Die Lockerungen des öffentlichen Lebens wirken sich nach und nach auf die Automobilbranche aus: Die Händler konnten ihre Türen wieder öffnen, und bei den meisten Herstellern wurde nach mehreren Wochen des Stillstandes wieder zu produzieren angefangen – sachte und unter verschärften Hygienestandards, mit kürzeren Reinigungsintervallen, Mindestabstand zwischen den mit Gesichtsmasken ausgestatteten Mitarbeitern und bei merklicher Verlangsamung der Taktzeiten.
Demzufolge macht sich auch bei den Zulieferern Erleichterung breit. Zusammen mit den Werkstätten und dem Handel sind sie von dem nahezu vollständigen Erliegen der Automobilwirtschaft am härtesten betroffen und verfügen oft auch nicht über ausreichend starke Finanzpolster. Das wird wiederum zum Nachteil für die Hersteller, wie das Beispiel Porsche zeigt: Beim Stuttgarter Sportwagenbauer müssen die Bänder noch bis mindestens zum 4. Mai ruhen, weil es weiterhin Schwierigkeiten mit den oft länderübergreifenden Lieferketten gibt. Zu schaffen machen Porsche insbesondere die Zulieferbetriebe in Italien, wo Covid-19 besonders stark grassiert. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) wird nicht müde, grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Öffnung der Grenzen anzumahnen, damit die Lieferketten nicht unterbrochen werden.
Ins Kontor geschlagen
Wie hart der „Shutdown“ ins Kontor geschlagen hat, zeigen erste Zahlen. So verkaufte Mercedes-Benz zwischen Januar und März 15 Prozent weniger Autos als im ersten Quartal 2019. Bei der Konzernmutter Daimler brach der Gewinn um fast 80 Prozent ein und beträgt 617 Millionen Euro. Ähnliche Entwicklungen zeigen sich auch im Ausland. Beispielsweise rechnet Ford mit einem weltweiten Verlust von 2,0 Milliarden Dollar für das erste Quartal 2020. Im Vorjahreszeitraum hatte der zweitgrößte US-Autobauer noch einen Gewinn von 2,4 Milliarden Dollar erwirtschaftet.
Auch das Nutfahrzeuggeschäft hat Federn gelassen. Hier wurden im März europaweit nahezu nur halb so viele Fahrzeuge verkauft wie im gleichen Monat 2019. Rückläufige Ergebnisse gab es hier aber bereits im Januar und Februar. Im gesamten ersten Quartal reduzierte sich die europäische Nutzfahrzeugbranche um satte 23 Prozent. Oft erweist sich die Coronakrise jedoch nur als Beschleuniger einer Entwicklung, die bereits vor Auftauchen des Virus im Abflauen begriffen war und deren Ursache nicht in der Pandemie liegt.
Unterdessen hat in der Bundesrepublik eine öffentliche Diskussion begonnen, wie der Staat der in Bedrängnis geratenen Automobilbranche aufhelfen soll. Zu der verschiedentlich vorgeschlagenen Neuauflage der Abwrackprämie von 2009 (staatlicher Zuschuss beim Neuwagenkauf bei gleichzeitiger Verschrottung des bisherigen Pkw) werden zunehmend Stimmen laut, die eine mehr steuernde Subventionierung mit ökologischer Wirkung verlangen. Der VDA fordert hingegen eine breite Unterstützung für den Kauf von Autos unabhängig von der Antriebsart. Nur so ergebe sich ein signifikanter Effekt auf die gesamte in Mitleidenschaft gezogene Wertschöpfungskette, argumentiert VDA-Präsidentin Müller.
Von Greenpeace kommt der Hinweis, dass die Abwrackprämie vor elf Jahren lediglich zu einem Vorzieheffekt bei den Käufern geführt habe und dafür viele intakte Autos in der Mitte des Lebenszyklus verschrottet worden seien. Die Umweltschutzorganisation spricht sich für eine „Zukunftsprämie mit ökologischer und ökonomischer Lenkungswirkung“ aus, beschränkt auf bis zu 40.000 Euro teure Elektroautos. Zudem solle ein Unterstützungsprogramm für Handwerksbetriebe aufgelegt werden, um deren Umstieg auf Elektrotransporter zu erleichtern.
Wirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU) vertritt die Auffassung, dass die Autoindustrie die weltweiten Konjunktureinbrüche nur durch innovative Lösungen überstehen werde, die das Erreichen der Klimaziele ermöglichten. Er votiert für Kaufzuschüsse für emissionsarme Autos. Auch Ralf Brandstätter, Leiter des operativen Geschäfts bei VW, schlägt vor, zusätzlich zur bestehenden E-Auto-Prämie ein Fördergeld für schadstoffreduzierte Neuwagen zu schaffen. „Wir gehen damit aus der Krise hinaus und hinein in die grüne Transformation“, argumentiert der VW-Manager, der sich gleichzeitig gegen die Aufweichung der EU-Klimaziele wendet, wie von CDU-Politikern in die Diskussion gebracht.
Der Verband der Importeure von Kraftfahrzeugen (VDIK) macht sich für ein Drei-Stufen-Modell stark. Demnach soll der staatliche Anteil der bestehenden Kaufprämie für E-Autos verdoppelt werden, so dass der Käufer einen Zuschuss von insgesamt 9.000 Euro erhielte. Als zweites soll die Anschaffung von Klein- und Hybridwagen mit weniger als 95 g/km CO2-Ausstoß unterstützt werden. Drittens erwägt der VDIK eine Abwrackprämie, damit Fahrzeuge der alten Abgasnorm Euro 4 und schlechter durch Autos mit der schärferen Norm Euro 6d ersetzt werden.
Der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe (ZDK) dringt auf eine schnelle Entscheidung. Die Händler stöhnten über volle Verkaufsräume und stünden finanziell mit dem Rücken zur Wand. Der ZDK hält deshalb die Ausweitung einer Prämie auch auf junge Gebrauchtwagen für erforderlich.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) befürwortet die Verbindung von ökonomischen und ökologischen Maßnahmen. Sie regt an, sozialen Dienste beim Umstieg auf das E-Auto zu helfen. Laut Presseberichten ist am 5. Mai ein Autogipfel von Bundesregierung und Autobranche in Berlin geplant, bei dem über die staatliche Unterstützung gesprochen werden soll.
Olaf Walther/Kristian Glaser (kb)
Foto: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil im Gespräch mit einem VW-Mitarbeiter beim Neustart der Golf-Produktion, Foto VW