//IfA Branchengipfel 2025: Schluss mit dem Gejammer – Lösungen sind machbar

IfA Branchengipfel 2025: Schluss mit dem Gejammer – Lösungen sind machbar

Die deutsche Automobilwirtschaft erlebt derzeit eine ihrer schwierigsten Phasen überhaupt. Wer hier bestehen will, für den stellt sich nicht die Frage, ob gehandelt werden muss, sondern wie schnell und mutig. Gefragt sind marktgerechte Produkte und mutige Innovationen für eine elektrische und digitale Zukunft, die die Automobilbranche wieder auf Erfolgskurs bringen. Das machten der 26. IfA Branchengipfel und seine geladenen Akteure im Oktober in Nürtingen mehr als deutlich.

 Unter dem Motto „Unfolding Potentials – Innovating the Way We Move“ zeigte das 26. Branchen-Get-together in Nürtingen klar auf: „Es geht alles zu langsam. Die Branche, aber auch die Politik müssen dringend handeln“, so Prof. Dr. Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IfA) an der HfWU in Nürtingen vor den rund 550 anwesenden Gästen. Elektrifizierung, KI, Digitalisierung und neue Wertschöpfungs- und Vertriebsmodelle kämen gut voran. Damit seien die Unternehmen gefordert, das Bestehende abzusichern und gleichzeitig mutig neue Strukturen und Lösungen zu schaffen, um den Standort Deutschland im globalen Wettbewerb zukunftsfähig zu machen. Bei der Transformation der Branche sei allerdings auch die Politik gefordert – eine verlässliche Energie- und Industriepolitik, eine echte Entbürokratisierung und gezielte Qualifizierungsmaßnahmen seien unerlässlich.

Unabhängiger werden in puncto Rohstoffe, Schlüsseltechnologien und Energie

In seiner Videobotschaft versprach der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann zum Auftakt der Veranstaltung unter dem Titel „Politische Entscheidungen – welche Fehler sind zu korrigieren, was muss bleiben?“, sich für bessere Rahmenbedingungen einzusetzen und das vor allem auf europäischer Ebene. „Wir müssen unabhängiger werden in puncto Rohstoffe, Schlüsseltechnologien und Energie, um das Autoland Deutschland wieder nach vorne zu bringen“, so Kretschmann.

Realität und Handlungsfähigkeit müssen im Einklang stehen

Im Rahmen der Diskussionsrunde zur Situationsbestimmungen der Branche unter dem Titel „Zurück zur alten Stärke, aber wie?“ forderte die Präsidentin des Verbandes der Internationalen Kraftfahrzeughersteller (VDIK), Imelda Labbé, angesichts der andauernden Krise endlich Realität und Handlungsfähigkeit in Einklang zu bringen. Immer wieder nur kritische Bestandsaufnahmen vorzunehmen, führe zu nichts. Der Hochlauf der E-Mobilität sei jetzt wichtig. Dabei müsse Mobilität bezahlbar sein. Dass die hiesige Branche bereits reagiert habe, hätte die IAA Mobility klar gezeigt. Allerdings kämen nun die Chinesen – und die lernten schnell, so Labbé. Auch Simon Schütz, Head of Communications vom Verband der Automobilhersteller (VDA), forderte, Reformen unbedingt jetzt anzugehen, und monierte das Fehlen einer Langfristdenke. In Brüssel gäbe es noch einiges zu tun. Wichtig für Schütz ist es, dass die Branche Optimismus ausstrahle, schließlich sei sie wettbewerbsfähig, und das Auto gewinne weiter an Bedeutung.

Konzentration im Handel geht weiter

Burkhard Weller, Präsident des neu gegründeten Verbandes der Automobilhändler Deutschlands (VAD), ist gleichwohl skeptisch hinsichtlich der Entwicklung des deutschen Automobilmarktes. So rechnet er nicht mehr damit, dass man über drei Millionen Autos verkaufen werde. Damit man im Handel gut unterwegs bleibe, sollte man sich in die politische Diskussion einbringen. Mit Blick auf die E-Mobilität meinte er im Übrigen: Natürlich wollten alle elektrisch fahren, aber unter Anreiz und nicht unter Zwang. Den Nerv traf auch Michael Ziegler, Vorstandsmitglied des Zentralverbandes Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), bei seiner ungeschminkten Analyse zur Situation der Branche: So würden die Zulassungszahlen weiter zurückgehen, weil die individuelle Mobilität zu teuer geworden sei. Man habe zu wenig auf den Markt gehört. Produktionsfaktoren wie hohe Energiepreise, Arbeitskosten, Bürokratie und Steuern lassen sich nach Überzeugung Zieglers auch nicht so schnell verbessern. Das könne nur in Brüssel geändert werden, aber dort sei man viel zu langsam. Ziegler rechnet daher damit, dass die Konzentration im Handel weiter steigt und Arbeitsplätze wegfallen.

