Am 31. Oktober trafen sich in der saarländischen Landeshauptstadt Saarbrücken rund 100 überregional tätige Verkehrsexperten verschiedenster Professionen und Institutionen, um die Chancen und Risiken der automatisierten und vernetzten Mobilität auszuloten. Das von der Forschungsgruppe Verkehrstelematik (FGVT) an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw) organisierte Symposium bot reichlich Diskussionsstoff, um dieses Zukunftsthema in den Fokus zu nehmen. Als Kooperationspartner auf Augenhöhe wirkten das Kompetenzzentrum Future-Transportation-Society (FTS) der htw saar und das Ministerium für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz (MUKMAF) mit.
Verkehrspolitischer Stellenwert
Vor dem Hintergrund, dass im Saarland das derzeit einzige genehmigte internationale Testfeld mit drei Staaten (DeuFraLux) existiert, ist es nicht verwunderlich, dass dieses Symposium politisch hoch angebunden war. Dies wurde insbesondere daran deutlich, dass die Ministerin für Umwelt, Klima, Mobilität, Agrar und Verbraucherschutz, Petra Berg, und der Minister für Finanzen und Wissenschaft, Jakob von Weizsäcker, persönlich – und nicht etwa durch subalterne Vertreter ihrer Ministerien – zwei (auch) inhaltlich bedeutsame Grußworte hielten, in denen sie politische Rahmenbedingungen und Wünsche an den Diskussionsverlauf der Veranstaltung formulierten. Bemerkenswert ist insbesondere die Tatsache, dass gerade aus diesem kleinen Bundesland ein auch politisch erwünschter Impuls für dieses wichtige Mobilitätsthema selbstbewusst nach außen getragen wurde. Ein abschließendes Grußwort des Oberbürgermeisters der Stadt Saarbrücken, Uwe Conrad, unterstrich den zukünftigen kommunalpolitischen Stellenwert der Mobilitätsthematik.
Impulsvorträge und Workshops
Der Arbeitsteil des Symposiums wurde eingeleitet durch fünf Impulsvorträge, wobei die Referenten schlaglichtartig die zentralen Bereiche des automatisierten und vernetzten Fahrens beleuchteten und dabei dieses technische Konzept kritisch in den Gesamtkontext der Mobilität in Deutschland einordneten.
Folgende Themen wurden von den Referenten vorgestellt:
1. Rechtslage beim automatisierten und vernetzten Fahren, Prof. Dr. jur. Dieter Müller (Hochschule der Sächsischen Polizei, juristischer Beirat des DVR)
2. Infrastrukturunterstützung für die automatisierte Mobilität, Dr.-Ing. Tobias Hesse (DLR)
3. Forschung im Saarland und digitales Testfeld DEU FRA LUX, M.Sc. Florian Petry (htw saar)
4. Erfahrungen mit Genehmigungsverfahren für automatisierten Shuttles, Robert Sykora (Ohmio Europe)
5. Suffizienz in der nachhaltigen Mobilität – ein Schlüsselfaktor zum Erfolg?!, Prof. Steffen Hütter (htw saar)
Nach der Mittagspause wurden die Themen in drei Workshops vertieft, die von thematisch fachlich besonders qualifizierten Teilnehmern geleitet wurden. Es wurde in diesen drei Themenbereichen gearbeitet:
• Workshop 1: Anforderungen an Leitstellen (Leitender Polizeidirektor Ralf Geisert, MUKMAV)
• Workshop 2: Akzeptanz des automatisierten und vernetzten Fahrens (Diplom-Betriebswirtin Isabelle Rössler, htw saar)
• Workshop 3: Daten als Treiber für Forschung (Prof. Dr.-Ing. Hans-Werner Groh, htw saar)
Nach dem Abschluss der Workshops fasste Prof. Horst Wieker (htw saar), der Sprecher des Kompetenzzentrums FTS, die im Laufe des Tages gefundenen fachlichen Ergebnisse noch einmal zusammen.
Fachliche Highlights
Zu Beginn des Symposiums wurden einige Prämissen formuliert, die für die zu behandelnde Thematik des automatisierten und vernetzten Fahrens quasi „in Stein gemeißelt“ sind und immer mitgedacht werden müssen.
Es geht kein Weg daran vorbei, dass die nicht allzu ferne, sondern bereits begonnene Zukunft der Mobilität zu großen Teilen automatisiert und vernetzt sein muss. Auch diese neue Ausprägung der Mobilität muss den individuellen Bedürfnissen der Menschen dienen, ihnen eine gesellschaftliche Teilhabe ermöglichen und zudem auch brauchbare und akzeptable Alternativen zum Besitz eines eigenen Fahrzeuges bieten, um damit die Lebensqualität aller Menschen und die Möglichkeiten einer am Grundgedanken der Resilienz orientierten Gestaltung des öffentlichen Verkehrsraums zu erhöhen.
Drei zentrale Fragen wurden während des Symposiums von allen fachlich relevanten Seiten beleuchtet:
1. Welche Herausforderungen ergeben sich aus den genannten Prämissen für die Kommunen, also Landkreise, Städte und Gemeinden?
2. Welche erforderlichen Umstellungen (z. B. organisatorisch, personell und technisch) kommen auf die Anbieter von Mobilität zu?
3. Welche Forschungsfragestellungen aus welchen denkbaren Forschungsgebieten sind zu beantworten, um die Mobilität von morgen zu gestalten?
