//100 Jahre Motorradgeschichte zum Anfassen

100 Jahre Motorradgeschichte zum Anfassen

Wer sich für Motorradgeschichte interessiert kommt um das AWD-Museums in Ratingen-Breitscheid eigentlich nicht herum. Und so war es auch für die Mitglieder des VdM ein wahrer Genuss, Thomas von der Bey, dem Enkel des Firmengründers August Wurring (1901-1990), zuzuhören, was sein Großvater so alles geleistet und er-ebt hat. Und das eben aus erster Hand: Thoams von der Bey wohnte als Kind neben der 1921 gegründeten Motorradfabrik und bekam alles mit, was in der Werkstatt geschah. Die Bezeichnung ‚Fabrik‘ dürfte aus heutiger Sicht für den Handwerksbetrieb eigentlich nicht zutreffen, denn damals in der 20iger Jahren gab es viele Kleinbetriebe, die Motorräder bauten. Das Besondere an dem AWD-Betrieb war aber, dass dort auch Rennmaschinen gebaut wurden und der Chef August Wussing selbst erfolgreich Rennen fuhr. Viele verstaubte Pokale erinnern an die glorreichen Zeiten.

Neuanfang nach dem Ersten Weltkrieg

Deutschland hatte den Ersten Weltkrieg verloren und musste Reparationen an die Siegermächte zahlen. Eine Inflation in den Jahren 1923/24 war die Folge und die Menschen waren arm, mussten hungern und eigentlich gab es keine Zukunft.
Zu dieser Zeit wagte es ein junger Mann namens August Wurrig sich selbständig zu machen und Motorräder zu bauen. Er gründetet 1921 die AWD-Motorradwerke in Breitscheid (heute Stadtteil von Ratingen). Die Zukunft war wenig rosig:  Weltwirtschaftskrise, die Nationalsozialisten kamen 1933 an die Macht und führten 1939 Deutschland in den Zweiten Weltkrieg. Wieder brach alles zusammen und der junge Mann, der bisher vieles überstanden hatte, machte sein Hobby zum einträglichen Beruf und begeisterte die Besucher zahlreicher regionaler Rennveranstaltungen mit vielen Rennsiegen. Bis zu seinem Tod 1990 war er aktiv in seiner Firma.

Die Geschichte der AWD-Werke

August Wurring (1901 – 1990) wurde während des Ersten Weltkriegs bei der Deutschen Lastautomobilfabrik AG (DAAG) in Ratingen zum Elektromaschinenbauer ausgebildet. Nach dem Krieg arbeitete er unter anderem bei verschiedenen Fahrradhändlern. Sein Hauptinteresse galt dabei den Motorrädern. In politisch und wirtschaftlich schwerer Zeit wagte er den Sprung in die Selbstständigkeit.

Ausgehend von Fahrrädern mit Hilfsmotor baute August Wurring in seinem kleinen Handwerksbetrieb bald auch hubraumstärkere Motorräder bis zu 1100ccm. Die eigene Erfahrung aus dem Rennsport und ein wirklich außergewöhnliches Gefühl für die zu bearbeitenden Materialien befähigten ihn, eine lebenslange Garantie auf die Bruchsicherheit der von ihm gebauten Motorradrahmen zu geben. Mit nur wenigen Mitarbeitern wurden unter Berücksichtigung der individuellen Wünsche und Erfordernisse der einzelnen Kunden auch nur wenige Motorräder gebaut, dafür immer in einer bestechenden Qualität, die von Großserienproduzenten meistens nicht geliefert werden konnte.

Trotzdem war die Geschäftslage in den Zwischenkriegsjahren nicht einfach. Auch im 3. Reich wurde es nicht besser. Das Gegenteil war der Fall. Materialbewirtschaftung und Förderung der Groß- und Serienproduktion zwangen die meisten kleinen Fahrzeughersteller zur Geschäftsaufgabe, Importverbote für ausländische Motoren und Zubehörteile taten ihr Übriges. Auch August Wurring musste den Fahrzeugbau erheblich einschränken. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde aus der „Motorradfabrik“ ein „Kraftfahrzeug- Reparaturwerk“, in dem überwiegend ausländische Beutemaschinen der Wehrmacht „kriegsverwendungsfähig“ gemacht wurden. Anhand der noch vorhandenen Reparaturaufträge lässt sich das Kriegsgeschehen erschütternd verfolgen.

Auch nach dem Ende des verlorenen Krieges war an Fahrzeugbau zunächst nicht zu denken. Die Reparatur von Dingen des täglichen Bedarfs war in jeder Hinsicht überlebenswichtig, Schwarzmarkt und Tauschgeschäfte ebenso. Erst allmählich erholte sich die Lage und es konnte mit dem Bau leichter Krafträder begonnen werden. Mit Einsetzen des  Wirtschaftswunders produzierte August Wurring kleinste Serien von Motorrädern bis 250ccm Hubraum, während große Hersteller erst auf Masse produzierten und dann sehenden Auges in ihre Konkurse rutschten, weil sie nicht in der Lage waren, den neuen Bedürfnissen der Bevölkerung Rechnung zu tragen und Autos zu bauen. August Wurrings Betrieb war klein genug, allen Widrigkeiten auszuweichen. Der Bau von Spezialfahrzeugen für Landwirtschaft und Feuerwehr ersetzte die reine Motorradproduktion, darüber hinaus ließ eine große Zahl bekannter Motorsportler bis in die 1970er Jahre hinein in Breitscheid ihre Rennfahrzeuge aufbauen.

