Am Wochenende 16. & 17. Juli 2022 veranstaltete der Verein Solitude Revival e.V. nach zweijähriger Corona-Abstinenz wieder seine Motorsportzeitreise auf dem Solitude-Ring vor den Toren Stuttgarts und Leonberg. Die Demonstrationsfahrten mit historischen Motorrädern und Rennfahrzeugen aller Kategorien zogen wieder viele Zuschauer aller Altersklassen in ihren Bann; der Veranstalter spricht von täglich rund 5000 Menschen entlang der 11,7 km langen Strecke.
Das letzte „echte“ Solitude-Rennen liegt nunmehr fast 60 Jahre zurück; das erste mit automobiler Beteiligung fand vor 100 Jahren statt. Somit haben die wenigsten der Besucher die Rennatmosphäre der früheren Zeit noch live miterlebt. Während uns die Politik erklärt, dass wahre Mobilität nur batterieelektrisch sein kann, sprachen die Boliden am Wochenende eine ganz andere Sprache. Die Menschen wollten genau das sehen und kamen in Strömen. Da fragt man sich schon, ob die Politik, trotz aller Zwänge, manchmal nicht den Bürger aus den Augen verliert. Daher demonstrierten Veranstalter, die Firma Porsche und einige Teams dann auch Technologieoffenheit und betrieben ihre historischen Schätzchen mit Bio- und e-Fuels. Zudem wird die Klimaneutralität des Events durch die Unterstützung eines Klimaschutzprojets in Afrika erreicht. Damit ist das Solitude-Revival keine Veranstaltung für unbelehrbare Gestrige, sondern für Menschen, die sich ihrer Verantwortung bewusst sind und die aber auch für ihre Emotionen und Träume leben.
Doch lassen wir die politischen und gesellschaftlichen Stimmungen hinter uns und wenden uns dem motorsport-historischen Hoch zu. Rund 100 Fahrer und Fahrerinnen von Rennmotorrädern mit und ohne Seitenwagen, 170 Rennfahrzeugen und 150 Teilnehmern am Corso Classico folgten dem Ruf des Solitude-Revival-Verein und nahmen die anspruchsvolle Strecke im Dreieck Glemseck-Dreispitz-Schattengrund unter die Räder. Als ältestes Motorrad war eine Indian Scout-Racer von 1926 am Start. Der American LaFrance Typ14 von 1918 toppte selbst dieses Alter. Während die Motorrad-Klassen nur in Solomaschinen und Gespanne unterteilt waren, standen bei den Autos fünf Klassen auf dem Programm: Vorkriegsfahrzeuge, Formel-Fahrzeuge, Prototypen, Tourenwagen mit GT-Boliden sowie Porsche-Fahrzeuge. Zudem ehrte man den langjährigen Unterstützer und im Dezember 2021 verstorbenen Eberhard Mahle mit einem Sonderlauf, da er untrennbar mit der Geschichte der Solitude-Rennen verbunden ist. Eine schöne Geste.
Insgesamt haben sich die treibenden Köpfe um Uwe Schiefer und Thomas Itte erfolgreich darum bemüht, dass eine ganze Reihe bekannter Namen ihrem Event einen zusätzlichen Schub verleihen. Die Liste der Ehrengäste ist viel zu lang, um sie alle aufzuführen. Dass Walter Röhrl, als das Idol einer ganzen Generation, immer im Mittelpunkt des Interesses steht, ist allseits bekannt. Doch auch der „heimische Club der über 80-Jährigen“ zeigte mit Günter Steckkönig (86), Dieter Glemser (84) und Hans Clausecker (81), dass Motorsport – manchmal – auch gesund und jung hält. Keiner der Herren hat die Ideallinie verlernt und manch jüngerem Hobbypiloten gezeigt, wo es lang geht.
Im Gegensatz zu hermetisch abgeriegelten Fahrerlagern der Neuzeit, diente das Fahrerlager im Mahdental als offene Begegnungsstätte, so wie dies früher der Fall war. Deshalb gehörte es für die Besucher quasi zum Pflichtprogramm, nicht nur das Geschehen auf der Strecke zu verfolgen, sondern im Fahrerlager die Nähe von Piloten und Fahrzeugen zu genießen. Dass die anwesenden Motorsportgrößen sich dann die Finger mit Autogrammen wundschrieben und für das obligatorische Erinnerungsfoto zur Verfügung standen, versteht sich fast schon von selbst. Aber genau da setzt das positive Erleben an.
Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum Porsche und das Porsche-Museum nicht nur den eigenen Mythos auf der Strecke präsentiert, sondern auch die jungen Werksfahrer in das historische Geschehen einbindet. So hat der erst 20-Jährige Laurin Heinrich als jüngster Porsche-Pilot ebenfalls Oldtimerluft schnuppern dürfen. Auf dass der Mythos lange lebt!
Dem entsprechend sah man das ganze Wochenende fast ausschließlich zufriedene Gesichter und freudige Augen; egal ob bei Veranstaltern, Teilnehmern oder Besuchern. Und offenbar hat der Wettergott auch eine Sympathie für die historische Motorsportgemeinde. Schließlich lud die Sonne das ganze Wochenende dazu ein, aktiv dabei zu sein.
Und da nach dem Rennen bekanntermaßen vor dem Rennen ist, freuen sich die Fans schon auf die kommende Ausgabe, wenn es wieder heißt: „Gentlemen start your engines!“
Text und Fotos: Ronald Ritter