Es fing alles mit der Kamera seines Bruders an als Klaus Ridder seine ersten Fotos von der Rennstrecke schoss. Heute, 70 Jahre später, ist Ridder fester Bestandteil der Fotografenszene im Motorsport. Nachfolgend ein Rückblick von Klaus Ridder auf 70 Jahre Motorsportfotografie.
Es war das Jahr 1955 und Motorradrennen in der hannoverschen Eilenriede. 1955 gab es dort das abschließende Rennen, weil die Rennstrecke für Fahrer und auch Zuschauer zu gefährlich wurde. Zwischen den Zuschauern und den vorbeirasenden Rennmaschinen – und auch ein paar Rennwagen – gab es nur einen Maschendrahtzaun und ein paar Strohballen. Eine in die Zuschauer fliegende Rennmaschine hätte eine Katastrophe auslösen können. Ich hatte mir von meinem Bruder Jürgen seine Kamera eine Agfa Isolette ausgeliehen und machte die ersten Bilder von den vorbeirasenden Rennmaschinen und Rennwagen, die mit Lokalmatador Petermax Müller ein paar Demo-Runden drehten. Auch die jeweils siegreichen Rennfahrer wurden mit einem Lorbeerkranz um den Oberkörper einmal um den Kurs in einem offenen Wagen gefahren.
Fotografie damals: mühsam und zeitaufwändig
Der Stand der Technik einer damaligen Kamera war, dass man zum Fotografieren an der Kamera einen Balg mit der Kameraoptik ausklappte (sog. Balgenkamera) und den Kameraverschluss zum Öffnen und Schließen der Optik aufspannen musste. Und nach jeder Aufnahme musste auch der auf einer Rolle im Kameragehäuse befindliche Film weitergedreht werden. Das war ein mühsamer und zeitaufwändiger Vorgang. So kam es, dass nicht immer die Rennmaschine ‚erwischte‘. Hinzu kam, dass der Verschluss manchmal zu langsam war, um die Rennmaschine deutlich abzubilden. Der voll belichtete Film wanderte anschließend in ein Fotogeschäft zur Entwicklung. Holte man die entwickelten Bilder ab, war die Freude oft nicht groß – so war die Rennmaschine manchmal gar nicht zu sehen; sie war wohl schon vorbeigerast, wenn sich der Verschluss geöffnet und geschlossen hatte. Hinzu kam der Preis für den Kauf der Filme und auch für die Entwicklung einschließlich der Anfertigung von Abzügen im Format 6 x 6 cm. Ich war damals noch Schüler und mehr als ein Film mit 12 Aufnahmen war finanziell nicht drin.
Abb. 2
Mit einer Kleinbildkamera nach vorn
Noch in den 60iger Jahren kaufte ich mir eine Kleinbildkamera mit der ich bereits 36 Aufnahmen machen konnte – ein enormer Fortschritt. Auch gönnte ich mir ein kleines Teleobjektiv mit 135 mm Brennweite – das kostete ein Vermögen. Doch damit ließen sich deutlich bessere Motorsportaufnahmen machen. Und übrigens: Früher kam man näher an die Rennstrecke und somit an die Rennwagen heran. Ich erinnere mich daran, dass ich auf der Rennstrecke in Spa (Belgien) in der berühmten Kurve La Source im Abstand von etwa zwei Metern in die Rennwagen fotografieren konnte – und das als normaler Zuschauer. Am Nürburgring versteckte ich mich bisweilen in der Begrenzungshecke zur Rennstrecke und wartete bis der Rennwagen kam. Danach: Schnell ein Foto und dann abgehauen, weil die Streckenposten mich entdeckt hatten.
Begegnung mit Hans-Peter Seufert, Cheffotograf der Stuttgarter Motor-Presse
Die Bilder entwickelte ich selbst, zunächst nachts im Badezimmer und später in einem eigenen kleinen Labor im Keller unseres Hauses. Es waren schwarz-weiß-Bilder, die heute noch ihren Charm haben. Und dann hatte ich noch das Glück, einen der ‚großen Motorsportfotografen‘ am Nürburgring kennenzulernen. Es war der später berühmte Hans-Peter (H. P.) Seufert, der jahrzehntelang Chef-Fotograf beim Stuttgarter Motor-Presse-Verlag war. Hans-Peter Seufert machte Ausschnittvergrößerungen aus meinen Bildern und da kamen tolle Bildausschnitte zustande. Auf den Original-Fotos waren die Rennwagen und -motorräder oft kaum zu erkennen, dagegen auf den Bildausschnitten hervorragend. Für die Hochglanzabzüge im Format 12 x 18 cm habe ich bei H. P. Seufert nur den Selbstkostenpreis bezahlt. Sie sind heute wertvoller Bestandteil meines mittlerweile riesigen Fotoarchivs. Leider sind die Verbindungen zu H. P. Seufert im Laufe der Jahre weniger geworden, zumal mein ‚ehemaliger Fotonachbar‘ zum absoluten Star unter den Motorsportfotografen aufgestiegen war.

