//Wie lange noch F1 in Deutschland?

Wie lange noch F1 in Deutschland?

Es sieht nicht gut aus um die Zukunft des Großen Preises von Deutschland. Es ist noch nicht sicher, ob es im nächsten Jahr einen Grand Prix in Deutschland geben wird. Eine Blamage für das (Noch)-Autoland Deutschland. Dabei sind die Vorzeichen für ein solches Rennen in Deutschland gar nicht mal so schlecht: Ein deutscher Rennwagen dürfte auch 2019 wieder Weltmeister werden und ein vom „Pleiten, Pech und Pannen“ verfolgter Sebastian Vettel gehört zu den besten Rennfahrern der Welt. Doch was ist die Ursache? Eine Analyse nach dem Großen Preis von Deutschland auf dem Hockenheimring.

Formel 1-Zirkus – noch zeitgemäß?
Der Terminplan aller weltweiten Formel 1-Rennen umfasst 21 Rennen. Die Tendenz geht dahin, dass man immer mehr Rennen in Asien und Arabien durchführt, so kommt 2020 ein Rennen in Hanoi hinzu. In Asien, da wird künftig wohl auch die Zukunft der Au-tomobilität liegen und so liegt es auf der Hand, dort auch Rennen durchzuführen. Zuschauer? Die sind für den Formel 1-Zirkus nicht unbedingt erforderlich. Hauptsache, die Zuschaltquoten im TV stimmen. Die leeren Tribünen werden in den Übertragungen nicht gezeigt.

Es wird 2020 auch ein zusätzliches Rennen auf der niederländischen Traditionsrennstrecke Zandvoort geben. Das liegt daran, dass der junge niederländische Nachwuchsfahrer Max Verstappen eine riesige Begeisterungswelle in den Niederlanden ausgelöst hat und somit garantiert, dass das Rennen auf dem Dünenkurs an der Nordsee bald schon ausgebucht sein wird. Solche Zeiten gab es auch in den 90er Jahren in Deutschland, damals sorgte Michael Schumacher für ausverkaufte Tribünen.

Es liegt aber auch an den nicht billigen Eintrittskarten, so kostete eine Karte für das Freitagstraining am Hockenheimring 60 Euro, das Wochenende kostete über 300 Euro. Kommt man mit Familie, so sind schnell mal 700 Euro weg.

Ist die Formel 1 interessant?
Darüber muss man eigentlich nicht streiten. Zwei Rennwagen der Marke Mercedes ma-chen die Siege unter sich aus, bis zum Großen Preis von Hockenheim gab es allein sieben (!) Doppelsiege von Hamilton und Bottas. Aber, um es vorwegzunehmen, der Große Preis von Deutschland war wohl das spannendste Rennen der neueren Grand Prix Ge-schichte.

Dahinter kommen, wenn es normal läuft, die Ferraris von Vettel und Leclerc. Aber, vorne mit dabei ist das Ausnahmetalent Verstappen. Der Rest, die Hinterbänkler, reihen sich dahinter ein – und werden oftmals sogar überrundet.

Die Ursache: Wer viel investiert bekommt ein gutes Auto – und da liegen zwischen Mercedes und Ferrari eventuell noch Red Bull und dem Rest der Formel 1-Rennwagen Welten. Selbst einer Weltfirma wie Renault gelingt es nicht, ein konkurrenzfähiges Auto zu bauen.

Der Grund liegt einfach in der Komplexität des Reglements. Da wird Hightech gefordert, die von den kleinen Rennställen nicht beherrscht wird: Rückgewinnung der Bremsenergie, Turboaufladung und eine nicht beherrschbare Reifentechnik. Fazit: Die „kleinen“ Rennställe haben nur eine Chance, aufs Podest zu kommen, wenn die Großen ausfallen.

Hier ist, so auch Sebastian Vettel, eine dringende Reglementänderung erforderlich: Kein Turbometer, keine Rückgewinnung der Bremsenergie. Alle Fahrer müssen mal wieder Spaß am Fahren haben, um Plätze kämpfen und nicht statt zu kämpfen, sich um Motor und Reifen kümmern. Alle Teams müssen in ihren Ausgaben eingebremst werden, damit der Motorsport billiger wird und die Fans sich wieder mal einen Besuch eines F1-Rennens leisten können. Vom F 1-Veranstalter wurde eine Änderung für 2021 angekündigt, es soll alles einfacher und billiger werden! Warten wir es ab.

Hockenheim und Mercedes
125 Jahre Motorsport, das Jubiläum feierte der Stuttgarter Autokonzern – und so war man wohl gerne bereit, den Großen Preis von Deutschland zu sponsern. Überall Werbung mit Hinweis auf das Jubiläum. Sogar neben der Rennpiste, in einer Sicherheitszone, war zu lesen „125 Jahre Motorsport“. Die Monteure und die übrige Crew trugen Kleidung wie vor 70 Jahren einschließlich grauer „Schlägermützen“, auch Toto Wolff hatte, wie einst Alfred Neubauer, Hosenträger über dem Hemd.

Die beiden Mercedes Rennwagen von Hamilton und Bottas waren auf der Haube weiß lackiert, in der deutschen Nationalfarbe für Rennfahrzeuge bis 1934. Die Legende sagt, dass Mercedes Rennleiter Alfred Neubauer damals vor dem Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring die weiße Farbe abkratzen ließ, um das Gewichtslimit von damals 750 kg zu erreichen – das war dann die Geburtsstunde der Silberpfeile.

