Der Transport gefährlicher Güter, dazu gehören auch radioaktive Stoffe wie abgebrannte Brennelemente, bestimmte Uranerze, Radiopharmaka oder auch Geräte zur zerstörungsfreien Werkstoffprüfung, ist durch internationale Übereinkommen seit Jahrzehnten geregelt. Zur Beförderung zählt auch das Be- und Entladen sowie der Aufenthalt beim Umschlag von einem Verkehrsträger auf den anderen. Mit einer Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes hatte Bremen im Jahr 2012 den Umschlag, hier im Land-/Seeverkehr, von radioaktivem Material unterbunden. Das Bundesverfassungsgericht (BVerG) hat nun am 7. Dezember 2021, veröffentlicht am 11. Januar 2022, entschieden, dass diese Sonderregelung mit dem Grundgesetz unvereinbar sei und erklärte das Verbot für nichtig.
Historie
Der Transport radioaktiver Stoffe erfolgt seit den 50er Jahren für alle Verkehrsträger nach den „Empfehlungen für die sichere Beförderung radioaktiver Stoffe der Internationalen Atom-Energie-Organisation“ (IAEO) in Wien. Diese IAEO-Empfehlungen gehen von dem Grundsatz aus, dass die Verpackungen grundsätzlich unfallsicher sein müssen, andernfalls ist der radioaktive Inhalt eines Versandstücks so zu begrenzen, dass praktisch bei einem Unfall nichts passieren kann. Dank dieser sicherheitstechnischen Grundsätze ist die Beförderung radioaktiver Stoffe so sicher, dass es weltweit beim Transport in mehr als 60 Jahren noch keinen Todesfall oder eine signifikante Gesundheitsgefährdung gegeben hat.
Gleichwohl gibt es immer wieder Gegenwind aus den Reihen der Kernenergiegegner. Gutachten sollten beweisen, dass die Beförderung radioaktiver Stoffe unsicher ist. Mit Aussagen, dass Atomtransporte „unverantwortliche Gefahren“ bergen, wurde die Bevölkerung verunsichert. Das Bundesverfassungsgericht BVerG) hat nunmehr nach zehn Jahren ein Urteil gefällt, das sicher richtungsweisend für künftige Transporte sein wird. Ausgang war eine Klage von drei Firmen der Kerntechnikbranche.
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
Die Unternehmen wurden vom Branchenverband Kerntechnik Deutschland e.V. bzw. dessen Vorgänger Wirtschaftsverband Kernbrennstoff-Kreislauf und Kerntechnik e.V. unterstützt. Die Klage richtete sich gegen die genannte Änderung des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes aus dem Jahr 2012, mit der ein Verbot des Umschlags, also letztlich des Transport von Kernbrennstoffen eingeführt wurde. Erklärte Motivation war es in der ursprünglichen Entschließung der Bremischen Bürgerschaft von 2010, die seinerzeitige Kernenergiepolitik der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke zu konterkarieren. Bereits zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Gesetzes war seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz hinsichtlich der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern strittig, da die Gesetzgebungskompetenz für Fragen der Kernenergie beim Bund liegt. Darauf gründete auch die Klage, die beim Verwaltungsgericht Bremen erhoben wurde, das dann den Sachverhalt dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung hinsichtlich der Verfassungskonformität vorlegte.
In der Entscheidung erkannte das Bundesverfassungsgericht die Bremer Regelung für unvereinbar mit den Vorschriften des Grundgesetzes über die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern. Damit wurde die Auffassung des Verwaltungsgerichts Bremen und der Kläger bestätigt. Der vom Bremischen Gesetzgeber gewählte Weg einer sogenannten Entwidmung der Bremischen Häfen für den Umschlag von Kernbrennstoffen wurde als Umgehung der Kompetenz des Bundes zurückgewiesen.
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die Länder dürfen von den vom Bund festgelegten Grundsatzentscheidungen für den sicheren Transport radioaktiver Stoffe (und auch anderer gefährlicher Güter) nicht abweichen oder die Risikobewertungen des Bundes durch eigene, davon abweichende Risikobewertungen unterlaufen. Das betrifft nicht nur den Umschlag von Kernbrennstoffe in Häfen, sondern ganz allgemein auch die Nutzung der Verkehrsinfrastruktur für Transporte radioaktiver Stoffe.
Somit ist es den Bundesländern nun auch künftig dauerhaft erschwert, Transporte von Kernbrennstoffen und anderen radioaktiven Materialien (und anderen gefährlichen Gütern) mit willkürlichen Auflagen oder gesetzlichen Sonderregelungen zu behindern. Aus diesem Grund wurde das Verfahren vom Branchenverband maßgeblich unterstützt und ist sein für die Branche erfolgreicher Ausgang trotz der langen Dauer und der vielfachen Änderung der Rahmenbedingungen in diesem Zeitraum wichtig.
Klaus Ridder