//VDA: „IAA überaus erfolgreich“

VDA: „IAA überaus erfolgreich“

Nachdem die IAA Transportation am vergangenen Sontag ihre Tore geschlossen hatten konnte der Verband der Automobilindustrie VDA für sich eine positive Bilanz ziehen. An der Messe unter dem Motto „People and Goods on the Move“ versammelten sich 1.402 Aussteller aus 42 Ländern. Zweidrittel, so der VDA, kamen aus dem Ausland. Neben allen bekannten Lkw-Herstellern traten erstmals auch bedeutende neue Unternehmen auf, die Lkw bauen. 260 Aussteller aus der Branche der Aufbauten, Anhängern und Aufliegern sowie rund 600 Zulieferer waren ebenso vertreten, wie auch 68 internationale Startups und sechs Cargobike-Hersteller. Der Schwerpunkt der Ausstellung lag bei elektrischen und brennstoffzellen-basierten Antrieben sowie Wasserstoffverbrennungsmotoren. Die Aussteller von Anhängern und Aufbauten präsentierten unter anderem elektrifizierte Trailerachsen und besonders leichte Auflieger, die den Energiebedarf der Zugmaschine reduziert. Bei den Busherstellern stand die Elektrifizierung der Überland- und Reisebusse im Fokus.

Medienereignis IAA

Medienseitig war die IAA ein Hotspot: Insgesamt wurden über 1.400 Journalisten aus 57 Ländern akkreditiert. Die Aussteller haben 89 Pressekonferenzen veranstaltet. 77 Prozent der Berichterstattung entfiel auf internationale Medien aus 97 Ländern. Über 2 Millionen Mal wurden die Beiträge der Social-Media-Kanäle gesehen. Sehr intensive Berichterstattung gab es laut VDA neben Deutschland vor allem in den USA, Kanada, Indien, Japan, China und Süd-Korea.

Großer Anklang fanden die Testfahrten: Im Rahmen der IAA Test Drives und des IAA Cargobike Parcours fanden mehr als 8.000 Testfahrten statt. Insgesamt ließen sich 61 Nutzfahrzeuge ausprobieren. Auf dem IAA Cargobike Parcours konnten Besucherinnen und Besucher die neuesten Modelle unter realen Bedingungen testen.

Daimler Trucks zeigt die Zukunft

Wohin der Trend in der Nutzfahrzeugindustrie geht, soll hier einmal am Beispiel von Daimler Trucks aufgezeigt werden. Die Stuttgarter haben in Hannover gezeigt, dass sie batterieelektrisch, wasserstoffbasiert und dieselgetrieben unterwegs sein können. Spannend wird sein, wo der Weg letztlich hingeht.

Im Zentrum von Daimlers IAA-Auftritt stand der eActros Long Haul von Mercedes, ein elektrischer Schwer-Lkw für den Fernverkehr. Das Konzept gilt als ein gewagtes Unterfangen, weil die Batterietechnologie keine sehr weiten Strecken zuläßt und durch ihr Gewicht auch noch Ladekapazität wegnimmt.
Doch Mercedes-Trucks-Chefin Karin Rådström trat in Hannover selbstbewusst auf: „Wir bauen unser Portfolio batterieelektrischer Lkw kontinuierlich aus. Die Fahrzeuge sind von Anfang an auf Elektromobilität ausgelegt und ermöglichen ein besseres Fahrerlebnis sowie eine höhere Energieeffizienz und Langlebigkeit.“ Der eActros Long Haul solle auch in bezug auf Nutzlast, Effizienz und Reichweite in der Schwerlaster-Liga mitspielen, um CO2-freien Ferntransport zu ermöglichen, wie es der kleinere eActros für den Verteilerverkehr bereits seit einem Jahr erlaubt.
Immerhin haben sich die Mercedes-Ingenieure vorgenommen, dass der Long Haul einem Diesel-Actros in punkto Langlebigkeit in nichts nachstehe. „Das bedeutet 1,2 Millionen Kilometer Laufleistung in zehn Betriebsjahren“, verspricht das Unternehme und bezieht dabei die empfindlichen Elektrokomponenten ein. Noch ist der Long Haul allerdings ein „Konzept-Prototyp“, die Serienproduktion soll laut Rådström 2024 anlaufen.