Zunächst wurde der rechtliche Rahmen des automatisierten Fahrens auf deutschen Straßen auf der Grundlage des geltenden Rechts im Straßenverkehrsgesetz und der Autonome-Fahrzeuge-Genehmigungs-und-Betriebs-Verordnung (AFGBV) abgesteckt. Dabei wurden direkt auch die verkehrsrechtlichen Problembereiche angesprochen, die sich aus den diversen Genehmigungserfordernissen ergeben, bei denen zwei besondere Genehmigungsbehörden im Fokus stehen, einmal das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) für die Genehmigung der Nutzung automatisierter Fahrfunktionen auf Antrag der Automobilhersteller und es sind dies die obersten Straßenverkehrsbehörden der Länder für die Betriebsbereiche, in denen die automatisierten Fahrzeuge getestet werden dürfen.
Alsdann wurde die notwendige Infrastruktur der Verkehrswege in den Blick genommen. Testende Automobilunternehmen können in räumlich abgegrenzten Testumgebungen Anwendungstests durchführen und dabei ihre Technologien weiterentwickeln sowie notwendigerweise auch validieren. Dafür werden unverzichtbare technische Voraussetzungen benötigt. Automatisierte Fahrzeuge werden zunächst einmal über ihre fahrzeugseitige Sensorik mit Umgebungsinformation versorgt. Für die Kommunikation mit anderen Fahrzeugen sowie den Verkehrsanlagen (z. B. Lichtsignalanlagen und Verkehrsbeeinflussungsanlagen) eignet sich die Fahrzeugsensorik nicht. Zudem sind automatisierte Fahrmanöver durch die technischen Unzulänglichkeiten der Sensorik hinsichtlich der Reichweite sowie der Interferenzen durch Objekte im Verkehrsraum sehr eingeschränkt. Wären dezentrale technische Kommunikationszentralen in die Straßengestaltung eingebaut, könnte über diese eine Kommunikation zwischen den Fahrzeugen oder mit anderen Verkehrsteilnehmern erfolgen, wenn es digitale Schnittstellen geben würde. Die besonderen Herausforderungen des Mischverkehrs, bei dem sowohl automatisierte als auch konventionelle Fahrzeuge und auch Radfahrer und Fußgänger denselben Verkehrsraum nutzen, sind die Umsetzungsprobleme vorgezeichnet.
Welche praktischen Herausforderungen zu bewältigen sind, zeigt das Konzept des digitalen Testfeldes DeuFraLux, in dem grenzüberschreitend praktisch erprobt werden soll, was zukünftig der technische Standard auf den Straßen sein soll. Erfahrungen und Erkenntnisse sollen dabei im Realverkehr und in den verschiedensten Fahrsituationen gewonnen werden. Vernetztes Fahren benötigt dabei zwingend eine stetige Kommunikation zwischen den Fahrzeugen (Fahrzeug-zu-Fahrzeug-Kommunikation) sowie auch zwischen den Fahrzeugen und der sie umgebenden Infrastruktur (Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation). Dabei ist ein ständiger Datenfluss zu planen und zu berücksichtigen, mittels dessen wichtige verkehrsbezogene Informationen wie z. B. zu Daten des aktuellen Verkehrsflusses, aktuellen Baustellen und Umleitungen oder Witterungsdaten über mobile Funktechnologien bereitstellt, um diese in Echtzeit auszutauschen. Damit ist gleichzeitig die Leitstellenproblematik angesprochen: es muss eine Institution geschaffen werden, die bereits während des Testlaufs als organisatorischer Ansprechpartner (vergleichbar mit einer Rettungsleistelle) zur Verfügung steht.
Letztlich müssen aber auch die Bürgerinnen und Bürger von Beginn an mitgenommen werden. Ihnen muss der mögliche Mehrwert eines solchen neuen innovativen Konzepts erklärt werden, in verständlicher Weise, dabei jederzeit offen und transparent. Denn es gilt auch beim automatisierten und vernetzten Fahren weiterhin der Grundsatz der gegenseitigen Rücksichtnahme und ständiger Vorsicht.
Fazit
Man darf die Entwicklung des automatisierten und vernetzten Fahrens nicht allein der Automobilindustrie überlassen. Vielmehr ist es eine gesellschaftspolitische Aufgabe, eine derart große Umwälzung zu schultern. Wichtige Unterstützer dieses Konzepts sind in der Wissenschaft ebenso zu finden wie in der Verkehrspolitik. Vor diesem Hintergrund hat das Saarland mit dem Ausrichten dieses Symposiums vorbildlich das Heft des Handelns in die Hand genommen, um voranzugehen und alle Möglichkeiten bereitzustellen, dass nun getestet werden kann. Folgeveranstaltungen sind für 2025 bereits geplant und man darf gespannt verfolgen, wie diese Reise weitergeht und wann sich die ersten kleinen Erfolge zeigen. Denn alles Streben ist daran zu messen, dass die Verkehrssicherheit – wie durch die Automobilindustrie immer wieder versprochen – durch die neuen technisch innovativen Konzepte verbessert werden kann.
Weiterführende Links
FGVT
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Grenzüberschreitendes Testfeld
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AFGBV
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Professor Dr. Dieter Müller ist Verkehrsrechtsexperte und Träger des Goldenen Dieselrings des VdM. An der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) lehrt er Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht. Zudem ist er Gründer und Leiter des IVV Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie unter anderem Vorsitzender des juristischen Beirats des DVR. An dieser Stelle kommentiert der Fachmann Aktuelles zu Verkehrsrecht, Verkehrssicherheit und Verkehrspolitik.
Foto: Joerg Madert/Pixabay