//Visionen für das Autohaus der Zukunft

Visionen für das Autohaus der Zukunft

In einer ehemaligen Omnibushalle im Esslinger Gewerbegebiet Sirnau ist mit der „Zukunftswerkstatt 4.0“ ein Innovationszentrum entstanden, das „innovative Technologien und Anwendungen für das Autohaus- und Werkstattgeschäft von heute, morgen und übermorgen erlebbar“ machen will. Edith Pisching, Direktorin der Zukunftswerkstatt, informierte Mitglieder des VdM-Regionalkreises Südwest bei einem Besuch über Aufgaben und Ziele des Projektes. Entstanden ist die Zukunftswerkstatt aus dem von der Landesregierung getragenen Strategiedialog Automobilwirtschaft Baden-Württemberg. Gesellschafter der dafür gegründeten GmbH sind die Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen mit einem Anteil von 20 Prozent, das Institut für Automobilwirtschaft ifa mit 49 Prozent und die DAT mit einem Anteil von 25 Prozent. Wichtigstes „Kapital“ der Zukunftswerkstatt sind aber wohl die inzwischen 127 Kooperationspartner aus allen Bereichen der Automobilwirtschaft, die mit ihren Produkten, innovativen Entwicklungen und Ideen die Basis für die Arbeit der Zukunftswerkstatt bilden.

Abgebildet werden sollen die Megatrends der Branche von der Digitalisierung und der Konnektivität, über neue Werkstoffe, bis zu alternativen Antrieben und autonomem Fahren, erläuterte Direktorin Pisching. Dazu stehen zwei Werkstattarbeitsplätze und ein Showroom, aber auch Schulungsräume und Platz für Events und Vorträge auf rund 450 Quadratmetern zur Verfügung. Unterschiedliche Partner sollen hier „ohne Scheuklappen“ zusammenarbeiten, um innovative Ideen für die Branche zu diskutieren, zu testen und umzusetzen. Wie solche prozessorientierten Projekte entlang der „Customer Journey“ aussehen können, machte Edith Pisching an zwei Beispielen deutlich. Beispiel Fahrzeugannahme in der Werkstatt: Fährt der Kunde auf das Autohausgelände wird das Fahrzeug rundum gescannt (siehe Foto). Unterstützt von künstlicher Intelligenz wird so der Zustand des Fahrzeugs mit allen möglichen Vorschäden erfasst. Das beugt Kundenreklamationen nach dem Werkstattaufenthalt vor und unterstützt die anschließende Dialogannahme mit dem Kunden. Auch Profiltiefe und Ablaufbild der Reifen werden automatisch ermittelt und ermöglichen Hinweise auf einen anstehenden Reifenwechsel oder Schäden an der Spur. Erfasst wird bei der Einfahrt des Kundenfahrzeugs zudem das Kennzeichen, so dass Fahrzeug und Kunde identifiziert werden und alle gespeicherten Daten rund um das Fahrzeug und den Kunden zur Verfügung stehen. Beispiel Showroom im Autohaus: Hier erfassen Sensoren unter der Decke die Laufwege der Kunden. Das erlaubt einerseits Hinweise für das Marketing und die Steuerung der Kunden durch die Ausstellung, kann aber genauso einen Verkäufer aufmerksam machen, wenn sich ein Kunde für ein Ausstellungsfahrzeug besonders interessiert. Visionen für das Autohaus der fernen Zukunft? Keineswegs! In der Zukunftswerkstatt 4.0 ist all das schon realisiert und wird ausprobiert.

Zukunft der Automobilindustrie am Beispiel BMW

Neben dem Ausprobieren neuer Technologien dient die Zukunftswerkstatt aber auch der Ausbildung. Berufsschüler und Studenten werden an neue Entwicklung herangeführt und diskutieren technische Trends. Dazu gehören auch Vorträge hochrangiger Manager aus der Automobilbranche. So erlebten die Besucher aus dem VdM-Regionalkreis Südwest nach den Informationen zur Zukunftswerkstatt zusammen mit vielen Studentinnen und Studenten der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen einen spannenden Vortrag von Stefan Teuchert, bis vor kurzem bei BMW Leiter Vertrieb Deutschland und jetzt für die Region Nordeuropa zuständig. „Die Automobilindustrie befindet sich in der größten Transformation ihrer Geschichte“, so Teuchert. Vor allem in Europa verändere sich die Welt dramatisch. Wie BMW dieser Herausforderung begegnet, machte er an den Bereichen Elektrifizierung, Digitalisierung, der neuen BMW-Klasse, neuen Vertriebskonzepten und dem Thema Nachhaltigkeit und Zirkularität deutlich. Mit dem i3 sei BMW Vorreiter in Sachen Elektromobilität gewesen. Aktuell spiele der Verbrenner nach wir vor eine wichtige Rolle, aber bis 2025 wolle BMW 25 Prozent seiner Fahrzeuge mit Elektromotor verkaufen. Ab 2030 werden die Mini-Modelle ausschließlich mit E-Antrieb angeboten. Die Digitalisierung spiele eine zunehmend wichtige Rolle bei der Fahrzeug-Vernetzung und der Fahrerunterstützung, aber auch im Vertriebsprozess. Im Vertrieb setzt BMW zukünftig auf das Agenturgeschäft. BMW wird damit einen Neuwagen nicht mehr an den Händler verkaufen, der dann das Fahrzeug dem Kunden verkauft. Vielmehr verkauft BMW vermittelt über den Händler als Verkaufsagent direkt an den Kunden. Vorteil: Keine Kapitalbindung mehr beim Händler und klarere Verkaufspreisstrukturen. Auch Nachhaltigkeit und Zirkularität hin zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft ist für BMW von zentraler Bedeutung, so Stefan Teuchert. Möglichst alle Fahrzeugteile sollen recycelt werden und wenn möglich aus Recyclingmaterial gefertigt werden können. Vor allem aber gelte es, die Batterien der E-Antriebe mit ihren wertvollen Materialen zu recyceln und sich so etwa bei den seltenen Erden unabhängiger zu machen. Vorreiter dafür soll die neue BMW-Klasse werden, deren Konzept auf der IAA 2023 vorgestellt wurde. Chromteile beispielsweise wird es hier nicht mehr geben, weil nicht recyclingfähig. Stattdessen werde verstärkt mit LED-Lichtdesign gearbeitet.

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Titelfoto (Eberhard Strähle): Die VdM-Gruppe vor der Zukunftswerkstatt im Esslinger Industriegebiet Sirnau