Nach Professor Dr. Walter Eichendorf, Präsident des DVR, Sven Ennerst, Leiter Entwicklung Daimler Trucks, Professor Dr. Dieter Müller, Leiter Institut für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten sowie Siegfried Brockmann, Leiter Unfallforschung der Versicherer, war letzte Woche Professor Kurt Bodewig, Minister a.D., Präsident der Deutschen Verkehrswacht (DVW) und Vizepräsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR), bei uns zum VdM Videotalk „Verkehrssicherheit“ zu Gast. Mit ihm diskutierten wir das aktuell beschlossene Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung. Hier Bodewigs wichtigsten Aussagen.
Zu den Unfallzahlen
– Obwohl in Zeiten der Pandemie die Zahl der Verkehrstoten zurückging, hat sich bei gewissen Verkehrsträgern diese Zahl erhöht. Dazu gehören zum Beispiel die Pedelec-Fahrer.
– Der Fahrradverkehr hat im letzten Jahr rund 25 Prozent zugenommen, weshalb es auch hier zu mehr Unfällen kam.
– Großes Problem sind auch die E-Scooter. Deren Zulassung ging 2019 im Hoppla-hopp-Verfahren, ohne dass es seinerzeit Voruntersuchungen gegeben hätte zum möglichen Unfallgeschehen oder zur (Sicherheits-)Technik.
– Statt E-Scooter für touristische Zwecke in Innenstädten zu proklamieren hätte man sie besser als Ergänzung zum ÖPNV konzipieren sollen – als Teil einer Mobilitätskette und nicht als „Funfaktor“.
– Fußgänger.
Zum Verkehrssicherheitsprogramm
– Das neue Verkehrssicherheitsprogramm bindet, im Gegensatz zum ersten Programm von 2001, das nur vom Bund getragen wurde, jetzt alle Träger in die Verantwortung ein, den Bund, die Länder und die Kommunen.
– Die Schaffung des Verkehrssicherheitsprogramm des Bundes sowie der Pakt für Verkehrssicherheit ist eine einmalige Chance, hier deutlich weiterzukommen.
– Es hätte aber eine stärkere Priorisierung bedurft, die die Ziele noch deutlicher definiert, zum Beispiel für den Fußverkehr, der als schwächster Verkehrsteilnehmer durch E-Scooter, Radfahrer und den Autoverkehr gleichermaßen gefährdet ist, oder eine Helmpflicht für E-Scooter-Fahrer.
– Eine große Reform des Bußgeldkatalogs ist ausgeblieben. Die ist aber zum Beispiel aufgrund neuer Tatbestände überfällig.
– Das Ziel, die Verkehrstoten bis 2030 um 40 Prozent zu reduzieren ist wichtig, aber ambitioniert. Man hätte zudem aber auch die Schwerstverletzten mit in die Betrachtung einbeziehen müssen, die einst verstorben wären, aber Dank der medizinischen Fortschritte heute oftmals als Komapatienten überleben.
Zur Jugendausbildung
– Rund 60 Prozent aller Kindertagesstätten und Schulen arbeiten bei der Verkehrserziehung mit Materialen der deutschen Verkehrswacht.
– Rund 90 Prozent aller Grundschüler haben eine Fahrradausbildung erhalten.
– Heranwachsende, bis zur 12. Klasse, sollen über direkte Ansprache sensibilisiert werden. Hier bieten sich beispielsweise Crashkurse etc. an
– Eltern müssen verstehen, dass Elterntaxis nicht die optimale Lösung sind.
– Schwer erreichbar in Sachen Verkehrssicherheitsarbeit sind bestimmte Mobilitätsgruppen, die schon „stark ideologisiert“ sind, wie bestimme Fahrrad- oder Motorradfahrer
– Mit einem neuen, mehr aktionsbasierten Programm für junge Fahrer will die DVW diese noch stärker ansprechen.
– Mit einer Null-Promille-Grenze konnte bei den jungen Fahranfängern die Risikogruppe minimiert werden. Eine generelle Null-Promille-Grenze ist in Deutschland nur schwer umsetzbar.
Das komplette Gespräch findet man: hier
Fotos: Bicker