//E-Auto-Boom wirbelt Markt durcheinander

E-Auto-Boom wirbelt Markt durcheinander

Wer hätte das vor einem Jahr gedacht: Deutschland ist im ersten Halbjahr 2021 nach China der zweitgrößte Markt für Elektroautos weltweit. Zwischen Januar und Juni stieg nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes die Zahl der Neuzulassungen von batterieelektrischen (BEV) und Plug-in-Hybrid-Pkw (PHEV) um 230 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum 2020 auf jetzt 312.000 Fahrzeuge. Fast jeder vierte neuangeschaffte Pkw ist mittlerweile ein BEV oder PHEV. Die Gesamtzahl der Neu-Pkw wuchs um 15 Prozent auf 1,4 Millionen. Der Automarkt in Deutschland befindet sich damit immer noch nicht auf dem Vor-Corona-Niveau von 2019.

Die Plug-in-Hybride haben bei den Neuzulassungen seit längerem die Nase vor den Batterieelektrischen. Doch das scheint sich nun zu ändern. Im Juni kamen erstmals wieder mehr BEV als PHEV neu auf den Markt (33.400 zu 31.300). Plug-in-Hybride sind unter ökologischen Gesichtspunkten problematisch, weil ihre CO2-Vorteile nur dann umgesetzt werden, wenn sie häufig im Elektromodus gefahren und regelmäßig von außen mit Strom aufgeladen werden.

Nach Einschätzung von Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management, könnte sich die Gesamtzahl der BEV und PHEV auf deutschen Straßen von jetzt 900.000 auf 1,2 Millionen Fahrzeuge bis zum Jahresende erhöhen, sofern der Trend anhält. Die deutsche E-Auto-Industrie könne damit international „eine Schrittmacherfunktion für die neue Antriebsform entwickeln“, sagte Bratzel.

Die starke E-Auto-Nachfrage führt auch dazu, dass sich die Marktposition einzelner Automarken verändert. Während der Anteil von Benzin- und Diesel-Pkw an den Neuzulassungen im Juni nur noch 40 beziehungsweise 20 Prozent ausmacht, starten insbesondere reine E-Auto-Hersteller durch – wenn auch von einem niedrigen Niveau aus. Tesla verdreifachte seine Neuzulassungen im ersten Halbjahr nahezu und liegt mit einem Marktanteil von 1,0 Prozent beispielsweise nur knapp hinter Porsche. Smart kann einen noch stolzeren Zuwachs von 360 Prozent vermelden (0,9 Prozent Marktanteil).

Weitere Gewinner am Automarkt sind interessanterweise Opel (84.700 Neuzulassungen, plus 39 Prozent) und Mini (22.800, plus 34 Prozent). Auch Marktführer Volkswagen (276.000, plus 24 Prozent) verbesserte sich im Absatz stärker als der Marktdurchschnitt. Im Juni verfügten die Wolfsburger erstmals wieder über einen Anteil oberhalb der 20-Prozent-Marke.

Verschiebungen sind bei den drei großen Premiumherstellern zu vermelden: BMW konnte im Ranking der Neuzulassungen an Mercedes-Benz vorbeiziehen. Die Münchener verkauften zwischen Januar und Juni 20 Prozent mehr Autos, was einen Marktanteil von 8,5 Prozent bedeutet. Mercedes verlor leicht und landet bei 8,4 Prozent. Audi schließt durch ein (unterdurchschnittliches) Neuzulassungsplus auf und erzielt 7,6 Prozent Marktanteil.

An der Spitze der Importeure zeigt sich zwar das alte Bild. Allerdings verringerte sich der Abstand zwischen Spitzenreiter Škoda (plus 18 Prozent, Marktanteil 6,1 Prozent) und Seat (plus 31 Prozent; 4,6 Prozent). Es folgt Renault mit einem leicht verschlechterten Marktanteil von 3,8 Prozent.

Zum Schluss noch ein Blick auf weitere tradierte Marken am deutschen Automarkt: Ford verliert bei den Neuzulassungen 20 Prozent und hält einen Marktanteil von 5,0 Prozent. Fiat bleibt stabil bei 3,2 Prozent Marktanteil, und Peugeot gewinnt leicht dazu und erreicht nun 2,1 Prozent. Hyundai ist wieder auf der Erfolgsspur. Die Südkoreaner legten im Absatz des ersten Halbjahrs doppelt so stark zu wie der Wettbewerb im Durchschnitt und haben nun einen Marktanteil von 3,5 Prozent vorzuweisen.

Das Bundeswirtschaftsministerium kündigte derweil an, die Kaufprämie für Elektroautos bis Ende 2025 zu verlängern. Eigentlich sollte der Zuschuß im kommenden Dezember auslaufen. Er beträgt pro neu gekauftem Elektroauto bis zu 9.000 Euro und wird zum größeren Teil vom Staat und zum geringeren Teil von den Herstellern finanziert. Die Subvention gilt als wichtiger Faktor für die erstarkte Nachfrage nach neuen E-Autos. Laut dem Wirtschaftsministerium erhielten die Autokäufer im ersten Halbjahr die „Rekordsumme“ von zusammen 1,25 Milliarden Euro. Der Betrag liegt bereits jetzt höher als im gesamten vergangenen Jahr.

Beate M. Glaser/Kristian Glaser (kb)
Foto: VW