Anekdoten von Thomas von der Bey

Es war interessant und spannend zuzuhören, was der Enkel des Firmengründers August Wurrig so alles zu berichten hatte:
– Der Name AWD bedeutet August Wurrig Düsseldorf – und nicht „… Breitscheid“, weil Breitscheid leicht mit dem Streckenabschnitt Breidscheid am Nürburgring hätte verwechselt werden können.
– Oben in der Galerie der Motorräder stand ein „Gebilde“, das wie ein Ei aussah. Es war die aus Balsa-Holz gefertigte Verkleidung eines Rennrades, mit dem einst der Franzose Marcel Berthet den Geschwindigkeitsweltrekord brechen wollte. Obwohl er schneller war als alle vor ihm gestarteten Rennradfahrer, wurde der Rekord nicht anerkannt, weil die Rekordstrecke zu kurz war. Der Radrennfahrer, auch Betreiber eines Bordells, fand ein seltsames Ende – er wurde von seiner Ehefrau mit Arsen vergiftet.
– Der viermalige Seitenwagenweltmeister Max Deubel ließ sich seine Renngespanne bei August Wurrig umbauen, obwohl er ja Werksfahrer bei BMW war.
– Die französischen und englischen Besatzer ließen sich ihre Motorräder bei August Wurrig reparieren und dafür gab es immer mal wieder Sprit, der in der damaligen Zeit viel wertvoller war als Geld.
– Großvater August Wurring war in der Nachkriegszeit erfolgreicher Rennfahrer. Motorradrennen waren ab 1946 recht populär, fanden in den Städten statt und die Rennfahrer verdienten aufgrund der großen Zuschauerzahlen viel Geld. Wichtiger war es aber, dass es etwas zu essen gab.
– Schwierig waren die Inflationsjahre 1923/24. Wenn eine Reparatur bar bezahlt wurde musste man schnell dafür etwas kaufen. Am nächsten Tag hatte der Wert des Geldes oftmals um ein Vielfaches abgenommen.
– Mit 87 sollte der Großvater August Wurring sich für Fotografen nur mal auf die Beiwagenmaschine setzen. Doch „Opa Wurring“ gab richtig Gas und drehte auf der Rennstrecke in Ibbenbühren (Münsterland) ein paar Runden. 

WD Förderverein e.V. 

So wie der Firmengründer August Wurring kurz vor seinem Tod 1990 die Werkstatt verlassen hat, so blieb sie jahrelang. Das Dach stürzte ein und beschädigte einige wertvolle Exponate – bis sich Oldtimerfreunde fanden, die alles retteten.

Im Januar 2014 schlossen sich Oldtimerfreunde aus dem Kreis der Veranstaltung „Ausfahrt für rheinische Motorräder“, die jährlich rund um Bad Münstereifel stattfindet, zusammen, um Thomas von der Bey und seiner Familie bei der mehr als dringenden Sanierung und damit auch Rettung der alten Fabrikationsgebäude und deren Einrichtung zu helfen. Schnell wurde klar, dass aus rechtlichen und treuhänderischen Gründen ein Förderverein gegründet werden musste. Dank der unglaublichen Arbeit der Mitglieder des Fördervereins, der Unterstützung des Internet-Motorradforums des VFV (Veteranen-Fahrzeug-Verband), und des eingegangenen Spendengeldes konnte im September 2014 das Dach der alten Lagerhalle komplett erneuert werden. Viele helfende Hände sorgten dafür, dass der Förderverein das AWD-Museum schlussendlich mit einem Wochenende der offenen Tür Ende April 2015 der Öffentlichkeit präsentieren konnte. Die Arbeit des Fördervereins und seiner Mitglieder geht natürlich weiter, denn es gibt noch viel zu tun. Interessenten wenden sich bitte an den Vorsitzenden des Fördervereins:

AWD Förderverein
1. Vorsitzender Mike Rösener
Kölner Straße 32
40885 Ratingen
Mail: Mike.Roesener@alice.de

Besichtigung möglich

Hier die Termine für das Jahr 2023:

Sonntag, 04.06.2023 10.00 – 16.00 Uhr
Sonntag, 06.08.2023 10.00 – 16.00 Uhr
Sonntag, 01.10.2023 10.00 – 16.00 Uhr

Der Eintritt ist frei!

Anschrift:
OT Breitscheid
Kölner Str. 32
40885 Ratingen

Mehr Infos:
http://www.awdmuseum.de

Text und Fotos: Klaus Ridder