Abb. 2

Skoda Vorstandsvorsitzender und ehemaliger IfA Student Klaus Zellmer zeigte sich im Gespräch mit Prof. Reindl überzeugt, dass die Branche bis 2035 ein Verbrenner-Aus nicht schaffen werde, solange es wie derzeit keine zielführenden gesamteuropäischen Rahmenbedingungen gebe. Appelle an die Industrie seien nicht ausreichend. Die Zukunft, so Zellmer, sei elektrisch. Für Skoda allerdings nicht vollelektrisch. Wie Marco Schubert, Vorstand für Vertrieb und Marketing der Audi AG, in seiner Keynote ausführte, habe man die aktuellen Herausforderungen der Transformation in der Branche in dieser Dimension und Schlagkraft noch nie gesehen. Gleichwohl zeigt sich Audi nicht zuletzt dank seines jüngsten Produktportfolios gut für die Zukunft aufgestellt.

Bei KI ist das Mindset des Einzelnen entscheidend

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende und Vorstandsmitglied Forschung und Entwicklung der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, Dr. Michael Steiner, sprach zum Thema „Mit Daten zum Durchbruch – Künstliche Intelligenz in der Fahrzeugentwicklung“. Dabei stellte er klar, dass es ohne KI-Methoden angesichts der hohen Komplexität in der Fahrzeugentwicklung gar nicht mehr ginge. KI sei ein mächtiges Werkzeug. So ließen sich täglich mit neuen Komponenten digital Tausende von Simulationen und Tests durchführen. Dadurch erhalte man schnell neue und tiefergehende Erkenntnisse. Im Fokus stehen für Steiner allerdings nicht die Potentiale der neuen Technologie, sondern vielmehr das Mindset des Einzelnen und damit die Frage, wie offen man für die KI sei, wie spielerisch und damit innovativ mit ihr umgegangen werde. Wie in China, wo die Menschen einfach etwas ausprobieren, sollten die Menschen das auch hier lieben lernen.

Klare Rollenverteilung zwischen Industrie und Handel

Im Sales Forum mit Christian Ach (BMW), Ralph Kranz (Hyundai), Mario Köhler (Toyota) und Florian Kraft (Renault) ging es um die richtigen Strategien im Vertrieb. Dabei wurde deutlich, dass der Vertriebserfolg immer auch eine Frage der richtigen Produkte ist. So war laut Ach der Auftragseingang des neuen BMW iX3 bereits kurz nach der IAA Mobility überwältigend. Wichtig sei zudem, so Toyota Präsident Köhler, den Kunden lebenslang im Ökosystem zu halten. Zudem müsse es eine klare Rollenverteilung zwischen Industrie und Handel geben, betont Köhler: „Wir können kein Retail. Wir brauchen den Handel.“

Vom Händler zum Mobilitätsanbieter

In Retail Forum unter dem Titel „The Big Retail Ones“ mit den größten deutschen Händlergruppen wurde schnell deutlich, dass der Weg in Richtung Mobilitätsanbieter geht, um Geld zu verdienen. So fällt das Aftersales-Geschäft drastisch zurück und auch im Neuwagenvertrieb ist nur noch wenig zu verdienen. So sieht sich Albrecht Wollensak, Vorstandsvorsitzender der Alphartis SE, mit ihren 50 Betrieben klar als Mobilitätsbegleiter in allen Lebenslagen ihrer Kunden. Überhaupt ist das Sammeln von Marken für die Megadealer inzwischen Geschichte. „Die Party ist vorbei“, sagt Wollensak. Ins gleiche Horn stößt Roman Still, Vorstandssprecher der AVAG Holding SE, wenn er einräumt, dass eine Gruppe, die zu groß sei, schlechter zu führen ist. Bisher habe man zugekauft, weil es Spaß gemacht habe. Für Stephan Hahn von der Hahn Gruppe ist es jetzt wichtig, wieder in eine positive Grundstimmung zu kommen und selbstbewusst aufzutreten. So beginne eine Transformation mit Mut und Chancen. Jetzt gelte es an der Effizienz und gemeinsam mit der Industrie am Thema KI als entscheidendem Faktor für die Zukunft zu arbeiten. Heinz-Dieter Tiemeyer, Vorstandsvorsitzender der Tiemeyer Gruppe mit Hauptsitz in Bochum, stellte klar: „Wir brauchen Erträge.“ Daher appelliert er an die Hersteller, sich die Netze anzusehen und dem Handel etwas zum Verdienen übrig zu lassen. Schließlich müsse der Handel ja auch seine Leute bezahlen können.

Abb. 3

Insgesamt machte der 26. Branchengipfel des vor 30 Jahren gegründeten IfA Instituts deutlich: Ein Schlechtreden der Branche ist nicht nur fehl am Platz, sondern vor allem auch kontraproduktiv für mutiges, innovatives Handeln in Zeiten der Transformation. Wieder in die Spur zu kommen, sei kein Zauberwerk. Vielmehr gelte es, Produkte anzubieten, die der Markt benötigt, und die anstehenden technologischen Schritte beherzt mitzugehen und mitzugestalten, so der Tenor.

Autorin: Isabella Finsterwalder; Abbildungen: Isabella Finsterwalder, Lukas Jank

Abb. 1 (Aufmacherbild): Diskutierten mit Prof. Stefan Reindl (IfA), re. im Bild, zur Situationsbestimmung in der Branche (v.l.): Burkhard Wellter (VAD), Michael Ziegler( VDKBW, ZDK), Simon Schütz (VDA), Imelda Labbé (VDIK)

Abb. 2 Redeten Tacheles: Prof. Stefan Reindl im Gespräch mit Klaus Zelmmer (Skoda Auto)

Abb. 3 Volles Haus beim 26. IfA Branchengipfel in Nürtingen