Hockenheim – alles o.k.
Der Rennkurs von Hockenheim hat nach der erfolgten Verkürzung 2002 eine Länge von 4,574 km. Die Zuschauer genießen im Motodrom weite Sicht auf die Strecke und können beispielsweise von der Südtribüne die Rennwagen von der Mercedes-Tribüne kommend durch die Sachskurve, auf der Start- und Zielgeraden bis hin in die Nordkurve verfolgen. Wer mit dem Zug kommt, was zu empfehlen ist, wird am Bahnhof von einem Shuttle-Bus abgeholt. Auch die Camping- und Parkplätze werden von einem Shuttle-Bus bedient. Die sanitären Einrichtungen sind sauber und werden ständig kontrolliert. Aus „Imbissbuden“ wurde „Public-Catering“. Am Einlass zu den Tribünen werden die Taschen kontrolliert, Glasflaschen oder auch Stative sind nicht zugelassen.

Vor der Südtribüne ein riesiger Platz mit „Merchandising“ Angeboten vom Sturzhelm a la Senna bis hin zu T-Shirts im Vettel- oder Verstappen-Look. Auf einer großen Showbühne Unterhaltung rund um den Motorsport, wer gut in Sachen Motorsport Bescheid wusste, der konnte eine Runde über den Hockenheimring gewinnen. Neu war ein Riesenrad eingangs Motodrom, man konnte man die Szene von oben genießen. Ja, und dann die großen Hospitalities der Rennställe, Zugang nur für VIPs, nicht für den normalen Zuschauer. Die Tribünen sind zu etwa einem Drittel überdacht, das war bei der Hitze von 35°C schon angenehm und natürlich auch beim Regen am Rennsonntag.

Training und Qualifying
Zwei etwa 1,5-stündige Trainingssitzungen am Freitag, noch einmal Training am Samstagmittag und dann das Qualifying um 15.00 Uhr. Ferrari dominierte alle drei Trainingssitzungen, einmal war Sebastian Vettel vorne und zweimal sein neuer Stallkollege Charles Leclerc. Dahinter dann die beiden Mercedes mit Hamilton und Valtteri Bottas sowie das niederländische Ausnahmetalent Max Verstappen. Dahinter der „Rest der Welt“ mit den beiden Williams und den Fahrern Robert Kubica und George Russel am Schluss. Also wieder mal die übliche Reihenfolge. Überraschend gut war Kimi Raikkönen auf Sauber mit dem Namen Alfa Romeo.

Doch das Qualifying, da lief auch alles schief für Ferrari. Bei Vettel ging der Turbolader kaputt und bei Leclerc war es die Benzinleitung. Statt der erhofften Pole nur der letzte Startplatz (Vettel) und der zehnte Startplatz (Leclerc). Und wieder mal Louis Hamilton auf der Pole, seine insgesamt 86. Neben ihm startete Max Verstappen auf Red Bull, eine tolle Leistung von dem Niederländer.

Unter den ersten Zehn war auch der zweite Deutsche, Nico Hülkenberg auf Renault. Eine Schrecksekunde am Ende des zweiten Trainings: Pierre Gasly kam nach der Kurve vor Start und Ziel auf eine Curbs und landete dann mit etwa 250 km/h spitzwinklig im Reifenstapel. Auto kaputt (das Chassis wurde nachts gewechselt), Fahrer wohlauf.

Regen im Hockenheim-Chaos
Nach Wochen endlich mal Regen, darüber freuten sich die Teams (und auch die Gartenbesitzer), die ansonsten vorne nicht dabei sind. Auch für Vettel eine Chance, vom letzten Platz nach vorne zu kommen.

Drei Runden hinter dem Safety-Car, dann der Start. Der Trainingsschnellste Hamilton gewann den Start, der ebenfalls aus der ersten Reihe gestartete Max Verstappen kam schlecht weg. Immer noch Regen und der vom letzten Startplatz gestartete Sebastian Vettel holte schon in der Startrunde 5 Plätze auf.

Danach ein Chaosrennen mit unterschiedlichen Wetterbedingungen und häufigen Reifenwechseln sowie vier Safety-Car-Phasen, weil immer wieder Rennwagen rausflogen, darunter auch die Spitzenfahrer wie Leclerc, Bottas, Hamilton, Hülkenberg, Perez – alle an derselben Stelle in der letzten Rechtskurve nach dem Motodrom. Das Problem beim Verlassen der Rennstrecke war die geteerte Auslaufzone, die praktisch spiegelblank war. Sterben der Favoriten und plötzlich lagen hinter dem führenden Verstappen die Außenseiter Danill Kvyat und Lance Stroll auf den Plätzen 2 und 3. Dann kam Vettel mit einer günstigen Strategie in Sachen Reifenwechsel und überholte in der letzten Runde sogar noch den an zweiter Stelle liegenden Kvyat und wurde sensationell Zweiter – gestartet vom letzten Startplatz. Ein spannendes Rennen, das in die Geschichte der Formel 1 eingehen wird.

Resümee
Solche Rennen braucht der Motorsport. Es wäre sehr schade, wenn es das letzte Ren-nen der Formel 1 auf der Traditionsrennstrecke Hockenheimring gewesen sein sollte.

Klaus Ridder