//Einsturz der Carolabrücke in Dresden – hoher Sanierungsbedarf

Einsturz der Carolabrücke in Dresden – hoher Sanierungsbedarf

Die eingestürzte Carolabrücke ist ein warnendes Beispiel. So wird die Straßeninfrastruktur immer stärker belastet, gleichzeitig zeigt sich der aufgestaute Sanierungsbedarf.

Das Unglück von Dresden, der Einsturz der Carolabrücke in die Elbe, hat einmal mehr vor Augen geführt, wie sehr der Zustand des öffentlichen Wege- und Verkehrssystems im Argen liegt. Was wäre wohl geschehen, wenn sich zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs Menschen oder gar eine vollbesetzte Straßenbahn auf der Innenstadtbrücke befunden hätten? Die Carolabrücke stammt aus den 1970er Jahren, sprich aus DDR-Zeiten. Dass sie dringend saniert werden muss, ist seit längerem bekannt. Immerhin wird sie bereits seit Jahren Stück für Stück repariert – zu langsam für das nun kollabierte Teilstück. Ähnlich verhält es sich mit den Brücken insgesamt in Deutschland. In ihrer Mehrzahl wurden sie ebenfalls in den 1970er Jahren errichtet. Damals war es üblich, eher sparsam als vorausschauend zu bauen, daher wurde die Betondecke auf dem Stahl recht dünn aufgetragen. Das hat zur Folge, dass der Stahl bald der Witterung ausgesetzt ist und der Rost an der Substanz zu nagen droht – die vermutete Ursache für den Einsturz in Dresden. Eine solche Bauweise wird heutzutage vermieden. Hinzu kommt, dass das Verkehrsaufkommen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten sehr viel höher geworden ist. Auch die punktuelle Belastung der Infrastruktur ist gewachsen, allein weil die Lastwagen erheblich schwerer geworden sind und mehr Gewicht auf die jeweiligen Achsen bringen. Aus diesem Grund wird eine Sanierung früher erforderlich, als zur Zeit der Brückenplanung berechnet.

Zuständigkeitsbereich von Volker Wissing

Die Brücken von Autobahnen und Fernstraßen fallen in den Zuständigkeitsbereich von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) und der Autobahn-Gesellschaft. Die ist für die Verwaltung, Instandhaltung und Erneuerung von insgesamt 40.000 Brücken verantwortlich. Doch erst vor wenigen Tagen kündigte die Geschäftsführung der Autobahn GmbH an, dass mit Blick auf den zu erwartenden Bundeshaushalt 2025 ein Konsolidierungsprogrammaufgelegt werden müsse. Kosten sollen gesenkt, Ressourcen effizienter genutzt, Prozesse gestrafft werden. Ein solches Sparprogramm bedeutet für die anzugehende Sanierung der Straßeninfrastruktur nichts Gutes. Auf kommunaler Ebene werden 67.000 Brücken gezählt, doch die Finanzlage der Städte und Gemeinden ist seit Jahren klamm. Die Spitzenverbände beziffern das Defizit für dieses Jahr auf 13,2 Milliarden Euro. Die erwartete Tendenz: steigend. Zu erwähnen sind auch die Brücken der Deutschen Bahn, die gleichfalls nicht ausreichend Mittel zur Verfügung hat, um die erforderlichen Investitionen anzugehen. Das Deutsche Institut für Urbanistik (DIU) schätzt, dass sich der Investitionsbedarf für den Erhalt und die Erweiterung des Schienen- und Straßennetzes auf ein Volumen von nicht weniger als 372 Milliarden Euro bis zum Jahr 2030 anhäufen wird. Die Qualität der kommunalen Straßenbrücken, so die Analyse der DIU-Experten, habe sich seit 2013 nicht erheblich verbessert. Nahezu jede zweite Straßenbrücke befinde sich in keinem guten Zustand. Immerhin: Zwei Drittel der Brücken im öffentlichen Nahverkehr kennzeichnet das Institut als neuwertig oder gut. Auch die Unternehmen der Bauwirtschaft machen Druck und konstatieren einen enormen Investitionsstau. Die Unternehmen seien in der Lage, rund um die Uhr zu arbeiten, um die erforderlichen Sanierungsarbeiten schnell zu vollbringen und ohne den Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen. Jedoch sei der öffentlichen Hand diese Bauweise zu teuer. Außerdem sei die Bauüberwachung des Nachts oder an Sonntagen seitens der staatlichen Auftraggeber schwierig zu gestalten.