Paradigmenwechsel in der Fotografie
Die Fotografie hat sich im Laufe der Jahrzehnte verändert – so wird heute völlig anders fotografiert. Einmal sind es die leistungsfähigen Teleobjektive mit bis zu 400 mm Brennweite und dann ist es die Digitalfotografie. Statt etwa 30 Bildern von einer Motorsportveranstaltung sind es heute 300 oder mehr. Alles wird auf einem Chip gespeichert und eine Aufnahme kostet praktisch nichts. Man macht viel mehr Bilder als benötigt und sortiert alles aus, was nicht so gut ist. Mit den heutigen Teleobjektiven kann selbst der Zuschauer vom normalen Zuschauerplatz aus gute Aufnahmen erstellen. Nicht unterschätzen sollte man Fotos mit einem Handy. So verfüge ich heute über ein Handy mit fünf Linsen und kann damit sehr gute Aufnahmen machen. Überdies trägt man ein Handy praktisch immer mit sich. Nur Aufnahmen von schnell sich bewegenden Motiven können manchmal schwierig sein. Da sollte doch schon eine richtige Kamera mit einem leistungsfähigen Objektiv verwendet werden. Übrigens, war ich überrascht welch gute Rennaufnahmen mein Enkel Jascha von der Nürburgringtribüne und von außerhalb des FIA-Sicherheitszaun gemacht hat. Die dann vergrößerten Ausschnitte waren hervorragend – ich habe sogar Aufnahmen für meine Veröffentlichungen verwendet und Jascha hat dafür ein Honorar bekommen. Mittlerweile bin ich zum Kenner der Motorsportfotografie aufgestiegen, verfüge aufgrund meiner Veröffentlichungen über einen Presseausweis des Verband der Motorjournalisten (VdM) und bekomme von den Motorsportveranstaltern auch eine ‚Fotoweste‘, um direkt an die Rennstrecke zu kommen. Das macht das Fotografieren einfacher. Im Jahr 2004 hatte ich eine Ausstellung „50 Jahre Motorsportfotografie“ im Museum des Nürburgrings. Die Ausstellung dauerte mehrere Monate und kam sehr gut an. Zwölf Jahre später wurden die Bilder und andere Exponate in Remagen im dortigen Caracciola-Club sowie im Rathaus der Kreisstadt Siegburg ausgestellt.
Abb. 5
Kindheitstraum: Rennfahrer
Ich wollte selbst einmal Rennfahrer werden. Zu diesem Zweck lernte ich Kraftfahrzeugmechaniker beim Unternehmen Mercedes Benz, das bekanntlich 1954 und 1955 mit Juan Manuel Fangio Automobil-Weltmeister geworden ist. Das alles hatte bei den jungen Menschen eine unwahrscheinliche Begeisterung entfacht. Aus meinem Rennfahrertraum wurde gleichwohl nichts, weil mein Vater als konservativer Sparkassendirektor 1959 einen Antrag auf eine Rennfahrerlizenz nicht unterschrieb. Wir erinnern uns: Damals war man ja erst mit 21 volljährig. Dessen ungeachtet bin ich der Rennfahrerszene treu geblieben. Ich habe Auto- und Motorradrennen in aller Welt besucht und darüber in den Medien berichtet. Zudem verfüge ich heute über ein großes Archiv mit Motorsportaufnahmen, Plakaten, Programmheften und sonstigen Erinnerungsstücken. Und der Nürburgring liegt mit einer Entfernung von nur einer Stunde praktisch vor der Haustür und ist, wie meine Frau Geschi mir immer wieder bemerkt, zu meiner Zweiten Heimat geworden. Übrigens, derzeit schreibe ich ein Buch mit dem Titel ‚100 Jahre Nürburgring – 70 Jahre live dabei“. Dabei verwende ich, bis auf wenige historische Aufnahmen, alles eigene Fotos.
Autor: Klaus Ridder; Abbildungen: Klaus Ridder, Uwe Zörb
Abb. 1 (Aufmacherbild): Eilenriede: Erste Motorsportaufnahmen 1955 vom Rennen in der hannoverschen Eilenriede. Man beachte die Zuschauer direkt an der Rennstrecke
Abb. 2: Fotos 6 x 6 cm: Die Fotos waren früher kleinformatig in der Größe 6 x 6 cm und waren für einen Schüler sehr teuer.
Abb. 3: Spa: Früher kam man auch als Zuschauer direkt an die Rennstrecke. Hier in der berühmten Kurve La Source im belgischen Spa
Abb. 4: H. P Seufert: Der spätere Starfotograf Hans Peter Seufert machte für mich Ausschnittvergrößerungen. Hier Joakim Bonnier auf Borgward beim Schauinsland Rennen 1958
Abb. 5: Fotoweste: Heute hat Klaus Ridder mit Fotoweste Zugang direkt an die Rennstrecke und in die Boxengasse











