//Den Straßenraum menschengerecht gestalten

Den Straßenraum menschengerecht gestalten

Die Gestaltung einer Straße beeinflusst das Verhalten der Verkehrsteilnehmer. Das kann man gut an sich selbst beobachten: Auf einer breiten, schnurgeraden Avenue, die weit voraus einsehbar ist, fährt man viel schneller als auf einer schmalen, unübersichtlichen Landstraße. Das hat mit Psychologie zu tun, darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie (DGVP) in einem Positionspapier hin. Im Straßenbau solle der „menschliche Faktor“ stärker einbezogen werden.

Ein Mehr an Verkehrssicherheit ist nur dadurch zu erreichen, sind die Psychologen der Auffassung, dass alle Bereiche, Infrastruktur, Fahrzeugtechnik und das Verhalten der Verkehrsteilnehmer, nicht isoliert voneinander, sondern als „Systemkomponenten“ verstanden werden. Aus Sicht der DGVP wird zu selten bedacht, dass eine Straßengestaltung zum riskanten Verhalten geradezu auffordern kann. Aus der Verkehrspsychologie wurden daher bereits vor einiger Zeit Konzepte wie die „positive Anleitung“ („positive guidance“) aus den USA oder aus den Niederlanden die „selbsterklärende Straße“ („self-explaining road“) entwickelt, deren Umsetzung Experten in Deutschland seit vielen Jahren anmahnen. Hier setzt die DGVP an.

Ihr Grundsatzpapier trägt die Überschrift „Ergonomische Ansätze der Verkehrspsychologie“ und kündigt im Untertitel an, dass es um die „menschengerechte Verkehrsraumgestaltung“ geht. Bereits im Entwurfsstadium einer neuen Straße solle das Verhalten von Auto- und Motorradfahrern berücksichtigt werden, einschließlich der „Aufforderung“ zu risikoarmem Verhalten.

Räumliche Gestaltung und subjektive Erwartung

Als das „wohl wichtigste Gestaltungsprinzip“ kennzeichnen die Verkehrspsychologen die Übereinstimmung von räumlicher Gestaltung und subjektiver Erwartung, damit der Fahrer eine schwierige Situation antizipiert, sie also rechtzeitig für eine vorausschauende Fahrweise berücksichtigt. Beispielsweise ist eine kurz hintereinander erfolgende Doppelkurve, die schlecht einsehbar ist und noch dazu unterschiedlich enge Kurven aufweist, für Auto- und Motorradfahrer sehr schwer abschätzbar, auch wenn es Warnhinweise gibt. Eine solche Stelle lässt sich auch durch optische Tricks entschärfen: Verstärkt man nur leicht die Seitenneigung einer Kurve, entsteht der Eindruck, dass sie sehr eng ist, und die Autofahrer nehmen den Fuß vom Gaspedal. Noch besser wäre es, eine solche Gefahrenstelle von vornherein auszuschließen.

Zur Erhöhung der Sicherheit einer bestehenden Straße lassen sich grundsätzlich zwei Methoden anwenden: das Hemm- und das Leitprinzip. Bei ersterem will man erreichen, dass etwa vor einer scharfen Kurve das Tempo reduziert wird; dafür eignet sich zum Beispiel ein Verkehrsschild. Mit dem Leitprinzip wird der Fahrer etwa mittels einer Bodenmarkierung durch eine enge Kurve geführt.

Prinzipiell sollte alles unterlassen werden, fordern die Psychologen, was Verkehrsteilnehmer unter- oder überfordert oder sie gar zu einer falschen Einschätzung verleitet. Diese Maxime lässt sich durch Verlauf und Linienführung der Straße umsetzen, aber auch durch Signalanlagen, Beschilderung, Beleuchtung und anderes mehr. Für die Autofahrer sollten damit wichtige Informationen verbunden sein, wie sich das Verkehrsgeschehen wohl entwickeln wird und was erlaubt oder verboten ist. Beispiel: Wenn eine untergeordnete Straße aussieht wie eine schnell befahrbare Vorfahrtstraße, lässt sich das Straßenbild durch Straßeninseln, Markierungen oder Schilder künstlich verengen. Dem Autofahrer wird signalisiert: Tempo drosseln und Vorfahrt gewähren.

Fußgänger und Radfahrer verunglücken am meisten und schwersten durch Zusammenstöße mit Pkw und Lkw. Die DGVP empfiehlt daher eine Straßengestaltung, welche die Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern ermöglicht (Stichwort Sichtbeziehungen). Benachteiligungen würden am besten durch separate Wege abgebaut, aber „ohne dass sich dadurch die Wegelängen für Fußgänger und Radfahrer verlängern“, wie die Psychologen hervorheben. Denn Umwege führen nur dazu, dass Fußgänger und Radler doch die direkte, risikoreichere Strecke bevorzugen.

Verkehrspsychologische Erkenntnisse sollten stärker in die Straßen- und Infrastrukturentwicklung einfließen, damit die Verkehrsteilnehmer den versteckten oder leicht übersehbaren Gefahren aktiv begegnen und sich zueinander achtsam und aufmerksam verhalten.

Beate M. Glaser (kb)
Foto: Jiří Rotrekl/Pixabay