Autor: Olaf Walther (kb); Abbildung: Pixabay/Lecreusois

Hintergrund:

Intelligenter Rost – ein Spion in maroden Brücken

Wissenschaftler experimentieren mit magnetischem Eisenoxid in Brücken und Kunststoffen, um Aussagen über die Materialbelastung zu erhalten. Das Stichwort lautet: vorausschauende Wartung.

Der Einsturz der Carolabrücke in Dresdens Innenstadt, bei dem wie durch ein Wunder niemand zu Schaden gekommen ist, kann als symptomatisch für den maroden Zustand der meisten Straßenbauwerke in Deutschland genommen werden (vgl. oben). Als Ursache für den Zusammenbruch wird Korrosion vermutet. Um solche Materialschäden künftig früher und genauer aufzuspüren, wollen Wissenschaftler die Bauwerke sprechen lassen. Erreichen wollen dies Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg und des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung (ISC) dadurch, dass magnetische Partikel, die überwiegend aus Eisenoxid bestehen, dem Bauwerk während seiner Herstellung zugefügt werden. Eisenoxid ist nichts anderes als Rost. Man könnte also scherzhaft sagen: Man möchte den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Und es stimmt sogar. Das von der Europäischen Union geförderte Projekt Smart Rust (Intelligenter Rost) soll verborgene Mängel in Autobahnbrücken frühzeitig aufspüren. Denkbar wäre darüber hinaus der Einsatz in Kunststoffen für die Automobilproduktion. Das Vorhaben ist von einer gewissen Dringlichkeit, denn wie die Carolabrücke sind etliche Autobahnbrücken in Deutschland in schlechter Verfassung. Jede zweite befindet sich in einem lediglich befriedigenden Zustand, ein weiteres Viertel wird als ausreichend eingestuft, und bei fünf Prozent sieht es noch schlechter aus. Von dem intelligenten Rost erhoffen sich die Wissenschaftler Hinweise auf Probleme wie zur Feuchtigkeit in einem Bauwerk, wie viel Hitze es abbekommen und ob es mechanischen Stress erfahren hat. Diese Fragen sollen uns magnetische Partikel beantworten – wie kleine Spione, erläutert Karl Mandel, Professor für organische Chemie an der Uni Erlangen-Nürn­berg und wissenschaftlicher Institutsleiter am Fraunhofer-ISC.

Verborgene Mängel sichtbar machen

Eisenoxid hat nicht nur den Vorteil, dass es günstig herzustellen ist, die Teilchen sind auch magnetisch. Eingebaut in eine Brücke, soll der Rost Informationen liefern, was in der Vergangenheit mit dem Material passiert ist – und auf diese Weise sogar verborgene Mängel sichtbar machen, erklärt Mandel. Der Projektinitiator klärt auf: Wenn die Partikel miteinander Wechselwirkungen eingehen, lässt sich das als Signal messen. Man könnte sagen, sie tuscheln miteinander. Um die Umwelteinflüsse messen zu können, fügen die Wissenschaftler nichtmagnetische Teilchen hinzu. Zusammen mit den magnetischen Rostpartikeln bilden sie sogenannte Suprapartikel, die speziell auf Feuchtigkeit oder Hitze reagieren und den Forscherinnen und Forschern mitteilen, was mit dem Objekt geschehen ist. Die Partikel könnten uns Einblicke selbst in die unsichtbaren Tiefen eines Objekts geben: schnell, günstig und ohne es zu zerstören, hebt Karl Mandel hervor. Allerdings wird diese Technologie, die nach Ansicht des Professors große Zukunftsfelder abdecken könnte, real noch nicht eingesetzt. Jedoch wird zielstrebig darauf hingearbeitet, eine vorausschauende Wartung eines Tages zu ermöglichen und dadurch die Produktsicherheit erheblich zu erhöhen. Übrigens würde auch das Recycling verbessert. Es ließe sich beispielsweise verlässlich be­stimmen, ob ein Kunststoff noch die wünschenswerten Eigenschaften besitzt, die zu seiner Wiederverwertung erforderlich sind. Schließlich könnte der Smart-Rust-Ansatz sogar für Roboter in der Industrieproduktion eingesetzt werden. Durch das Eisenoxid erhielten die Maschinen eine Rückmeldung, ob etwa die soeben eingedrehte Schraube korrekt sitzt. Karl Mandel: Ich finde die Vorstellung faszinierend, Materialien in Zukunft zum Sprechen zu bringen. Künftig kann man also auf die Wissenschaft hören, um Brücken frühzeitig zu sanieren – was allemal weniger Kosten verursacht als ein Einsturz wie jetzt in Dresden.

 Autorin: Beate M. Glaser (kb), Abbildung: Pixabay/Lecreusois