Mit 369 km/h über die Döttinger Höhe
Beim 24 h-Rennen wurde der Anfang gemacht Timo Bernhard (37) fuhr mit dem Siegerwagen des 6 h-Rennens 2017 und des 24h-Rennens von Le Mans über die Nordschleife, begleitet von Sicherheitsfahrzeugen vorweg. Da kam wenig Freude auf, weil Sound und Geschwindigkeit fehlten, aber die 200.000 Nordschleifen-Fans bekamen ein einmaliges Fahrzeug zu sehen, den Porsche 919 Hybrid Evo. Vielleicht war das der Anlass seitens Porsche-Motorsport mal zu testen, wie schnell man tatsächlich mit einem WEC-Rennboliden über die legendäre Nordschleife fahren kann.
Porsche Tour
Eigentlich hat das Auto nach dem Gewinn von drei Weltmeisterschaften ausgedient. Porsche zog sich 2017 von der WEC-Langstreckenweltmeisterschaft zurück und überließ Toyota das Feld. Wir erinnern uns, Toyota errang 2018 einen Doppelsieg beim berühmten 24 h-Rennen von Le Mans, praktisch ohne Konkurrenz. Porsche ging auf Tour auf Rennstrecken der Welt, um Rekorde aufzustellen. Michelin entwickelte für die Rekordfahrten spezielle Reifen, die nur für kurze Zeit haltbar sind, aber 15 % mehr Leistungsfähigkeit haben.
Belgien war die erste Station der sogenannten Porsche Tribute-Tour. Hier stellte Neel Jani im April 2018 den Formel 1-Rekordversuch von Lewis Hamilton ein. Michelin als langjähriger Partner von Porsche und Entwickler der besonderen Reifen gab ein Statement ab. „Wir sind stolz, mit unseren Reifen zum Erfolg von Porsche beizutragen. Sie sind bei Leistung und Sicherheit Benchmark“, sagt Pascal Couasnon, Direktor Motorsport bei Michelin.
Rekord am Freitagmorgen
Während die Vorbereitungen für den Truck Grand Prix liefen, war Timo Bernhard dann früh morgens schon aktiv. In 5:19,55 Minuten umrundete er die 20,832 km lange Nordschleife des Nürburgrings: neuer Rekord! Das bedeutet eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 233,8 km/h auf der anerkannt schwierigsten Rennstrecke der Welt. Am Steuer des Porsche 919 Hybrid Evo unterbot Bernhard damit den bisherigen Streckenrekord von Stefan Bellof um 51,58 Sekunden. Allerdings ist zum Bellof-Rekord anzumerken, dass dieser während des normalen Trainings zum 1000 km-Rennen gefahren wurde (wo noch andere Fahrzeuge auf der Strecke waren) – der Rekord von Bernhard fand auf abgesperrter Strecke statt.
35 Jahre und 31 Tage blieb Bellofs Rekordrunde von 6 Minuten und 11,13 Sekunden unangefochten. Der 1985 in Spa-Francorchamps tragisch verunglückte Gießener galt als das größte Ausnahmetalent seiner Zeit. Er fuhr seinen Rekord am 28. Mai 1983 mit ei-nem 620 PS starken Rothmans Porsche 956 C. Auch seine Durchschnittsgeschwindigkeit betrug über 200 km/h.
Timo Bernhard, fünfmaliger Gesamtsieger des 24 h-Rennens auf dem Nürburgring, zweimaliger Gesamtsieger der 24 h von Le Mans und amtierender Langstrecken-Weltmeister mit dem Porsche 919 Hybrid, kletterte stolz und erleichtert aus dem engen Cockpit des Le-Mans-Prototyps. „Das ist ein großartiger Moment für mich und für das ganze Team. Die Krönung des 919-Programms! Der Evo war perfekt vorbereitet und ich habe alles gegeben auf dieser Runde. Aufgrund des aerodynamischen Anpressdrucks gehen Passagen mit Vollgas, an denen ich mir das zuvor nie vorstellen konnte. Die Nordschleife ist mir ja wirklich vertraut. Aber heute habe ich sie neu kennengelernt“, sagt der 37jährige aus Bruchmühlbach-Miesau. Der Saarpfälzer ist ein glühender Verehrer von Stefan Bellof. In Spa Francorchamps trat er 2015, als sich der Tod Bellofs zum 30. Mal jährte, mit dessen markantem Helmdesign in schwarz-rot-gold beim Sechsstunden-rennen der FIA Langstrecken-Weltmeisterschaft an. „Für mich ist und bleibt Stefan Bellof ein Riese“, betont Bernhard. „Mein Respekt vor seiner Leistung mit der damaligen Technik ist heute noch einmal größer geworden“.
Die Evo-Version des Porsche 919 Hybrid basiert auf dem Le-Mans-Gesamtsiegerwagen und WEC-Langstreckenweltmeister der Jahre 2015, 2016 und 2017. Sie wurde von einigen Reglementrestriktionen befreit, ihr Hybridantriebsstrang erzeugt eine Systemleistung von 1160 PS. Der Evo wiegt nur 849 kg und seine modifizierte, jetzt aktive Aerodynamik generiert über 50 % mehr Abtrieb im Vergleich zum WEC-Modell. Die Spitzengeschwindigkeit am Nürburgring betrug 369,4 km/h im Bereich Döttinger Höhe.
Formel 1 auf der Nordschleife?
Michael Schmidt, seit Jahrzehnten der Formel 1-Experte bei der Zeitschrift auto, motor und sport in Deutschland, macht nun den Vorschlag, doch wieder Formel 1-Rennen auf der legendären Nordschleife zu veranstalten. Wer im Stadtkurs von Baku oder Monaco fährt, so Michael Schmidt, der könne auch auf der Nordschleife fahren. 200.000 Zu-schauer würden kommen, so die Prognose des F1-Kenners.
Resümee
Wenn ein Auto mit 1160 PS auf der Nordschleife fährt, dann könnte dort auch ein F1-Rennen stattfinden? Formel 1 auf der Nordschleife – das wäre es doch!
Klaus Ridder