Das hochkarätig besetzte VdM Symposium 2024 „Mobilität 2030 – wie gestalten wir den Verkehr? Chancen und Herausforderungen“ in der Zentrale der DEKRA in Stuttgart fokussierte zahlreiche Brennpunktthemen zur Mobilität der Zukunft: Angefangen bei der Forderung nach einer sicheren Straßeninfrastruktur, den Aufgaben der Politik für eine nachhaltige Mobilität am Beispiel des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg über die Transformation in der Automobilwirtschaft bis hin zu unterschiedlichen Antriebsarten, wie E-Fuels und Elektroantrieb, sowie ethischen Grundsätzen der Mobilität war das Spektrum breit gefächert.
„Um gefährliche Situationen möglichst erst gar nicht entstehen zu lassen, sind und bleiben verantwortungsbewusstes Verhalten, die richtige Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein hohes Maß an Regelakzeptanz unerlässlich“, bringt es Jann Fehlauer, Geschäftsführer der DEKRA Automobil GmbH, anlässlich der Vorlage des 17. DEKRA Verkehrssicherheitsreports auf den Punkt. Im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ wurden verschiedene Bereiche aus Sicht der Unfallforschung, der Verkehrspsychologie, der Fahrzeugtechnik, der Infrastrukturgestaltung und der Gesetzgebung unter die Lupe genommen. Gefragt sei eine zuverlässige Verkehrsinfrastrukturpolitik in Form eines ganzheitlichen Ansatzes. Fehlauer sieht auch im neuesten Report seines Hauses einen wichtigen Beitrag, um die Verkehrsunfallzahlen weiter zu senken (vgl. auch ausführlicher Beitrag zum DEKRA Verkehrsicherheitsreport 2024).
Verhaltensänderung notwendig
Die Aufgaben der Politik zur Mobilität 2030 umriss Christoph Erdmenger, Leiter der Abteilung Nachhaltige Mobilität des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg, in fünf zentralen Thesen. So ist Erdmenger davon überzeugt, dass im Jahr 2030 die Mobilität grundsätzlich gar nicht so anders gegenüber heute aussehen wird (These 1), denn der Autoverkehr sinke insgesamt nur um 20 %. Dies deswegen, weil die Klimaziele nur durch die Mobilitäts- und die Antriebswende zusammen erreicht werden können. Schon für 20 % weniger Autoverkehr gelte es, den ÖPNV zu verdoppeln. In den Städten werde der Verkehr zudem künftig deutlich anders aussehen (These 2), denn hier werde sich der Autoverkehr halbieren. So sei hier deutlich mehr „Platzpotential“ gegeben. Die Realisierung von „digitalem und autonomen Fahren“ wird Erdmenger zufolge noch einige Zeit benötigen, da man es im Verkehrssektor mit „ganz langen Rhythmen“ und Routinen zu tun habe (These 3).
Die E-Mobilität werde sogar noch bedeutender als vor einigen Jahren. Hier spiele nun auch der elektrisch angetriebene Lkw eine wesentliche Rolle (These 4). Dadurch seien die Herausforderungen jedoch weiter gestiegen. Es müsse die Ladeinfrastruktur nicht nur in den Depots, sondern auch für unterwegs stimmen. Last, but not least sei es notwendig und möglich, dass die künftige Mobilität mit einer Verhaltensänderung der Menschen einhergehe (These 5). Das sei jedoch vor allem mit Blick auf die langjährig eingeübten Routinen der Menschen nicht von heute auf morgen zu erwarten. Umfragen zeigen aber: Die Menschen sind für eine nachhaltige Mobilität bereit und wünschen sich dafür vom Staat entsprechende Rahmenbedingungen.
Innovation führt – keine Alternative zur E-Mobilität
Zum Thema Transformation in der Automobilwirtschaft sprach Franz Loogen, Geschäftsführer der e-mobil BW GmbH, Landesagentur für neue Mobilitätslösungen und Automotive Baden-Württemberg. So ist der frühere Automobilingenieur davon überzeugt, dass der Mobilitätswandel und ebenso die Fabrikautomation und KI-Technologien die Automobilwirtschaft nachhaltig prägen werden. Die Pkw-Produktion stehe unter dem Druck der weltweiten Überkapazitäten. In Europa steht Deutschland für mehr als ein Fünftel der Pkw-Neuzulassungen und knapp ein Drittel der Pkw-Produktion. Allerdings ist die deutsche Pkw-Produktion in den vergangenen zehn Jahren um mehr als ein Viertel zurückgegangen. „Erfreulich ist, dass heute bereits ein Viertel der Produktion batterieelektrische Fahrzeuge sind. Aktuell gibt es im Markt keine Wachstumsalternative zur Elektromobilität“, betont Loogen. Der Kostendruck werde im Wettbewerb weiter steigen. Synthetische Kraftstoffe aus Biomasse oder E-Fuels sind für den Antrieb der Zukunft ebenso von Bedeutung, stehen aber nur in begrenzter Menge zur Verfügung. Daher können sie keine Lösung für alles sein. Es gebe heute noch zu wenig erneuerbare Energien.
Insgesamt zeigt sich Loogen überzeugt, dass Deutschland über Innovationen nach vorne kommen müsse: „Nur Innovation führt – und dafür ist Veränderung eminent wichtig.“ Der Kenner der Automobilwirtschaft setzt sich für die Weiterentwicklung klimafreundlicher Mobilitätslösungen ein. Moderne Antriebe, regenerative Energietechnik und digitale Lösungen, internationale Vernetzung und gesellschaftliche Entwicklungen stehen dabei für ihn im Fokus. Als Innovationsagentur und Kompetenzstelle stärkt die e-mobil BW durch Netzwerkarbeit mit Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und öffentlicher Hand sowie durch Initiierung von Projekten den Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Baden-Württemberg.
