, könnten sie zu dem Trugschluss verführt werden, dass ihre Geste ein jedes Fahrzeug und in jeder Situation zum Halten bringe. Denn das „Magische Denken“, die Annahme, man könne die Realität durch reine Willenskraft beeinflussen, ist bei Kindern bis ins Vorschulalter nicht ungewöhnlich.

Autorin: Beate Glasser (kb); Abbildung: pixabay