//IAA-Planungen in schwierigem Umfeld

IAA-Planungen in schwierigem Umfeld

Die Aktien der großen deutschen Autokonzerne erholen sich kräftig, die Gewinne liegen im Milliardenbereich. Trotz des Verlusts an Ansehen durch den Dieselabgasskandal, trotz der Nachfrageflaute während des Lockdowns und trotz der Schwierigkeiten bei der Transformation bei gleichzeitig hartem Wettbewerb sind die Manager zumindest der großen Automobilunternehmen zunehmend optimistisch. Dazu tragen steil kletternde Absatzzahlen bei den Hybrid- und Elektroautos ebenso bei wie der Präsidentenwechsel in den USA und die damit verbundene handelspolitische Entspannung – auch wenn weiterhin Arbeitsplätze abgebaut werden. Zuletzt gab es sogar Signale aus Brüssel, daß für die künftige Abgasnorm Euro 7 nun doch Abstand von einem faktischen Verbrenner-Aus genommen wird.

Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein. Die juristische Aufarbeitung der Abgasmanipulationen ist noch nicht abgeschlossen, und einige Konzerne werden vermutlich empfindliche Strafzahlungen wegen Nichteinhaltung der CO2-Flottengrenzwerte aufgebrummt bekommen. Zudem bleibt die Exportabhängigkeit vom chinesischen Markt, und der anhaltende Mangel an Mikrochips gibt Anlass zu tiefergehenden Überlegungen. Ganz zu schweigen von den Dauerbaustellen Verkehrswende mitsamt den enormen technologischen, finanziellen und strukturellen Herausforderungen.

In diesem widersprüchlichen Kontext laufen die Planungen für die Internationale Automobilausstellung (IAA), die weltgrößte ihrer Art, die vom 7. bis 21. September erstmals in München stattfinden wird. Dort will die Branche verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnen und zeigen, was sie kann und wie sie sich die Zukunft der Mobilität vorstellt. Der Erwartungsdruck ist hoch.

IAA-Veranstalter ist erstmals nicht der Verband der Automobilindustrie (VDA) allein, sondern auch die Messegesellschaft, und damit das CSU-geführte Bayern und seine grün-rot regierte Landeshauptstadt. Während das Oktoberfest Corona-bedingt auf der Kippe steht, könne die IAA durchgeführt werden, ist sich der Münchener Wirtschaftsreferent sicher. Die Stadt erhofft sich eine belebende Wirkung für die Lockdown-geschundene Wirtschaft.

Die Autoschau wandelt sich zur Mobilitätsschau. „Die IAA ist keine PS-Boliden-Show mehr“, hieß es von der Messe bei der Vorstellung des Planungsstandes. Das drückt sich auch im neuen Namen aus: „IAA Mobility“. Das Konzept fußt auf vier Säulen: auf den traditionellen Produkt- und Markenpräsentationen in der Messe („Summit“), den Fachkonferenzen ebenfalls in den Messehallen („Conference“), den öffentliche Veranstaltungen auf Plätzen in der City („Open Space“) und der „Blue Lane“.

Diese „blaue Linie“ wird eine Umweltspur für den Transfer zwischen Messe und Innenstadt sein, vorwiegend für Shuttlebusse, CO2-arme Autos sowie für Test- und Probefahrten in „zukunftsträchtigen und nachhaltigen Fortbewegungsmitteln“, gemeint sind noch nicht zugelassene Fahrzeugkonzepte. Zur Mobilitäts-IAA gehören auch der ÖPNV, Elektroroller und Fahrräder. Die Verknüpfung unterschiedlicher Verkehrsmittel soll ausprobiert werden, dafür werden Verkehrsknotenpunkte eingerichtet, sogenannte Mobilitätshubs.

IAA in der Innenstadt

Für das Publikum spielt sich die neue IAA vorwiegend in Münchens Innenstadt ab, bei den „Open Spaces“. Dort haben Fahrräder einen eigenen Schwerpunktbereich und können getestet werden. Es werden öffentliche Diskussionsforen („Citizen Labs“) angeboten, außerdem eine „Speaker’s Corner“ und eine „Workshop Area“ eingerichtet. Beim Disput auf der „Dialogfläche“ über gesellschafts- und umweltpolitische Themen sollen IAA-Kritiker einbezogen werden.

Um Autos wird es in den „Open Spaces“ auch gehen, „aber vorrangig um emissionsfreie Fahrzeuge“ und Fahrzeugstudien, wie die Messe betont. Firmenpräsentationen sollen hier nicht dominieren. Die Verantwortlichen heben hervor, dass die IAA klimaneutral durchgeführt wird. Anfallende Emissionen will man kompensieren. Allerdings bleiben die An- und Abfahrten in der CO2-Bilanz unberücksichtigt.

Die neue IAA nimmt also Konturen an. Die Konkretionen sind Ergebnis eines mit Sicherheit schwierigen Aushandlungsprozesses zwischen VDA, Messe (Stadt und Bundesland), der Lokalpolitik (die Ausstellung findet in der Innenstadt statt) und örtlichen Umweltaktivisten. Die haben bereits eine erste Demonstration gegen die IAA-Pläne durchgeführt, Motto: „No IAA“.

Zwischen den Ausstellungsmachern und den Verantwortlichen in der Politik ist beispielweise umstritten, wie groß der Einfluss eines „Bürgerbüros“ sein soll, das die Planungen begleitet. Kommunalpolitiker wollen, dass die IAA langfristig Spuren in der Stadt hinterlässt, etwa durch die Errichtung zusätzlicher Ladepunkte. Die Diskussionsforen zu heiklen Themen sind noch nicht definiert. Kompliziert könnte es werden, den Münchener Alltagsverkehr am Laufen zu halten, wenn sich die IAA erstmals in einer Innenstadt breitmacht. Denkmalschützer haben sich zu Wort gemeldet. Sie befürchten, dass durch den vielen Verkehr und die Großveranstaltungen historische Stätten beeinträchtigt werden. In weniger als fünf Monaten gibt es also noch reichlich Baustellen zu bewältigen, bis die erste Münchener IAA startet.

Dabei besteht auch die Hoffnung, dass mit der neuen IAA umweltfreundliche Verkehrsmittel an Schwung gewinnen, dass Ideen für ein integriertes Verkehrssystem reifen und dass die Stadt- und Verkehrsentwicklung auch anderer Kommunen Anregungen für einen besser organisierten Straßenverkehr erhält.

Olaf Walther (kb)