Porsche und die Doppel-E-Strategie
Im Fokus des Vortrags von Daniela Rathe, Leiterin Politik und Gesellschaft, und Anja Wassertheurer, Leiterin Unternehmens- und Produktkommunikation, beide Porsche AG, stand das Thema Doppel-E-Strategie von Porsche – Elektromobilität und ergänzend E-Fuels. Fest steht: Auch wenn die Elektromobilität für Porsche nach wie vor oberste Priorität genießt und das Unternehmen sich diesbezüglich ambitionierte Ziele gesetzt hat, unterstützt Porsche auch die E-Fuels-Produktion. Im Dezember 2022 wurde eine integrierte E-Fuels-Pilotanlage in Chile eröffnet, in der aus Windenergie und Wasser im sogenannten Methanol-to-Gasoline-Prozess vollsynthetische Kraftstoffe hergestellt werden. Sie sollen den Umstieg zur E-Mobilität sinnvoll unterstützen. Aktuell fahren weltweit etwa 1,3 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf den Straßen, Tendenz steigend. Diese ließen sich mit E-Fuels potenziell nahezu CO2-neutral betreiben. Wer auf dem Weg zur Klimaneutralität zügig vorankommen wolle, so Rathe und Wassertheurer unisono, müsse nicht nur den Wechsel zur E-Mobilität vorantreiben, sondern auch die Bestandsfahrzeuge im Blick behalten.
In der Luft- und Schifffahrt sieht Porsche ebenfalls Bedarf für den regenerativen Kraftstoff. Rathe und Wassertheuer betonten, dass die Diskussion in Bezug auf E-Fuels generell sehr emotional geführt werde: Wer für E-Mobilität sei, müsse gegen E-Fuels argumentieren und umgekehrt. Tatsächlich gäbe es hier aber keine Kannibalisierungseffekte. Vielmehr seien E-Fuels ergänzend zur E-Mobilität zu sehen. Rathe und Wassertheurer: „Wir wollen das Unsere dazu beitragen, den CO2-Ausstoß zu senken und die Mobilität insgesamt nachhaltiger und digitaler zu machen, und damit unserer Verantwortung für nachfolgende Generationen gerecht werden.“
Schiefer: Ethische Verpflichtung zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion
VdM Mitglied und Geschäftsführer des Technologieentwicklers AtTrack, Gesellschaft für Mobilität, Dr. Ulrich W. Schiefer nahm in seinem Vortrag das Thema Ethik bei der Gestaltung der Mobilität 2030 in den Blick. Mobilität und Ethik wurden in den vergangenen Jahren vor allem in Hinsicht auf das Gefährdungspotential des selbstfahrenden Autos und der Umweltschädlichkeit der verschiedenen Antriebskonzepte medial durch die Mangel gedreht.
Derzeit herrsche mit Blick auf die Transformation der Branche und den Weg hin zur Elektromobilität Verunsicherung bei den Menschen. Nachlässige und selektive Recherchen teils auch renommierter Wissenschaftler mit vorgegebenem Ergebnis speziell hinsichtlich der Verkehrswende und den neuen Antrieben führe zu weiterer Verwirrung der Menschen, statt dringend angesagte Ruhe und Sachlichkeit in die Diskussion zu bringen. Der Mangel an kommunikativer Verantwortung sei ein bisher eher wenig adressierter ethischer Mangel. „Back to normal“ wäre eine gute Überschrift: dass morgen alle elektrisch fahren und damit ein Mangelchaos auslösen, ist eine Chimäre, die angesichts nahezu 14-jähriger Fahrzeughaltedauer schlichtweg falsch ist.
Darüber hinaus gebe es weitere Themen neben Antrieben und Autonomie, die dringend einer öffentlichen Diskussion bedürfen, so beispielsweise die Nutzung des öffentlichen Verkehrsraumes durch teils private Fahrzeugflotten, öffentliche Sharing-Flotten oder auch E-Scooter-Bestände. Das fange beim E-Scooter an und gehe bis hin zu kleinen Nutzfahrzeugen der Sprinterklasse, die den Verkehrsraum teils unkontrolliert fluteten, so Schiefer.
Insgesamt ist der Geschäftsführer von AtTrack überzeugt, dass die Transformation der Mobilität nur gelingen kann, wenn die Gesellschaft als Ganzes klimaneutral werden wolle und sich entsprechend einbringe. Allerdings gibt der erfahrene Automobilmanager und -unternehmer zu bedenken, dass sich Neuerungen in der Technik oft volatil entwickeln. „Es ist daher wichtig, eine sachliche öffentliche Diskussion zu führen, um alle Player gleichermaßen durch die Änderungen hindurch mitzunehmen“, resümiert Dr. Ulrich W. Schiefer.
Insgesamt machte das facettenreiche, von VdM Vorstandsmitglied Andreas Kessler kurzweilig und unterhaltsam moderierte VdM Symposium einmal mehr deutlich, wie groß die Herausforderungen auf dem Weg zur Mobilität von morgen sind und dass auf dem Weg in die neue Zeitrechnung Mut, Vertrauen und kluge Köpfe mehr denn je unabdingbar sind.
Isabella Finsterwalder
Fotos: Ina Strohbücker