US-Mediziner sind vor allem über den Anstieg der Schädel-Hirn-Traumata besorgt. Erste Zahlen aus Hamburg zeigen, die Nutzer sind überwiegend Touristen.
Bei einem Unfall mit einem Elektroroller verletzten sich in den USA 2018 rund 220 Prozent mehr Menschen als 2014. Noch stärker hat sich die Zahl der Personen erhöht, die in ein Krankenhaus eingewiesen werden mussten: Ein Plus von 365 Prozent kommt nahezu einer Verfünffachung gleich, wie US-Mediziner in einer soeben veröffentlichten Untersuchung ermittelten.
Dabei liegen die Zahlen wegen der Dunkelziffer und wegen Problemen bei der statistischen Erfassung real wahrscheinlich noch höher, wie die Wissenschaftler der Universität von Kalifornien in San Francisco (UCSF) anmerken. Für ihre Studie nutzten sie Daten einer nationalen Statistik mit repräsentativen Krankenhaus-Stichproben über produktbezogene Verletzungen von Verbrauchern in den USA. Dabei stellten sie auch fest, dass ein Drittel der Patienten, die nach einem E-Scooter-Unfall in ein Krankenhaus gekommen waren, ein Schädel-Hirn-Trauma hatten. Diese Quote liegt mehr als doppelt so hoch wie bei den Radfahrern.
Jeder vierte Verletzte wies einen Knochenbruch auf, ein weiteres Viertel hatte mit Prellungen und Schürfungen zu tun. Schnittwunden wurden bei 14 Prozent diagnostiziert. Die Rate der Elektroroller-Verletzten pro 100.000 US-Einwohner verdreifachte sich zwischen 2014 und 2018. Zuletzt wurden 19 Verletzte pro 100.000 Einwohner gezählt, überwiegend im städtischen Bereich.
„Wir sind sehr besorgt über den signifikanten Anstieg an Verletzungen und Krankenhauseinweisungen“, sagte einer der an der Untersuchung beteiligten US-Mediziner. Die fordern nun eine Helmpflicht und dass die Anbieter von E-Scootern die Benutzung von Helmen erleichtern.
Die Resultate der US-Untersuchung lassen nichts Gutes für die Situation in der Bundesrepublik erwarten, wo die Elektroroller seit Juni 2019 zugelassen sind. Denn in den Vereinigten Staaten ist der Verleih der kleinen Fahrgeräte bereits eineinhalb Jahre länger erlaubt. Die vorliegenden Zahlen sind deutlich: Allein in Berlin wurden in den ersten drei E-Roller-Monaten 74 Unfälle registriert, und in der Asklepios-Klinik im Hamburger Stadtteil St. Georg wurden allein fünf Elektro-Scooter-Patienten behandelt, die ein Schädel-Hirn-Trauma mit Blutung oder Schädelfraktur erlitten hatten, 18 Verunglückte mussten wegen eines schweren Knochenbruchs operiert werden. Und das sind nur die schwersten Fälle.
Umfassendes Zahlenmaterial liegt noch nicht vor, weil E-Roller-Unfälle erst seit Anfang Januar eigenständig vom Statistischen Bundesamt erfasst werden. Wie die Elektroroller in Hamburg genutzt werden, will der dortige Senat wissen und führt eine eigene Erhebung durch. Die Verkehrsbehörde stellte nun eine erste Zwischenbilanz vor. Demnach werden E-Roller in der Hansestadt bislang überwiegend samstags für Freizeitaktivitäten ausgeliehen, vor allem von Touristen. Immer häufiger werden die Kleinstfahrzeuge im Berufs- oder Freizeitverkehr unter der Woche zwischen 16 Uhr und 18 Uhr verwendet. 4.500 E-Roller standen im Sommer zur Ausleihe in Hamburg bereit, elf Minuten dauerte eine durchschnittliche Fahrt. Jetzt im Winter gibt es 2.500 E-Roller, sie werden im Schnitt acht Minuten genutzt.
Die Sicherheit der Elektroroller ist konstruktionsbedingt miserabel. Kleine Räder, kurzer Lenker, langes, schmales Brett – das macht jede Fahrt zu einer wackligen Angelegenheit. Abruptes Ausweichen ist nahezu unmöglich. Über einen Blinker verfügen die Fahrzeuge nicht, also muss man ersatzweise ein Bein oder eine Hand ausstrecken, was das Fahren erst recht zum Balanceakt macht. Zudem sind die flinken E-Scooter leicht zu übersehen und noch schwerer zu hören. Das nicht vorhandene Bremslicht hat zur Folge, dass Temporeduzierungen von anderen kaum richtig zu erfassen sind.
Den Elektrorollern wird keine große Sympathie entgegengebracht. Nach einer repräsentativen Umfrage im Auftrag des „Hamburger Abendblatts“ sprechen sich 62 Prozent der Hansestädter für ein Verbot aus, nur 25 Prozent sind dafür, daß die E-Roller weiterhin auf den Straßen herumdüsen dürfen.
Kristian Glaser (kb)