Die Lithium-Eisenphosphat-Batterie des eActros Long Haul weist eine Gesamtkapazität von über 600 kWh aus. Zwei Elektromotoren mit zusammen 550 PS sorgen für den Vortrieb, kurzzeitig können sie 815 PS mobilisieren. Das Schnelladen von 20 auf 80 Prozent an einer Ladesäule mit einem Megawatt Leistung soll „deutlich unter dreißig Minuten“ dauern. Die Reichweite bezifferte Rådström auf bis zu 500 Kilometer. Das reiche für 60 Prozent aller Langstreckenfahrten in Europa. Hoffnung setzt Rådström auf Auflieger mit Elektroachse und Batterie, um die Zugmaschine zu unterstützen. So hat beispielsweise das Tech-Unternehmen Trailer Dynamics gemeinsam mit dem Aufliegerhersteller Krone den „eTrailer“ entwickelt. Kernstück ist eine im Auflieger verbaute eAchse samt Batterien, die das Zugfahrzeug mit zusätzlicher Leistung unterstützen. Dann seien sogar Strecken von 800 Kilometern und mehr im Bereich des Möglichen. Fehlt noch das Problem der Gesamtbetriebskosten. Dazu Karin Rådström, dass sich der Long Haul nach fünf Jahren à 120.000 gefahrener Kilometer in Summe günstiger betreiben lasse als der Diesel-Actros.

Mercedes GenH2 Truck

Die sichere Lösung für das Reichweitenproblem im CO2-freien Schwerlastverkehr ist die wasserstoffbetriebene Brennstoffzelle. Ein Fahrzeug mit einem solchen Antrieb plant Daimler im Verlauf der zweiten Hälfte des Jahrzehnts auf den Markt zu bringen, wie Rådström auf der IAA ankündigte. Der Mercedes GenH2 Truck werde ohne zu tanken 1.000 Kilometer zurücklegen und über den Brennstoffzellen-typischen Vorteil von kurzen Tankzeiten verfügen.
Auch in den Disziplinen Zugkraft, Reichweite und Leistung will der Mercedes Brennstoffzellen-Laster nicht hintanstehen. Beabsichtigt ist ein Gesamtgewicht von 40 Tonnen, die Zuladung soll bis zu 25 Tonnen betragen. Der Hersteller setzt auf tiefgekühlten Flüssigwasserstoff, von dem bis zu 80 Kilogramm in zwei Edelstahlbehältern mitgeführt werden können. Flüssiger Wasserstoff hat gegenüber gasförmigem den Vorteil einer höheren Energiedichte und damit einer besseren Reichweite. Die zwei Elektromotoren des GenH2 Truck gestatten eine Dauerleistung von zweimal 313 PS und eine kurzzeitige Maximalleistung von zweimal 449 PS.

Mercedes Actros L

Doch auch für den Diesel-Actros hatte Mercedes Neues zur IAA mitgebracht. Eine neue Generation des 12,8-Liter-Motors OM 471 erreicht durch Verbesserungen am Turbolader und an der Abgasnachbehandlung eine Spritreduzierung von bis zu vier Prozent. Eingesetzt wird das Aggregat zunächst im Spitzenmodell der Baureihe, dem Actros L. Der verfügt ferner über die zweite Generation der Mirrorcam (Kamerasystem als Ersatz für die Rückspiegel), die um zehn Zentimeter verkleinert wurde, wodurch die Perspektive stärker einem realen Rückspiegel gleicht. Außerdem liefert die Kamera bessere Bilder in der Dunkelheit. Der Actros L kann auf Wunsch mit einer Fahrfunktion für das automatische Abstandhalten, Lenken und Beschleunigen geordert werden sowie mit einem Abbiegeassistenten samt Notbremsfunktion.

Infrastruktur im Fokus

Neben Daimler Trucks haben alle Lkw-Hersteller batterie-elektrische Fahrzeuge vorgestellt. Die Technik ist vorhanden und auch mehr oder weniger einsatzbereit. Interessant wird die Frage nach der Infrastruktur sein. Wie wird sich das Ladenetz in den kommenden Jahren entwickeln? Lkw werden, soweit sie schnell geladen werden sollen, auf Ladestationen zuzugreifen müssen, die ein Megawatt leisten. Zur Info: Für Pkw liegt die Leistung einer Schnellladestation bei maximal 300 kW. Für die Netzbetreiber wird das zur Herausforderung. Denn wenn die ersten E-Lkw 2024 vom Band rollen, -so hat es übrigens auch MAN postuliert, sollte eine halbwegs vernünftige Versorgung stehen. Inwieweit das Megawatt-Netz flächendeckend sein muss, wird man sehen. 500 bis 800 Kilometer Reichweite sind schon ganz ordentlich. Ob diese allerdings dann auch für 40 Tonnen, im Winter und eventuell im Stau genügen, werden sicherlich die ersten Tests zeigen. Seien wir gespannt. Immerhin hat Daimler zusammen mit Volvo und Traton eine Allianz gegründet, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein spezielles Ladenetz für Lkw in Europa aufzubauen. Zudem ist Daimler am Projekt „Hochleistungsladen im Lkw-Fernverkehr“ beteiligt, das unter der Schirmherrschaft des VDA das Megawatt-Laden planen, einrichten und betreiben soll. An vier Standorten in Deutschland sollen je zwei Ladepunkte entstehen, die als Teststation fungieren. 
Die nächste IAA Transportation findet vom 17. bis 22. September 2024 in Hannover statt. 

(Kristian Glaser/kb/bic)
Fotos: Photovision-DH GmbH; Werner Bicker